Wer deinen Namen hört, der denkt sofort an DSDS. Aber wie fängt die Tobias Regner-Geschichte eigentlich an? Wo kommst du ursprünglich her?
Ich komme aus Laufen, einem kleinen Dorf an der österreichischen Grenze, nahe Salzburg.
Ich habe irgendwo aufgeschnappt, dass dein Bruder in Salzburg Musik studiert. Hast du eine ähnliche musikalische Ausbildung hinter dir?
Ich bin gerade dabei, so etwas zu machen. Im Winter habe ich Prüfung. Das ist aber kein Studium, sondern ein „berufsbegleitender“ Lehrgang – eine Ausbildung zum Gitarrenlehrer. Ich wollte endlich mal nach Noten spielen lernen, das kann ich nämlich nicht. Ich habe mich immer ohne Noten durchgemogelt und rein nach Gehör gespielt. Ab einem gewissen Level muss man das aber drauf haben, sonst gibt es keine Entwicklung mehr.
Klavier spielst du auch, oder?
Ja, das habe ich als Grundschulkind gelernt.
Da musstest du doch sicher auch nach Noten spielen.
Schon, aber das habe ich boykottiert. Ich habe der Lehrerin auf die Finger geschaut, um zu wissen, wie´s geht. Mein Spiel hat immer eher über Griffbilder funktioniert als über Noten – sowohl beim Klavier als auch bei der Gitarre. Ich war immer zu langsam, um die Zeichen auf den Notenblättern beim Spielen unmittelbar umzusetzen. So bin ich wahrscheinlich: ich bin für alles zu langsam (lacht).
Natürlich komme ich nicht umhin, dich nach deiner DSDS-Zeit zu fragen. Damals warst du ja bereits in Bandprojekte involviert. Erzähl mal: warum bist du zu DSDS gegangen?
Ich wollte es ausprobieren. Damals war ich in einer dieser typischen Bierzelt-Cover-Bands, bei der man in stundenlangen Sets berühmte Bands und Sänger covert und imitiert. In dieser Zeit habe ich meine Stimme lange genug erprobt – und wollte sie mal mit anderen Sängern im direkten Vergleich messen. Natürlich habe ich gewusst, dass DSDS ein reines Pop-Format ist. Entsprechend habe ich nicht viel erwartet, weil mir klar war, dass ich da eigentlich nicht reinpasse. Aber dann hat´s funktioniert.
Der Erfolg hat dir Recht gegeben.
Ja, weil du Ehrgeiz entwickelst, sobald du merkst, dass deine Sachen ankommen. Ich habe viel geübt, damit ich im Fernsehen gut rüberkomme. Es ist ja nur ein Song pro Show – für den Sänger einer Coverband ist das fast schon ein Witz. Was die Sache anstrengend macht ist eher die Nervosität, weil man eine vergleichbare Aufmerksamkeit einfach nicht kennt. Das hat schon gezehrt, aber das ist jetzt ja schon sieben Jahre her.
Wie kann man sich das eigentlich vorstellen bei DSDS – steht einem der Bohlen eigentlich auch als Mentor zur Verfügung?
Ich glaube, dass er mir schon mit Rat und Tat zur Seite gestanden hätte, wenn ich das gewollt hätte. Aber ich habe keinen Wert darauf gelegt, mit ihm Kontakt aufzubauen. Mein Kontakt hat sich im Grunde darauf beschränkt, ihm vor jeder Show die Hand zu schütteln. Dabei ist er privat bestimmt ein netter Mensch. Den Unsympathen gibt er vermutlich nur vor der Kamera, um die Quoten oben zu halten. So funktioniert nun mal die Show.
Aber nach deinem Sieg hat er ein Album für dich produziert.
Nein, das war gar nicht so, wie man das immer glaubt. Seit meiner Gewinner-Staffel hat man als Sieger die Wahl, ob man mit Dieter Bohlen produzieren möchte oder nicht. Man darf sich aber seinen Produzenten auch nicht aussuchen. Du hast einfach die Wahl: Bohlen oder nicht Bohlen.
Man weiß also nicht, wer stattdessen für den Sound verantwortlich sein wird.
So ist es. Es wurde aber eine gute Wahl getroffen. Für die Produktion war das Berliner Team Valicon verantwortlich, die z.B. die Platten von Silbermond produzieren.
Wie lange ist man daraufhin eigentlich verpflichtet, auf diese Weise weiter zu arbeiten?
