Du gibst zwei Konzerte mit dem Philharmonischen Orchester Würzburg. Das Ganze läuft als Electronic Classic. Verrate mir doch bitte zuallererst: Was genau macht ihr da, Du und das Orchester?
Das ist eine gute Frage – und zwar insofern, dass wir – das Orchester und ich – sie selbst noch am Beantworten sind. Das ist ein Prozess, der gerade läuft. Durch meine unterschiedlichen Projekte habe ich einen großen musikalischen Fundus. Aus dem habe ich Stücke herausgesucht, die wir für´s Orchester umarrangieren, darunter auch unveröffentlichte Tracks. Es ist ein großes Experiment für uns alle. Eines war mir aber von Anfang an wichtig: Ich will nicht einfach eine Konzerthalle in einen Club verwandeln, wie es ihm Rahmen solcher Crossover-Projekte schon oft passiert ist. Es soll nicht so ein „Fette Beats meets Orchester“-Ding werden. Wir wollen möglichst alles live umsetzen, uns auf den repetitiven Aspekt der Musik konzentrieren, Variation schaffen.
Das Repetitive, vielleicht Mantrahafte zeichnet ja sowohl klassische als auch elektronische Musik aus…
Ja, wir möchten das offenlegen und dabei das Meditative herausstellen. Interessant finde ich dabei, dass ich in einigen meiner Stücke z.B. auch Streichersounds verwendet habe. Wie das jetzt aber wird, wenn die tatsächlich von einem Orchester stammen… ich bin selbst sehr gespannt.
Was verschafft uns überhaupt das Vergnügen, dass Du mit dem Philharmonischen Orchester Würzburg fusionierst?
Das habe ich Julian Fischer zu verdanken, einem Würzburger Veranstalter (Anm.: U.a. für die Klangprojektor-Reihe oder die MS Zufriedenheit). Er hat mal ein Praktikum beim Mainfranken Theater absolviert, kennt daher den dortigen Generalmusikdirektor Enrico Calesso. Dieser ist ein Fan von musikalischen Experimenten, er hat ihn einfach gefragt – und sich dann mit der Idee an mich gewandt. Anfangs war ich zugegebenermaßen etwas skeptisch, weil die Arbeit mit einem Orchester ja eine große Herausforderung ist. Aber ich mag Herausforderungen.
Arbeitest Du dann auch an den Partituren mit, die ja für die Musiker entwickelt werden müssen?
Schon, aber nicht insofern, als dass ich Noten schreibe. Das ist nicht mein Ding. Ich habe im Vorfeld sehr viel vorbereitet, z.B. einzelne Stimmgruppen zugeordnet. Ansonsten ist dieser Prozess bei uns ein Teamwork, das über gemeinsame Absprachen funktioniert. Das bietet viel musikalischen Spielraum, was mir gut gefällt.
So ein Orchester ist ja in Sektionen aufgeteilt, in Rhythmussektion, Bläsersektion usw. Kann man Dich bei den Konzerten einer festen Sektion zuordnen?
Ich bin für jene Sounds zuständig, die sich nicht mit dem Orchester verwirklichen lassen. Und ich greife in die Musik ein, indem ich Loops erstelle und in das Live-Geschehen einbaue. Es geht dabei sowohl um die Rhythmik als auch um bestimmte Harmonien. Insofern lässt sich mein Part keiner bestimmten Sektion zuordnen – wobei der rhythmische Anteil sicher überwiegt.
Das naheliegende „Fette Beats meet Orchester“-Ding wollt ihr ja vermeiden. Würdest Du sagen, dass vordergründige Tanztauglichkeit der Vielfalt an elektronischer Musik zu Unrecht als übergeordnetes Merkmal untergeschoben wird? Dass sie als bloße Disko-Beschallung abgetan wird?
Da kommt es auf die jeweilige Perspektive an. Ich kenne viele Produzenten, die ihr Augenmerk auf andere Aspekte als auf die Tanzbarkeit legen, und Du hast sicher Recht, dass viele Leute das ausklammern – obwohl es totaler Quatsch ist. Damit möchte ich aber die Bedeutung des Tanzens nicht schmälern. Tanz ist etwas Archaisches, ich glaube, dass Musik in ihrem Ursprung auch für den Tanz geschaffen wurde. Für Rituale, zum Feiern und Zelebrieren.
Du hast als Musiker mit vielen verschiedenen Menschen zusammengearbeitet, z.B. mit Depeche Mode oder Björk. Gibt es eine künstlerische Begegnung, die Du herausragend fandst?
Das lässt sich schwer beantworten. Alleine schon, weil ich immer wieder auf´s neue von Kollaborationen mit anderen Leuten begeistert bin. Das macht einem Türen auf, die vorher verschlossen waren oder die man gar nicht kannte. Es öffnet neue Sichtweisen, man lernt ganz viel. Denn auch, wenn man´s nicht zugibt, bewegt man sich doch in mehr oder weniger festen Strukturen, aus denen man alleine nur schwer herauskommt. Man kann eben nicht aus seiner Haut.
Sieht man sich alteingesessene Bands an, dann läutet die Zusammenarbeit mit einem Symphonieorchester oft das Alterswerk ein, siehe Metallica und Co. Da muss man sich, was Dich betrifft, aber keine Sorgen machen, oder? Zumal Du ja bei The Notwist ausgestiegen bist…
Nein, an´s Aufhören denke ich definitiv nicht. Für mich sind neue Herausforderungen sehr wichtig. Ich betrachte sie als lebenserhaltend, ohne sie wird mir schnell langweilig. Das gilt für mich sowohl für´s Musizieren als auch für´s Auflegen.
Bist Du dann aufgrund mangelnder Herausforderungen bei The Notwist ausgestiegen?
In den letzten Jahren war es sehr anstrengend für mich, alle meine Projekte unter einen Hut zu kriegen. Ich musste irgendwo den Rotstift ansetzen – und das tat ich dann, nach fast 20 Jahren, bei The Notwist.
Weißt Du schon, was Du als nächstes verwirklichen möchtest?
Ja, ich bin dabei, ein neues Acid Pauli-Album fertig zu machen. Das ist zwar schon ziemlich fortgeschritten, wird aber wohl trotzdem noch etwas dauern. Und nächstes Jahr arbeite ich an dem Soundtrack für einen Film.