© Christian Neubert
Stefan, als Körpersprecher kannst Du mir bestimmt helfen: Ich habe demnächst ein Rendezvous. Kannst Du mir Tipps bezüglich meiner Körperhaltung geben?
Klar! Die erste Regel für die Herren der Schöpfung ist: Zeig volle Aufmerksamkeit. Dazu gibt´s die NN-Regel, die Nase-Nabel-Regel. Wenn jemand sich wirklich für einen interessiert, schaut er einen aus dem Augenwinkel an. Wenn´s spannend wird, bewegt er seine Nase rüber, und wenn´s wirklich spannend wird, siehst Du Nase und Nabel. Darüber hinaus gilt: Lächle viel. Wir Männer lächeln nachweislich deutlich weniger als Frauen. Beim Flirten ist Lächeln aber wichtig, weil es signalisiert, dass keine Gefahr von einem ausgeht.
Gibt es nicht auch Frauen, die auf die vermeintlich gefährlichen Kerle stehen?
Absolut, die gibt es. Wenn so ein Kerl aber mit einer Frau spricht und Erfolg bei ihr haben will, dann muss auch er lächeln und sich um eine Haltung bemühen, die nicht nach Gefahr schreit.
Also das „Raue Schale, weicher Kern“-Prinzip…
Genau, und zwar vollkommen zurecht. Immerhin sind wir Menschen ja nach wie vor mit einem Bein im Urwald. Es geht z.B. immer noch darum, den Nachwuchs zu beschützen. Frauen bevorzugen im Schnitt auch heute noch einen Männertyp, der in irgendeiner Form Stärke ausstrahlt. Wenn ein kleiner, schmächtiger Mann eine kräftige Stimme hat, kann auch der als stark empfunden werden. Die Statistik spricht allerdings gegen kleine Männer. Das sage ich Dir aus persönlicher Erfahrung… (Anm.: Stefan Verra ist tatsächlich sehr klein)
Okay, es geht also um Aufmerksamkeit, um´s Interesse zeigen. Was aber ist, wenn ich gar kein wirkliches Interesse an der Frau habe, sondern sie einfach nur in´s Bett bekommen will. Wie mache ich das?
Das funktioniert nur unter einer Voraussetzung: Wenn die Frau nicht zu stark auf Deinen Körper achtet, weil es hier ja um´s Überspielen geht. Und Körpersprache kann man nur kurzfristig überspielen. Auch Schauspielern gelingt das nur für ein paar Sekunden. Für Deine Frage heißt das: Man bekommt die Frau entsprechend nur in´s Bett, wenn sie nicht aufmerksam genug ist und Deine körpersprachlichen Signale übersieht. Naja, oder vielleicht bewusst ignoriert…
Jetzt sprechen wir schon eine Weile auf eine etwas überholte Weise über Mann und Frau. Kann man trotzdem sagen, dass der weibliche Blick auf Körpersprache intensiver ist? Dass Frauen prinzipiell besser darin sind, körpersprachliche Signale zu lesen?
Die Statistik sagt ja. Frauen haben tatsächlich einen besseren Blick für Körpersprache. Jetzt hast Du aber noch etwas Wichtiges gesagt – und zwar, dass wir auf etwas althergebrachte Art über die Geschlechter sprechen. Natürlich ist das streitbar und oft auch unangebracht. Beim Flirten allerdings hat die Emanzipation Pause. Auch die emanzipierteste Frau senkt beim Flirten den Kopf und blickt den von ihr begehrten Menschen seitlich von unten an. Wenn Frauen leicht schräg von unten zum Mann aufschauen, werden sie tendenziell attraktiver aufgefasst. Männer hingegen sollten ihren Blick geradeaus richten. Das macht sich aktuell übrigens stark in den sozialen Medien bemerkbar.
Stimmt, der klassische Schulmädchen-Selfie ist von schräg unten aufgenommen.
Ganz genau, denn das spricht auch in Zeiten der Emanzipation den Beschützerinstinkt an. Ich behaupte damit nicht, dass das für alle Frauen gilt, aber die Statistik bestätigt diese Tendenz – und zwar weltweit.
Die Mimik ist ja auch untrennbar an die Körpersprache gebunden. In dem Film “True Romance“ heißt es, dass das menschliche Gesicht bestimmte Merkmale aufweist, anhand derer man Lügen entlarven kann. Stimmt das?
