Du bist Autor und Musiker. Heute spreche ich aufgrund eines Konzerttermins mit Dir, spreche also mit dem Rocker Sven Regener. Es gibt aber noch den Literaten Sven Regener. Inwiefern unterscheiden sich da Interviews? Begegnen Journalisten Autoren anders als Musikern?
Ja, das tun sie wirklich. Es scheint zumindest eine feste Regel zu geben: In der Musik wird geduzt, in der Literatur gesiezt.
Ich habe mich an einer griffigen Beschreibung Deiner Band versucht. Leider wurde ich nicht mit mir einig. Daher würde ich gerne würde Dir wissen, was Du von meinen Beschreibungen hältst.
Oh, ich bin gespannt…
Also: Element Of Crime sind die Chansoniers des deutschen Rock.
Das würde ich nicht sagen. Beim Chanson kommt so ein theatralisches Element dazu, das wir nicht haben.
Wie wär´s hiermit: Element Of Crime sind Melancholiker in Rockbesetzung.
Daran ist nichts falsch. Wobei: Melancholiker, das klingt schon so nach Alkoholiker. Ich glaube, Musik ist generell eine melancholische Kunst. Ich empfinde uns nicht als melancholischer als z.B. die Beatles oder die Stones. Aber natürlich bin ich als Musiker da sehr nah dran, weswegen ich das schlecht beurteilen kann.
Man bekommt so ein Attribut halt erst nachträglich von außen zugeschoben…
Ja, und das liegt daran, dass man die Songs spielt, die man eben hat und die einem am besten gefallen. Aber wenn ein Lied melancholisch ist oder sogar traurig, dann kann es trotzdem Spaß machen, das ist ja das tolle an Musik. Das liegt wohl daran, dass jeder Mensch eine Portion Melancholie in sich trägt.
Okay, dann noch mein letzter Versuch: Element Of Crime sind als Altherrenmannschaft die Hechte im Karpfenteich einer musikalischen Spielart, die Jugend zwar nicht fördert, aber umso mehr fordert.
Wow… okay, ich sag´s mal so: Das ist mir alles recht, weil es zunächst mal gut ist, dass man sich überhaupt mit uns beschäftigt. Als Rock´n ´Roller kann´s mir zum Glück eh wurscht sein, was die Leute denken, Hauptsache, sie haben Spaß. Nur an einer Stelle will ich einhaken, und zwar bei der Altherrenmannschaft. Nicht wegen den alten Herren, das passt schon. Aber als Band sind wir keine Mannschaft. Das geht von falschen Voraussetzungen aus, ich verstehe Musik nicht als Sport. Als Künstler stehe ich mit anderen Künstlern nicht in Konkurrenz. Ich halte ich es für falsch, Musik gegen andere zu machen. Das ist ein negativer Beweggrund, ein niederes Motiv. Von denen hält man sich als Künstler lieber fern.
Wenn man sich aber zeitgenössische Formate ansieht, bekommt man oft das Gefühl, es ginge um Wettbewerb, um ein sportliches Gegeneinander. Und die ganzen Kanäle, über die sich Musiker inszenieren, scheinen das auch zu fordern.
Schon, und im Grunde war das in Rock und Pop immer so. Der Wettbewerb entsteht durch die Kulturindustrie – und die fordert Promo. Im ungünstigsten Fall muss man die selbst betreiben. Man muss sich oder seine Band als Marke stärken. Viele kennen Element Of Crime nur, weil sich Leute von der Plattenfirma die Beine für uns ausreißen. Vor ein paar Jahren war es zum Beispiel noch nötig, sündhaft teure Musikvideos zu produzieren, damit man auf MTV und VIVA gelaufen ist. Die Maßnahmen ändern sich, aber das Prinzip dahinter bleibt gleich.
Gerade die sogenannten sozialen Medien nehmen einen als Künstler da sehr in die Pflicht, oder?
Ja, als junger Künstler ohne Plattenvertrag sieht man sich da sehr gefordert. Ich finde es aber unschön, wenn man das selbst machen muss. Man bedient dann innerhalb der Kulturindustrie sowohl Kultur als auch Industrie, ist quasi vor und hinter´m Tresen zugleich.
Ein schönes Bild. Man ist da ein bisschen wie der Herr Lehmann…
Ja, das passt sehr gut. Weil man sich seine Lage dann irgendwie schön trinken muss während man sich einredet, das alles selbst machen zu können. Aber eigentlich frisst es einen auf.
Vom Lehmann wieder zu Element Of Crime: Der Bandname ist einem Film von Lars von Trier entlehnt – und beschreibt eine kriminalistische Methode, sich in einen Mörder hineinzuversetzen. Ist das auch Deine Methode beim Songschreiben?
Ja, ich versetze mich in Leute oder auch Situationen. Musik ist eine gefühlstarke Kunst, da sind eben auch meine Gefühle und Empfindungen gefordert. Aber deswegen heißen wir nicht so. Wir haben den Namen nur, weil wir ihn cool finden. Er klingt halt ein bisschen gefährlich, und wir waren ja schon eine wilde Band. Aber ehrlich gesagt hatte von uns den Film damals keiner gesehen.
Bis heute nicht?
Doch, 1987 in einem Jugendzentrum in Bielefeld. Wir haben dort gespielt, und backstage stand ein Fernseher – und da lief Element Of Crime. Ganz gesehen habe ich ihn aber nicht – wir mussten ja auf die Bühne.
Wenn man sich Eure Discographie anschaut, dann scheint Film bei Euch eh eine große Rolle zu spielen: „Psycho“,„Liebe ist kälter als der Tod“, „Der weiße Hai“. Diverse Filmmusiken habt ihr auch geschaffen…
Film spielt definitiv eine Rolle. Dabei haben wir Musikvideos immer gehasst. Das liegt wohl daran, dass wir über unsere Songs versuchen, wie ein Film Bilder zu erzeugen – nur halt im Kopf der Hörer. Musikvideos nehmen den Leuten die eigenen Bilder weg. Wenn wir heute Videos machen, dann sieht man daher auch meistens nur uns, wie wir Musik machen – und nichts, was sich direkt auf den Song bezieht.
Entstehen die Texte für Eure Songs eigentlich in einem gemeinsamen Prozess oder kommst Du mit fertigen Texten in´s Studio?
Wir treffen uns, entwickeln gemeinsam die Musik, probieren aus, ob sie auch über den Proberaum hinaus haltbar ist. Und dann schreibe ich irgendwann einen Text zur Gesangsmelodie. Das ist ein recht starres Gerüst.
Insofern ist das Schreiben eines Songtextes für Dich ein ganz anderer Prozess als das Schreiben eines Romans. Da hast Du als Grundlage kein starres Gerüst sondern ein leeres Papier…
Das stimmt. Allerdings braucht man für einen Roman eine alles überwölbende Geschichte, die man als Idee schon haben muss. Und diese Idee kommt aus dem Nichts. Das ist eine rätselhafte Sache, man kann das nicht steuern – und bei Songtexten ist das genauso.