Als ich hörte, dass du in Rock machen möchtest, habe ich gedacht, du stellst etwas zwischen Beastie Boys und Judgement Night Soundtrack auf die Beine…
Ja, das haben wahrscheinlich einige gedacht. Ich habe aber wohl nur einen Song, der da rein passt: Fick.
Ich würde sagen, dein neues Album bringt Rock in ein Bigband-Gefüge und Funk in die Rock-Gitarre. Wie würdest du selbst deinen Rock-Ansatz beschreiben?
Ich glaube, ich weiß, was du meinst – und stimme dir da auch zu. Ich würde es nur anders beschreiben. Und zwar als Rock, zu dem auch Mädchen gerne tanzen wollen. Rock, der Groove und Funk hat.
Wenn man an deine erste Veröffentlichung mit den Absoluten Beginnern denkt, „K.E.I.N.E.“ vom „Kill The Nation with a Groove“-Sampler: In gewisser Weise steckte in diesem punkigen Hip Hop-Sound der Rock schon drin. Ist dein Album nach Reggae, Funk und Soul evtl. eine Rückbesinnung auf deine Anfangstage?
Ja, in gewisser Weise vielleicht. Bei den politischen Punk- und Hamburger Schule-Gedanken geht es ja um eine Haltung. Insofern könnte das schon eine Rückbesinnung sein, einfach so vom Kopf her. Aber musikalisch geht das in eine ganz andere Richtung. Auch, weil wir damals viel zu limitiert waren, um so etwas auf die Beine zu stellen. Aber auch schon früher als Hardcore-Hip Hopper habe ich mir alles Mögliche an Musik angehört – und ich glaube, ich hätte das Album damals genauso derbe gefunden wie heute.
Nun möchte ich dich gegen dich selbst ausspielen: Auf der Beginner LP „Bambule“ rappst Du „Dir zieh ich sogar Rock vor – denn so wie der stinkst du und deine Crew“. Wie kommt der Sinneswandel?
Das ist im Grunde kein Sinneswandel. Das haben Platten verursacht. Damals zu „Bambule“-Zeiten gab es ja auch schon die von dir genannten Sachen. Nur galt das damals nicht als Rock. Rock, das war der Feind. Das waren Bon Jovi und Brian Adams. So etwas finde ich immer noch schlimm. Es gab aber immer schon Rockbands, die ich geil fand. Anfang der Neunziger z.B. Guns´n ´Roses, Mitte der Neunziger Rage Against The Machine und eben die Beasties. Gerade Mitte der Nuller Jahre kamen viele geile Rockplatten raus. Zum Beispiel von Queens Of The Stones Age, Mando Diao oder Wolfmother. Diese Bands haben den Begriff reingewaschen. Seitdem habe ich Rock als Bezeichnung auch wieder gerne benutzt.
Du bist ja schon länger jemand, den man auf Stadionbühnen stellen kann. Was meinst du: Braucht man dafür Rock bzw. eine Band? Ist das MC/DJ-Ding eventuell nicht wirklich was für´s Stadion?
Das glaube ich nicht. Klar, mit einer richtig guten Band ist das leichter als nur mit ´nem DJ im Rücken. Mit Talent und genügend Ausstrahlung geht das aber auch in so einem Rahmen.
Welches MC/DJ-Gespann hat deiner Ansicht nach das Zeug für die Stadionbühne?
Da gibt es gerade in Deutschland einige – weil deutsche MCs und DJs durch eine ganz andere Schule gingen als die Amis. Sogar ein Eminem oder ein Jay Z würde das wahrscheinlich nicht besonders geil hinbekommen – die müssen immer so ´nen Vergnügungspark hinter sich aufbauen. Run DMC hätten es drauf. Und bei uns solche Leute wie Marteria, Max Herre oder eben ich. Leute also, die sich innerhalb des Hip Hop-Dings jahrelang durch die kleinen Bühnen gespielt haben.