Solange RTL Verwendung für dich hat. Ich weiß es gar nicht genau, aber ich glaube nicht, dass sich das auf einen festen Zeitraum oder eine gewisse Anzahl von Alben bezieht. In meinem Fall war RTL nach der zweiten Single schon raus. Die haben gemerkt, dass die Richtung, die ich einschlagen will, nicht für deren Publikum geeignet ist. Das hat sich ja schon bei „She Is So“, der zweiten Single, bemerkbar gemacht, bei der ich mich Richtung Nickelback bewegt habe. Das sollte ein Statement sein, ich wollte mich nicht auf das Schmuserocker-Image festnageln lassen. Die Leute von Sony fanden das auch gut und hatten bereits entsprechende Pläne. Nur sind die leider nicht aufgegangen. Daraufhin kam der Vorschlag „Schreib doch mal auf deutsch“. Ich sollte ein komplettes Album schreiben und mir eine Band zusammenstellen. Das Ergebnis sollte ich dann zu einem gewissen Termin vorlegen.
Du hattest also lediglich einen Termin und ansonsten vollkommene Freiheit?
Genau. Ich war natürlich Feuer und Flamme. Ich habe mich gleich ans Schreiben gemacht und mich um eine Band gekümmert. Als ich das Ergebnis dann vorgelegt habe, war man bei Sony auch begeistert. Die wollten aber noch eine Weile mit dem Release warten, um zu schauen, ob die Songs auf den bis dahin geplanten Konzerten funktionieren. Leider kamen die aber gar nicht an. Das war den Leuten zu hart, ich habe damals schon manchmal die Plätze leergespielt. Daraufhin ist die Band auseinandergefallen und der Plattendeal wurde nicht verlängert.
Und du standst wieder allein da.
Ja, ich habe mich dann auf allen möglichen Partys herumgetrieben und den Leuten in Köln und Umgebung meine Visitenkarte in die Hand gedrückt. Es kamen dann schon auch Angebote rein, so in etwa: „Wir machen den Peter Maffay-Nachfolger aus dir!“ Das waren aber Pläne mit fertigem Konzept. Darauf hatte ich keinen Bock. Etwas später habe ich meinen jetzigen Manager getroffen. Das war der einzige, der keinen großen, fertigen Plan mit mir hatte. Der fand einfach meine Stimme geil und war überzeugt davon, dass das was werden kann, egal, wie lange es dauert. Und jetzt, nach sieben Jahren, ist er immer noch davon überzeugt.
Ihr kümmert euch sozusagen gemeinsam um deine Musik, um sie als fertiges Produkt den Plattenfirmen anbieten zu können.
Wir haben 2010 mein erstes eigenes Album selbst herausgebracht, auf unserem eigenen Label, das wir dafür angemeldet haben. Das war ein richtiges Rockalbum. Der rote Faden war vielleicht noch nicht so erkennbar wie bei der aktuellen Scheibe. Die vertreiben wir auch selbst, da hat jeder seine Bereiche. Wir sind ein Team aus Überzeugungstätern, vom Booker bis zum Vertrieb. Ich bin natürlich für die Musik verantwortlich. Um das Artwork kümmere ich mich aber auch. Mit den entsprechenden Programmen kann ich umgehen.
Stammen die Songs dann zu hundert Prozent von dir?
Einen Songwriter beschäftigen wir auch, nämlich Tobias Röger. Früher war er Frontmann bei der Punkband The Wohlstandskinder.
Wie kommen die Songs bei euch zustande?
Das ist ein Prozess. Ich habe etliche Songs auf Lager, an denen ich lange herumgeschraubt, aber nie fertig bekommen habe. Für so was hat Tobias ein Händchen. Er schmeißt alle unnötigen Töne raus und sorgt für den nötigen Ohrwurm-Charakter. Die Texte kommen dann von uns beiden. Ich lege mich dabei wie beim Psychologen auf die Couch und erzähle, was mich berührt und beschäftigt. Er fasst das dann in die richtigen Worte. Das ist sein Talent: er kann mit wenigen Worten und Tönen ein Maximum an Emotionen und Stimmungen erzeugen.
Die Lieder, die am meisten bewegen, sind ja oft die, deren Geschichten man selbst erlebt hat. Ist das bei deinen Songs auch so?
Auf jeden Fall. Ich habe nur zwei Songs auf dem Album, die erfunden sind. Um gute Lieder zu schreiben brauchst du wohl ein bewegtes Leben. Und du musst die Gabe mitbringen, das Erlebte in Worte zu fassen.
