Arzt Engel Stock
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat sich jüngst die bundes- und landesgesetzlichen Verfahren zur Vergabe von Studienplätzen angesehen – und Verfassungswidrigkeit festgestellt. Die zu hohe Gewichtung der Ortswahl der Bewerber im Auswahlverfahren und die strammen Eignungskriterien im Auswahlverfahren ließen sich nicht mit dem Grundgesetz vereinbaren. Zudem sollten die Hochschulen die vorwiegende Vergabe der Plätze anhand der Abiturnoten vernachlässigen – auch, weil sich Abiturnoten bundesweit kaum über einen Kamm scheren ließen. Bislang sollten angehende Humanmediziner schon eine glatte 1 mitbringen, wenn sie nicht einige Wartesemester einplanen wollen. Aktuell können da schon mal 15 verstreichen.
„Es ist egal, was Du tust, Hauptsache ist, es macht Dich glücklich“, sang einst Chefarzt Farin Urlaub. Ganz so einfach ist es allerdings nicht. Zum Beispiel, wenn man Arzt werden will. Weil 20 Prozent der Studienplätze von der Stiftung Hochschulzulassung an die Bewerber mit den besten Noten vergeben werden, und weitere 20 Prozent an Bewerber mit der längsten Wartezeit. Die übrigen 60 Prozent werden über die universitären Auswahlverfahren besetzt. In Bayern ist schon heute eine Vergabe möglich, die eigene Kriterien unabhängig des Notendurchschnitts zulässt. Die Unis regeln das selbst, im Rahmen ihrer Hochschulautonomie – und setzen neben dem gefürchteten Numerus Clausus auf weitere Auswahlkriterien. Auf fachspezifische Studierfähigkeitstests oder Auswahlgespräche. Auch das wurde in Karlsruhe beanstandet: Der Kriterienkatalog müsse konkret sein.
Die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e.V. begrüßte „dieses Urteil ganz ausdrücklich“. Es wurden viele Punkte aufgenommen, die sie seit langem forderte. Auch im Bundestag stieß es direkt auf breite Zustimmung. Fraktionsübergreifend wurde getwittert, was das Zeug hält. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Ärztekammer, betonte ebenfalls, dass die kommende Reform lange überfällig sei: „Bund und Länder sollten das Urteil zum Anlass nehmen, die Studienzulassung gerechter zu gestalten und besser auf die Erfordernisse einer Gesellschaft im Wandel auszurichten.“
Das passt zum Masterplan Medizinstudium 2020, auf den sich Bund und Länder schon im März 2017 einigten. Demnach sollen Mediziner schon zu Studienzeiten näher an ihre Patienten herangeführt werden. Zudem sieht er länderübergreifend eine Quote von bis zu zehn Prozent der Studienplätze für Bewerber vor, die sich für eine Karriere als Landarzt verpflichten. Auf diese Weise will man die hausärztliche Unterversorgung in den strukturschwachen ländlichen Regionen der BRD in den Griff bekommen. Denn die gibt es. Zuhauf. Entgegen gewisser Vorurteile übrigens nicht nur in den neuen Bundesländern.
Zunächst aber gilt das, was Kassenpatienten von den vollbesetzten Wartezimmern kennen: Aussitzen. Denn bis den geforderten Gesetzesänderungen nachgegeben wird, dauert es noch bis zum 31. Dezember 2019. Bis dahin dürfen die Bewerbungs- und Auswahlverfahren wie gewohnt weiterlaufen. Andernfalls, so der erste Senat, würde ein Zustand geschaffen, der der verfassungsmäßigen Ordnung noch ferner stünde als der angekreidete Status Quo.