© Daniel Peter
Demo Pag
Um den Ansprüchen des Bundesverfassungsgerichts und der europäischen Datenschutzrichtlinien gerecht zu werden, plant die bayerische Staatsregierung ein neues Polizeiaufgabengesetz. Als publik wurde, was es im Detail beinhalten soll, zündete die Nachricht granaten gleich. Schnell war da von einem Überwachungssaat die Rede, von empörenden Eingriffen in die Grundrechte und drohenden Gefahren durch polizeiliche Eingriffs- und Kontrollbefugnisse, wie sie keine deutsche Behörde seit 1945 mehr innehatte – gerade aufgrund des Stichworts der „drohenden Gefahr“, das als Rechtfertigung für Präventivmaßnahmen tatsächlich nach Willkür klingt. Viele sehen darin einen Angriff auf Freiheits- und Bürgerrechte. Allein dem Bündnis noPAG gehören mehr als 40 Parteien, Organisationen und Verbände an. Bayernweit lud es zu Demonstration gegen die Gesetzesnovellierung. In Würzburg nahmen rund 4.000 Menschen teil.
Intelligente Kameras scannen Gesichter und vergleichen sie mit den in Datenbanken gespeicherten Fotos. Drohnen filmen Menschen und stören Mobilfunkverbindungen. Handys werden überwacht, E-Mails gelesen, Briefe sichergestellt. DNA-Material wird ausgewertet. Und Menschenwerden weggesperrt. Wegen des unbestimmten Gefühls drohender Gefahr.
Dystopische Szenarien wie diese geistern seit einigen Wochen durch die Medien, als Folge des neuen Polizeiaufgabengesetzes. Sind sie realistisch? Der Landespolizeipräsident meint: Nein. Den Begriff der drohenden Gefahr habe es aufgrund neuer Vorgaben im Bundesverfassungsgericht gebraucht. Er münde nicht in der Vorverlagerung polizeilicher Befugnisse. Und Maßnahmen wie automatische Gesichtserkennung oder DNA-Analysen seien den neuen technischen Errungenschaften geschuldet. Alleine schon, um dem Organisierten Verbrechen und Terroristen nicht hinterherzuhinken.
Dennoch wird von vielen Seiten vor der Gesetzesnovellierung gewarnt. Der bayerische Datenschutzbeauftragte z.B. erkennt in der präventiv erweiterten DNA-Analyse einen rechtsstaatlichen Tabubruch. Und Rechtsexperte Hartmut Wächtler mahnt, dass etwaige vorbeugende Maßnahmen die Eingriffsschwelle der Polizei herabsetzen könnte. SPD, Linke und Grüne haben derweil Verfassungsklagen angekündigt.
Man müsse das PAG zudem im Kontext zum neuen bayerischen Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzsehen, erklärt Journalist und Autor Heribert Prandl. Er betrachtet beide Novellierungen als Teile eines staatlichen Präventionsapparats, der für diffuse Sicherheitsansprüche geltendes Recht hinter sich lässt, indem geheimdienstliche Methoden, die sich rechtsstaatlich kaum prüfen lassen, zum Standard werden. Aktuell werden in Bayernmehr Menschen gegen ihren Willen in eine psychiatrische Einrichtung eingewiesen als in jedem anderen Bundesland. Deren Daten sollen nun fünf Jahre lang zentral gespeichert werden. Zudem soll man sie ohne weiteres in der Klinikfesthalten, ihr Telefon abhören und einer Videoüberwachung unterziehen können. Als Begründung dafür soll jeweils die Vermutung einer potenziellenGefährdung ausreichen.
Psychisch Kranken scheint das Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz in dieser Hinsicht keine Hilfe zu bieten. Das neue Polizeiaufgabengesetz, das ja zuallererst vor Schwerverbrechen schützen soll, betrachtet Prandl ähnlich widerspenstig. Es stigmatisiere jene, die von der Norm abweichen – und stellt sich so in die Ecke autokratischer Systeme. Was das für Bayern bedeuten kann? Im Lande von dahoam is dahoam und mia san mia? Schau mer mal.