Wenn klassische Stadiongrößen wie Motörhead oder AC/DC mal nicht mehr sind: Wie geht es weiter mit dem Stadionrock? Gibt es Bands, die in diese enormen Fußstapfen treten können?
Klar gibt es die. Die Foo Fighters zum Beispiel. Oder Muse. Die verkörpern vielleicht nicht unbedingt den gleichen Geist. Aber sie füllen definitiv ganze Stadien.
Ich möchte dich mal auf den Albumtitel ansprechen: „Hammer & Michel“. Der Michel im Titel, ist das diese Karikatur? Der sprichwörtliche deutsche Michel?
Nein, das ist der Hamburger Michel, das Wahrzeichen Hamburgs.
Ah, verstehe: Egal, ob Hip Hop, Rock oder was auch immer, Jan Delay ist und bleibt im Herzen Hamburger.
Genauso ist es.
Hip Hop als sample-basierte Musik ist ja in seinem Kern ziemlich aneignend. Nun gibst du dich konzeptionell als Rocker, davor waren Reggae und Funk deine Disziplinen. Ist dieses Motto-mäßige, das du betreibst, eventuell auch eine aneignende Sache?
Ja, das kann man gut vergleichen. Im Grunde läuft das genau so. Ich greife auf, was mir gefällt – und bastle daraus, mit den Mitteln und Möglichkeiten, die ich habe, einen geilen Sound.
Gestandene Rocker scheinen immer etwas zu sammeln: Lemmy Kilmister sammelt NS-Devotionalien, Slash sammelt Geld für seine neue Platte. Was sammelt Jan Delay?
Turnschuhe.
Ah, stimmt, du bist großer Air-Max-Fan und hast wahrscheinlich 120 Paar davon in deinem Schrank.
Sogar noch mehr.
Das passt sehr gut zu meiner nächsten Frage: Von dir stammt die Zeile „Ich rappe nie in´nem verdreckten Shirt.“ Mit Rock assoziiere ich aber schon irgendwie das Verschwitzte und Schmuddelige. Macht das dich vielleicht ein Stück weit zum Glam-Rocker?
Nein, da müsste ich mich ja schminken und Schuhe mit Absätzen tragen. Das würde ich nicht tun. Ich habe ja nicht mal die nötigen Haare.
Nachdem du mit Reggae, Funk und Soul herauskamst und nun auch noch mit Rock am Start bist: Was wirst du noch für uns erschließen?
Jetzt kommt auf jeden Fall erst noch eine Rap-Platte mit den Beginnern. Was danach kommt weiß ich noch nicht, da schaue ich dann einfach mal. Vielleicht setze ich auch irgendwo wieder an.
Aber deiner Band Disko No. 1 bleibst du treu?
Klar, auf jeden Fall. Wir sind Familie.
Zum Abschluss noch eines: Möchtest du nach wie vor nicht, dass - ich sag mal: jene Menschen - deine Lieder singen?
Naja, ich habe damals ja erklärt, welche Menschen ich meine. Ich muss aber auch zugeben, dass ich in den letzten 14 Jahren diesbezüglich etwas entspannter geworden bin. Das liegt aber auch daran, dass sich eben auch die Leute etwas geändert haben – sowohl die, die damals mit Zwölf bei unseren Konzerten in der ersten Reihe standen als auch jene, die heute mit Zwölf in der ersten Reihe stehen. Man merkt, dass es die Leute inzwischen gewohnt sind, auch mal gute deutschsprachige Songs im Radio zu hören. Von daher hast du heute nicht mehr diese Enttäuschung, die ich früher empfunden habe, als Menschen, mit denen ich echt nichts zu tun haben wollte, plötzlich meine Lieder gesungen haben. Mit denen gab es dann auch nach den Konzerten nichts zu reden. Das ist heute schon anders. Ich glaube, die Jugendlichen heute sind reflektierter als die damaligen subkulturfremden Blümchen-Hörer. Eine erfreuliche Entwicklung!