Die wissenschaftlich nachgewiesene Quote beim Erkennen von Lügen liegt bei 54 Prozent. Das heißt natürlich, dass das, was jetzt bei „True Romance“ oder auch Serien wie „Lie To Me“ erzählt wird, Quatsch ist, weil es im Grunde annähernd auf eine 50/50-Chance hinausläuft. Solche Sachen entspringen eher einem verbreiteten Wunschgedanken. Man kann das simpel erklären: Als Beobachter ist es unmöglich zu sagen, ob eine mimische Reaktion sich unmittelbar auf eine Lüge bezieht oder ob der vermeintliche Lügner einfach daran dachte, ob er vergessen hat, das Bügeleisen auszuschalten.
Wann hast Du eigentlich festgestellt, dass Du gut darin bist, Körper zu lesen?
Das habe ich bereits als Kind gemerkt. Ich komme aus einer Künstlerfamilie, und ich glaube, dass Kunst mir diese Gabe vermittelt hat. Wenn mein Vater z.B. einen Akt aus einem Stück Holz gehauen hat, stand irgendwann die Frage im Raum, wie die Haltung der Figur auszusehen hat. Einfach, weil mit der Haltung viel ausgedrückt wird. Ich denke, da kommt viel von meiner Aufmerksamkeit für Körper her. Außerdem war ich als Kind schon recht skeptisch – und zwar insofern, dass ich damals schon ein Gespür dafür hatte, wenn das wörtlich Gesagte und das körperlich Ausgedrückte nicht zueinanderpassten. Ich habe dann auch recht früh begonnen, mich diesbezüglich mit dem Gehirn als das Steuerorgan des Menschen zu beschäftigen, war viel auf Ärztekongressen, habe mich viel mit Neurologie befasst. Diesen Ansatz verfolge ich übrigens auch in meinen Shows: Ich psychologisiere nicht, ich zeige auf, wie´s ist.
Jetzt will ich Dir zwischendurch etwas gestehen: Ich habe schon diverse Interviews geführt, das ist kein Neuland für mich, und natürlich achtet man dabei sowohl auf seine Worte als auch darauf, wie man generell wirkt. Jetzt sitze ich aber Dir als einem „Körpersprecher“ gegenüber und habe das Gefühl, ich muss verstärkt auf meine Haltung aufpassen. Wie kriege ich das weg?
Dazu musst Du nur eines wissen: Die Angst im Vorfeld ist größer als die Situation, in der man sich schließlich befindet. Mir geht das ja genauso: Wenn ich Auftritte habe oder jemand meinen Beruf kennt, dann schauen alle ganz genau hin. Aber sobald wir reden ist unser bewusster Verstand auf eine bestimmte Weise aktiv, was zur Folge hat, dass unser Bewusstsein für die eigene Körpersprache hintenansteht. Man bekommt sie währenddessen nicht wirklich mit. Erst rückblickend ist uns das möglich. Das geht uns allen so. Und zwar aus dem Grund, dass die Körpersprache in ihrer Reaktion schneller ist als das Bewusstsein über unser Handeln.
Gibt es etwas, das sich nur mit Körpersprache ausdrücken lässt, und nicht mit Worten?
Ich fang mal andersrum an: Wenn Dein Chef zu Dir sagt: Wir verzeichnen ein Wachstum von 4,7 Prozent, dann lässt sich das nicht mit dem Körper vermitteln. Körpersprache sagt nichts über solche Fakten. Ob Dein Chef aber zufrieden mit diesem Ergebnis ist, kannst Du wiederum nur an seinem Körper ablesen. Körpersprache drückt keine Zahlen und so was aus, aber die Art und Weise, wie etwas gemeint ist, wie wir Sachen zu verstehen haben. Sie gibt uns insofern Informationen über Informationen.
Verhält sich Kleidung insofern ein Stück weit wie Körpersprache? Kleidung kann ja z.B. die Zugehörigkeit zu einer subkulturellen Gruppe, eine Haltung oder Vorliebe ausdrücken, und es gibt ja auch die Redensart „Kleider machen Leute“…
Ja, ein sehr guter Punkt. Kleider unterstreichen die Körpersprache, sie können sie aber auch verbergen.
Die Frau in der Burka zum Beispiel.
