Blumenmädchen Stock
Früher war nicht nur mehr Lametta. Früher war auch mehr Polterabend. Der Brauch, ein zukünftiges Brautpaar im Rahmen einer Feier mit zerdeppertem Porzellan in eine glückliche Ehe zu überführen, wird zunehmend verdrängt. Vom Junggesellenabschied und dessen weiblichem Pendant, dem Junggesellinnenabschied. In der Tradition der sogenannten Stag Parties bzw. Hen Nights stehend, wie sie sich z.B. in den USA und in Großbritannien großer Beliebtheit erfreuen, geht’s da rund. Richtig rund. Weil der Junggeselle bzw. die Junggesellin im unehelichen Endstadium gerne mal einen säuft, wie es heißt. Wer das am besten belegt? Sie selber. Freitags oder samstags, am frühen Abend in der Fußgängerzone.
So mancher Junggesellenabschied wird als mehrtägiges Spektakel voller Highlights zelebriert. Als ein im Kreis der Freunde begangener Party-Marathon mit Blackjack und Nutten. Das soll´s geben. Man hat es schließlich oft genug im Kino gesehen. Die Wahrheit hinter solchen Anlässen ist allerdings meist ernüchternd. Und offenbart sich stattdessen als Wochenende mit Dosenbier und zweitklassigen Strip-Einlagen in drittklassigen Nachtlokalen. Statt gut sitzender Anzüge gibt es rosa Hasenkostüme, statt Las Vegas Castrop-Rauxel, und auch sonst tendiert alles mehr Richtung besinnungsloser Zechprellerei statt stilvollem Besäufnis. Aber so ist das eben mit den Männern. Wobei man ihnen damit Unrecht tut. Weil Junggesellenabschiede vergleichsweise unaufdringlich über die Bühne gehen. Denn geht´s um einen motivierten Vollrausch, kommen Männer oft gut und gerne ohne Anlass aus. Mottos sind bei ihnen generell eher verpönt, frei nach dem Motto: hammer net, brauchmer net, kaufmer net.
Junggesellin Stock
Anders sieht es dagegen beim Junggesellinnenabschied aus. Ihre Genese geht mit dem Niedergang eines männlichen Rituals einher: Dem Ausscheiden. Das klingt nach Stuhl, oft roch es auch so. Es bezeichnete das öffentliche Begießen der Bundeswehrzeit – über die Maßen, in gar nicht mal so lustigen anlassbezogenen Ausscheider-Klamotten. Nach Abschaffung der Wehrpflicht geriet der Usus dieses typisch männlichen Umso-mehr-peinlich-Auffallens weitgehend in Vergessenheit, was eine gesellschaftliche Lücke hinterließ. Und zwar genau dort, wo es besonders wehtat. Im Stadtkern.
Die Zeit der speziell herausgeputzten Urheber von Sprechchören und Kotzflecken schien also vorbei. Lange währte deren Abstinenz allerdings nicht. Die Lücke wurde rasch von marodierenden Braut-Banden gestopft, die sich schnurstracks das aneigneten, was die einstigen Ausscheider-Gangs auszeichnete: Motto-Shirts und alkoholinduziertes Herumgebrülle. Ein Umstand, der unglückliche City-Frequentierer heute mit paramilitärisch anmutenden Frauenkorps konfrontiert, deren Uniformen geistreiche Slogans zieren. Zum Beispiel „Die Braut, die sich traut“, „Hier Braut sich was zusammen“ oder „Claudias Junggesellinnenabschied – sind wir zu wild, bist du zu schwach“. Prima.
Den Grad der Demütigung allerdings, der bei Junggesellinnenabschieden als angemessen empfunden wird, erreicht man nie allein mit T-Shirt. Er bedarf weiterer unverzichtbarer Accessoires. Denn erst mit Krönchen, rosa Tutu und Bauchladen gelangt die cliquenforcierte Schmähung der Braut zur vollen Blüte. Denn darum geht es offenbar. Um´s Bloßstellen der zu verabschiedenden Junggesellin, um´s Spaßhaben auf Kosten anderer. Wobei sich natürlich auch die versammelte Bagage zum Affen macht, Stichwort: mitgefangen, mitgehangen. Was sich auch auf Außenstehende überträgt, die dem Trupp zu nahe kommen.
Als Faustregel gilt: Braut-Banden weiträumig umgehen. Nie näher als 20 Meter an sie herantreten. Blickkontakt unbedingt vermeiden. Bei Nichtgelingen gilt weiterhin: Versuchen, noch abschreckender auszusehen als das junggesellige Überfallkommando. Sich dabei getrost am peinlich berührten Gesichtsausdruck der gescholtenen Bald-Braut orientieren. Die Falle schnappt ansonsten schnurstracks zu. Und schon hat man 5 Euro für ein Kondom, ein Pfläumle oder anderweitigen Quatsch ausgegeben, Lippenstift am Kragen oder ansteckende Krankheiten. Ehrlich.