© Christian Neubert
Würzburgs freie Theatermacher
Flatrates sind beliebt, oft auch umstritten. Je nachdem, ob sie von Mobilfunkanbietern und Filmplattformen oder Großraumdiskos und Bordellen angeboten werden. In Würzburg erhitzt aktuell eine Art Theater-Flatrate die Gemüter. Erdacht von Studierendenvertretungen und dem Mainfranken Theater soll sie Studierenden den kostenlosen Besuch von Stücken im Mainfranken Theater ermöglichen. Fünf Prozent seiner Plätze will das Dreispartenhaus dafür freihalten, abrufbar bis zu drei Tage vor der Vorstellung. Dafür sind von den Studierenden pauschal zwei Euro fällig, erhoben über die verpflichtende Semestergebühr.
Der Entwurf für die Theater-Flatrate wird nun vom Verwaltungsrat geprüft. Bei anderen ist er bereits durchgefallen. Bei den Betreibern von Würzburgs freien Bühnen. Dem Bockshorn, dem Chambinzky, dem Kasparhaus, dem Plastischen Theater Hobbit, dem tanzSpeicher, dem Theater am Neunerplatz, dem Theater Ensemble, dem Theater Spielberg und der Theaterwerkstatt. Kurzerhand riefen sie die Interessengemeinschaft Freie Theater Würzburg ins Leben, um gemeinsam gegen das Semesterticket vorzugehen. Sie fühlen sich übergangen, finden es empörend, in derlei Pläne nicht involviert gewesen zu sein. „Wir haben nachgefragt, warum wir nicht zumindest informiert wurden“, erklärt Chambinzky-Betreiber Rainer Binz. „Die Antwort lautete: Man hat uns vergessen.“ Was mindestens merkwürdig anmutet: Bockshorn-Chef Mathias Repiscus ist Träger des Würzburger Kulturpreises, tanzSpeicher-Choreograph Thomas K. Popp und Neunerplatz-Gründer Thomas Heinemann erhielten den Kulturförderpreis, die Hobbit- und Theaterwerkstattmacher die Kulturmedaille der Stadt, letztere erst im November. Die Stadt scheint seine freien Bühnen also sehr wohl auf dem Schirm zu haben.
Der Eindruck, übergangen worden zu sein, schwinge auch in dem Namen „Semesterticket Theater“ mit, der über den zu prüfenden Plänen steht. Eine Spitzfindigkeit? Nicht unbedingt. Der Theater-Begriff wird auf diese Weise durchaus einseitig an die städtische Spielstätte gebunden – so, als gäbe es keine anderen Bühnen. Obwohl Würzburg innerhalb Bayerns Großstädten doch gerade mit freien Theatern gesegnet sei, wie Binz weiter ausführt. Das Semesterticket würde Würzburgs Bühnendiversität stark gefährden. „Wir können uns nicht vorstellen, dass das Mainfranken Theater als Vielfaltkiller dastehen will“, sind sich die IG-Mitglieder einig. Denn genau das befürchten sie: In ihrer Existenz als Theaterschaffende bedroht zu ein. Weil Studenten eine wichtige Zielgruppe der Off-Theaterszene sind. „Und wer bezahlt schon freiwillig in einer privaten Spielstätte, wenn er im Mainfranken Theater kostenlose Vorstellungen besuchen kann“, fragt Thomas Lazarus von der Theaterwerkstatt.
Der Dachverband freier Würzburger Kulturträger teilt die Bedenken der IG. Er fordert die Verantwortlichen auf, nach einer fairen Lösung zu suchen, die alle Bühnen einbezieht. Weil damit eventuell gar der Startschuss für ein weitergefasstes Kultursemesterticket fallen könnte. Zu Gesprächen sei man seitens der IG sehr gerne bereit. Finden diese nicht statt, würden sie sich als einen Zusammenschluss des Protests begreifen. Wie das aussehen könnte? „Wir sind kreativ“, meint Karolin Benkert vom Theater Ensemble, „auch, wenn´s um Protest geht. Wenn es sein muss, stellen wir uns dafür vor´s Mainfranken Theater.“