Ja, da schaltet sich direkt unser Stammhirn ein, weil man diese Person nicht einschätzen kann. Es wirkt befremdlich, was eher in Ablehnung resultiert.
Hat es nicht auch etwas Mysteriöses? Eine Bauchtänzerin z.B. ist ja auch verschleiert, um die erotische Komponente zu unterstreichen.
Absolut. Auch Hollywoodstars machen das, indem sie Sonnenbrillen tragen. Das wirkt sich stark auf die Aura einer Person aus. Wenn man allerdings gar nichts mehr erkennt, ist das verunsichernd. Drei Körperpartien sollten sichtbar sein, um Sicherheit zu vermitteln: Augen, Mund und Hände. Unsere Großhirnrinde bezieht die meisten Informationen über diese Körperteile.
Ist Körpersprache eigentlich universell? Man kennt ja diese Beispiele, dass manche Völker z.B. das Nicken mit dem Kopf als „nein“ auffassen…
Ja, ist sie. Das mit dem Nicken ist ein Missverständnis, das auf der falschen Annahme fußt, dass man z.B. in Bulgarien als Zeichen der Ablehnung nicken würde. Das stimmt aber nicht. Das ist kein Nicken. Stattdessen wird dort der Kopf nach hinten geworfen – und das wiederrum kommt noch vom Kind, das gestillt wird: Hat es genug getrunken, wirft es seinen Kopf nach hinten, es bewegt sich weg von der Brust. Das ist als Geste unmissverständlich. Die Behauptung, es handele sich um ein Nicken, ist eine verkürzte und somit unzutreffende Darstellung. Nein, Körpersprache ist wirklich universell, es ist die einzige Sprache, die allgemeingültig ist. Eventuell ist Musik noch etwas, das wirklich universell begriffen werden kann.
Gut, jetzt gehe ich mal ins Detail: Was möchte uns Angela Merkel mit ihrer typischen merkelesken Handhaltung sagen?
Danke, dass Du das fragst! Gerade dazu wird ja viel Quatsch erzählt. Da ist von einem Machtdreieck und sowas die Rede, aber das ist alles Blödsinn. Der Michael Mittermeier hat dazu was Gutes gesagt: Er meinte, andere Parteien müssen sich mit ihren Programmen beschäftigen, die Merkel zeigt uns nur ihr Geschlechtsteil.
Ha, stimmt! Es gibt wohl kaum was Besseres, um vom Inhalt abzulenken…
Im Grunde ist es ganz einfach: Mit ihrer Handhaltung bringt sie ihre Hände in eine höhere Position – und das verleiht ihrer Statur eine aufrechtere Haltung und insofern mehr Dynamik. Abgesehen davon berühren sich ihre Fingerspitzen auf eine sehr sanfte Weise. Das lässt auf einen niedrigen Cortisolspiegel schließen – und der wiederum auf wenig Stress. Die Geste strahlt entsprechend Sicherheit und Stabilität aus. Alles in allem ist das sehr durchdacht. Man könnte nur monieren, dass Frau Merkel sie etwas zu einförmig einsetzt. Da ist kaum Bewegung drin, auf Dauer kommt einem das komisch vor. Aber davon abgesehen weiß sie sehr wohl, ihren Körper einzusetzen. Sie ist keine Rampensau wie z.B. Barack Obama. Aber das hat sie erkannt und anerkannt – und das ist schon mal die Hauptsache. Man wird schnell durchschaut, wenn man versucht, körperlich etwas auszudrücken, was man nicht ist.
Eins noch zum Schluss: Wie gelingt es Dir, all Dein Körpersprachewissen, das ja doch auf viel Wissenschaft und entsprechendem Fachchinesisch beruht, im Rahmen Deiner Shows den Gästen schmackhaft zu machen?
Das schaffe ich über Humor. Meine Gäste lernen nicht nur was, sie halten sich auch regelmäßig die Bäuche vor Lachen. Klar hat das viel mit meinem Äußeren zu tun: Ich bin ja sehr klein, nehme mich selbst oft auf die Schippe. Aber ich bringe den Leuten mit einem Augenzwinkern bei, auf ihre eigene Körpersprache zu achten. Dabei mache ich klar, dass es nie um Perfektion geht, denn die gibt´s nicht. Naja, vielleicht befindet sich „Hey, dein Körper spricht!“, mein neues Buch, das im März erscheint, ja auf dem Weg zur Perfektion… (lacht)