© Carola Thieme
Jörg Meister
Am letzten Wochenende im Oktober steht Würzburg traditionell im Zeichen des Jazz. Am 30. und 31. Oktober veranstaltet die Jazzinitiative ihr 36. Jazzfestival. Wir sprachen mit Jörg Meister, 1. Vorsitzender der Jazzinitiative, über die hiesige Szene, die Organisation des Festivals und darüber, wie er den Jazz für sich entdeckte.
Wie ist es um die Jazzszene in Würzburg bestellt und welche Bedeutung hat das Jazzfestival für die Stadt?
Um die Jazzszene in Würzburg ist es gut bestellt. Bereits in den 1970er Jahren kamen wichtige Musiker der Jazz-Rock-Szene aus Würzburg. Die Hochschule für Musik Würzburg ist eine der ersten in Deutschland mit dem Studiengang Jazz. Die Szene ist lebendig mit Konzerten und Sessions verschiedener Lokalitäten und Institutionen, nicht zuletzt der Jazzinitiative. Das Jazzfestival ist wichtiger Bestandteil der Würzburger Kulturlandschaft. Das beweist (nicht nur) die Auszeichnung der Jazzinitiative mit der Kulturmedaille 2000 der Stadt Würzburg.
Der diesjährige Programmschwerpunkt liegt auf Ethno-Fusion. Was genau kann man sich darunter vorstellen?
Jazz ist schon bei und seit seiner Entstehung Fusion, also Verschmelzung verschiedener Musikarten, u. a. auch ethnischer: Jazz ist Weltmusik. Jede Formation spielt ein individuelles Crossover zwischen Jazz und überraschenden anderen Genres, sei es Ethno, Electronica, moderne Klassik, Post Rock ... Sehr viele Elektro-Bässe werden im Spiel sein und je zwei Didgeridoos und Ouds.
Wie würdest Du die Entwicklung des Jazz kurz beschreiben und welche Bedeutung hat er für die Musikwelt heute?
Jazz entstand um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert in den Südstaaten der USA. Seine Wurzeln liegen sowohl in der Musik, die die Sklaven aus Afrika mitgebracht hatten, ihren Worksongs, Blues, Gospels und Spirituals, als auch in der europäischen Musik jeder Art, die die Schwarzen seinerzeit zu hören bekamen. Lange Zeit war Jazz Tanz- und Populärmusik, erst Anfang der 1940er Jahre entwickelte sich in New York der Bebop und Jazz wurde zur Kunstmusik. Jazz ist die wichtigste, span- nendste und innovativste Musik des 20. und 21. Jahrhunderts und er entwickelt sich evolutionär ständig weiter, ohne seine Wurzeln zu vergessen.
Böse Zungen behaupten ja, es gehen nur Men- schen über 50 zu Jazzkonzerten. Ist das Jazzpubli- kum tatsächlich überaltert?
Das Narrativ des pfeiferauchenden und cordhosentragenden Jazzfreunds ist obsolet, es gibt erfreulicherweise viele junge Jazzfans (und Jazzmusiker).
Du bist seit 1985 Mitglied der Jazzinitiative, seit 2003 deren 1. Vorsitzender. Was ist das frühere und jetzige Profil des Festivals? Gibt es Parallelen, Unterschiede?
Das jetzige Profil des Festivals ist nach wie vor das frühere: Zeitgenössischer Jazz aus dem deutschsprachigen Raum, gelegentlich mit internationalen Gastmusikern. Das unterscheidet unser Festival von den meisten anderen Jazzfestivals. Beim ersten Festival 1985 in der Aula des Schönborn-Gymnasiums waren ausschließlich hiesige Bands und Musiker auf der Bühne. Seit 1988 ist das Felix-Fechenbach-Haus Austragungsort und das Einzugsgebiet der mitwirkenden Bands erweiterte sich auf den gesamten deutsch- sprachigen Raum, mit der Möglichkeit, auch sogenannte „große Namen“ (inklusive internationale) zu präsentieren.
Wie würdest du die Atmosphäre des Jazzfestivals beschreiben?