Und im Studio bringt ihr das dann gemeinsam mit der Band in die fertige Form.
Genau. Die Instrumente, die ich spiele, sind dann schon vorproduziert. Dazu kommen dann noch Schlagzeug und Bass. Dabei ist es natürlich schön, eine feste Band zu haben. Das ist schon etwas anderes, als immer mit verschiedenen Studiomusikern zu arbeiten. Noch dazu, wenn Kumpels von dir Bass und Leadgitarre spielen und dein eigener Bruder am Schlagzeug sitzt. Wir spielen übrigens schon seit zehn Jahren gemeinsam in einer Metallica-Cover-Band. Jetzt sind sie auch in der Regner-Band.
Vielleicht braucht man eine Band, mit der man auch über die Musik hinaus vieles teilen kann, um den Songs so etwas wie Seele zu verleihen.
Ja, das stimmt wahrscheinlich. Im Studio kann man den Songs auch mit Mietmusikern Seele verleihen. Aber live geht das wohl nur als Band, weil dann alle am gleichen Strang ziehen.
Stellst du dich eigentlich in eine bestimmte musikalische Tradition? Was sind deine Vorbilder? Und wohin willst du dich soundmäßig bewegen?
Oha, das ist schwierig. Richtig stark finde ich z.B. die schottische Band Biffy Clyro. Auf die bin ich zufällig gestoßen, als ich online nach Billy Talent Live-Videos gesucht habe. Vielleicht kann man sie mit der Band Bush vergleichen. Simon Neil, der Sänger von Biffy Clyro, spielt gleichzeitig auch Gitarre, und zwar ausschließlich Stratocaster. Ich habe den mit Stratocaster gespielten Single Coil-Sound immer ein bisschen belächelt, weil das ziemlich dünn klingt. Aber wenn einer richtig groovt und ordentlich auf den Punkt spielt, dann kommt das schon fett rüber. Das schiebt unfassbar. Wie zum Beispiel auch bei... wie heißt der Gitarrist von Rage Against The Machine?
Tom Morello.
Ja, der spielt soweit ich weiß ebenfalls nur Stratocaster. Der Gitarrist von Billy Talent auch. Diesen kaum verzerrten Single Coil-Sound eben. Das imponiert mir, das wäre eine Richtung, in die ich mich gerne bewegen würde. Ich habe mir aber vorgenommen, mich nicht nur auf eine Sache zu konzentrieren. Bis 2010 habe ich mich nur auf das Regner-Projekt konzentriert, und das hat mich verrückt gemacht. Ich wollte zurück ins Radio und in die Charts, aber irgendwann hatte ich keinen Spaß mehr an der Sache. Ich habe daraufhin wieder auf Hochzeiten gespielt und Konzerte mit meiner Metallica-Cover-Band gegeben. So ist es auch heute noch. Ich fahre gerne mehrgleisig. Was mir jetzt noch vorschwärmt ist eine Band mit klassischer Rockbesetzung, bei der nicht mein Name im Vordergrund steht. Naja, mal gucken, was kommt.
Wäre das klassische Singer/Songwriter-Ding auch eine Option für dich?
Ja, schon. Vor ein paar Tagen erst habe ich mich in Köln auf die Straße gestellt und meine Lieder gespielt. Ich denke aber, dass meine Songs besser funktionieren, wenn sie als Band performed werden. Zumindest ein Cajón halte ich für sinnvoll, um den Songs den nötigen Drive zu verleihen.
Da bist du dann doch eher Rocker.
Genau. Da muss ein gewisser Schlag drin sein. Rocken muss es. Und grooven. Ich mag es, wenn in einem Song viele Akzente gesetzt werden. Aber so eine Straßen-Tour mit eigenen und gecoverten Songs kann ich mir schon gut vorstellen.
Wenn du auf der Straße spielst, erkennen dich dann die Leute?
Schwer zu sagen. Vermutlich eher nein. Aber neulich in Köln kam ein Typ vorbei, der gerufen hat: „Spiel doch mal „Schrottplatz“. Das ist ein Song von mir. Ich habe ihn gefragt, woher er denn diesen Song kennt. Er meinte, er sei ein Fan von mir, seit der ersten Stunde. Das konnte ich erst gar nicht glauben: ein Fan von mir, den ich nicht persönlich kenne (lacht)! Das war schon geil.