Kurz gesagt: Ein angenehm-familiäres Ambiente, verbunden mit freundschaftlich-lockerem Umgang mit den oft prominenten Musikern, die sich bei uns sichtlich wohlfühlen, was anscheinend nicht überall der Fall sein soll.
Wie viele Mitglieder sind an der Planung beteiligt? Und was ist dein Anteil am Zustandekommen des Festivals, an der Organisation und Durchführung?
Der vierköpfige Vorstand und einige Mitglieder. Mein Anteil: Programmgestaltung, Verträge, Werbemaßnahmen, Fechenbach-Haus vorbereiten, Betreuung der Musiker, gelegentlich Moderation, Regie. Erwähnt werden müssen natürlich auch: Markus Westendorf (Plakat und Flyer), Joachim Fildhaut (Texte, Werbung), Carola Thieme (Webseite, Werbung, Fotografie), Christoph Mayer (Kasse, Finanzielles) und Winfried Karl und Team (Technik).
Welche Hürden galt es bei der Organisation unter Corona-Bedingungen zu überwinden und was ist dieses Jahr anders?
Das Festival 2020 musste abgesagt werden und wird nun eins zu eins mit demselben Programm und Ablauf wie für 2020 geplant, auf 2021 verlegt. Nach derzeitigem Stand wird es wohl unter G2- oder G3-Bedingungen stattfinden. Eine Verlegung in die Posthalle als Alternative war in Überlegung.
Ist bei der Organisation auch schon mal etwas so richtig schiefgegangen?
So richtig eigentlich nichts. Allerdings gab es sich ankündigende Katastrophen: bestellter Flügel kann nicht geliefert werden, angekündigte Band kommt nicht wegen Fehler der Agentur, Musiker eines Duos kommt nicht oder verspätet wegen Defekt des Zuges in Sachsen-Anhalt. Durch rasches und stressiges Handeln konnte das vermeintliche Problem aber immer in letzter Minute gemeistert werden.
Wie können sich Musiker, die am Jazzfestival auftreten wollen, bewerben? Und nach welchen Kriterien stellt ihr letztendlich das Programm zusammen?
Es gibt zwei Möglichkeiten: Wir suchen uns Passendes in den Medien oder wählen aus den zahlreichen Bewerbungen, die per E-Mail, Telefon oder Briefpost kommen, Passendes aus. Dann setzen wir uns zusammen, beraten und entscheiden nach Qualität, Originalität und Neuartigem.
Du bist selbst Amateur-Musiker. Wie hast Du deine Liebe zum Jazz entdeckt und was fasziniert Dich daran?
Mit 14 habe ich durch Radio-Hören (Mittwochs- Party, SDR) Jazz als „meine“ Musik entdeckt. Schlüsselerlebnis war „Boogie Woogie“ von Tommy Dorsey. Rational kann ich die Faszination nicht definieren, sie ist in erster Linie Gefühlssache. Faszinierend jedenfalls ist, dass Jazz größtenteils improvisierte und nicht nur reproduzierte Musik ist. Dazu kommt, und das sage ich am passendsten auf Englisch: Jazz is not just music, it ́s a way of life.
Gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Jazzini- tiative hattest du ab Ende der 1980er Jahre Deine eigene Sendung bei RadioW1.
1988 konnte ich beim Würzburger Radio W1 eine wöchentliche einstündige Live-Jazzsendereihe installieren, die ich (zusammen mit einigen Mitgliedern der Jazzinitiative) bis 1992 gestaltet und moderiert habe: „BLUE NOTES - Jazz ́n ́Blues“. Das waren Sendungen der Jazzinitiative. Eher privat ist mein Jazz-Webradio (https://laut. fm/yorkmaster_jazzmixx), das ich seit 2010 betreibe. Bezug zur Jazzinitiative besteht jedoch per Link auf der Website der Jazzinitiative.
Deine drei Platten für die einsame Insel?
Les McCann - Live at Montreux
The Crusaders - Rural Renewal
Us3 - Hand on the torch