Clueso hat einen Neuanfang gewagt – und kommt mit seinem gleichnamigen Album nach Würzburg. Wir baten ihn vorab zum Interview. Und sprachen mit ihm über Selbstbestimmung, Schwanzvergleiche und Sherlock Holmes.
Bei Dir scheint alles auf Neuanfang zu stehen. Du hast Dich nach langen Jahren von Deiner Band verabschiedet und auch Dein aktuelles Album auf „Neuanfang“ getauft. Der Titeltrack fängt an mit: „Es ist nicht zu früh, es ist nicht zu spät“. Inwiefern geschah Dein Neuanfang zur richtigen Zeit?
Ich war ja 15 Jahre mit meiner Band zusammen. Das ist ne lange Zeit, solange gab es nicht mal die Beatles. Da sagt man nicht mal eben bei irgendeiner Unstimmigkeit: „Ich lös die Scheiße auf“. Ein Neuanfang passiert da als Prozess. Man muss sein Leben einfach leben und gestalten. Und merkt vielleicht, dass man manche Dinge umgestalten will. Auch, wenn man sich dafür eventuell von liebgewonnenen Menschen oder Gewohnheiten lösen muss. Vielleicht ist mein Alter da ein bisschen prädestiniert für. Mit 37 Jahren geht´s ja viel um Autonomie und Selbstbestimmtheit.
Das Album hast Du gemeinsam mit Tobias Kuhn aufgenommen, der der Kopf der Würzburger Band Miles gewesen ist. Wie kam das zustande?
Tobias wurde mir von meinem Management schon von vor Ewigkeiten empfohlen. Als ich ein Amnesty International-Konzert gespielt habe, haben wir uns dann getroffen. Das war cool, und ich hab ihn gefragt, ob wir eine Platte aufnehmen wollen – aber nur, wenn wir vorher gemeinsam Urlaub machen. Damit ich ihn kennenlerne, ich hab mich ja eben erst von ner Menge Leuten getrennt – nicht, dass wir auf halbem Weg merken, das isses nicht. Dan waren wir im Urlaub. Und haben uns super verstanden. Er ist jetzt ein guter Freund von mir, und darf bei meiner Arbeit auch mal eingreifen. Der kommt dann an und sagt: „Cluesi, das geht geiler.“ Das hat mich ein bisschen befreit. Und schnell hat sich die Neuanfangsstimmung als Grundtenor der Platte entwickelt. Nach nem halben Jahr hatte ich die Texte drin.
Aber auch ohne solche harten Cuts markiert für einen Musiker ein neues Album einen Neuanfang, oder?
Schon, weil man dem mit einer gewissen Ehrfurcht begegnet. Es muss halt klappen, nur so geht´s weiter – was bei mir aber schon so eine Sache war. Ich hab mich nämlich lange nicht als Musiker gesehen, hätte mich auch von der Musik wegbewegen können anstatt Songs für ein Album zu schreiben. Aber dann hab ich wieder welche geschrieben und bin wieder mit ihnen auf Tour gegangen – und war auf diese Weise weiterhin Musiker. Und so sind die Jahre vergangen.
Wann hast Du angefangen, Dich als Musiker zu begreifen?
Relativ spät, vielleicht vor fünf Jahren.
Und vorher hast Du Dich als Sänger oder noch davor als Rapper gesehen oder wie?
Nein, als jemand, der vieles tun könnte, aber aktuell Musik macht – ohne hauptberuflich Musiker zu sein.
Aber jetzt bist Du einer, inklusive einem „Neuanfang“ . Die LP ist ja ein Stück weit eine Rückkehr zu Deinen Hip Hop-Tagen. Seit Du noch als Rapper aktiv warst, ist viel geschehen in Rap-Deutschland. Wie stehst Du diesen Entwicklungen gegenüber?
Es gibt da inzwischen eine enorme Bandbreite, das ist toll. Ich hatte damals sehr zu kämpfen, weil ich ignoriert habe, dass die Szene es scheiße fand, wenn man singt. Ich hab das halt einfach irgendwann gemacht. Und war damit ziemlich weit vorn. Vielleicht kam das nicht überall an, aber ich hab auch Leute inspiriert, die dann auch was Crossover-mäßiges probiert haben. Heute ist das gar nicht mehr ungewöhnlich, und auch sonst ist alles sehr facettenreich. Aber bei Rap geht´s immer noch um Sprache. Da gibt es schon Sachen, die ich nicht gerade interessant finde, aber grundsätzlich finde ich, dass in Deutschland Rap so ziemlich die sprachgewandteste Musik ist.
Da kriegt man auch in kurzer Zeit viel um die Ohren geknallt…
Ja, viel, und krasse Vergleiche usw. Aber selbst wenn das dann irgendwelche Schwanzvergleiche sind: Wenn es lustig ist, finde ich es gut.
Wie unterscheidet sich eigentlich das Schreiben eines gesungenen Songs von einem Rap-Track?
Stark. Als Rapper merkt man das, wenn man ne Hookline schreibt. Da scheitern viele, weil es cheesy klingt. Beim Singen bleiben die Wörter viel länger stehen. Die sind viel stärker gewichtet. Es ist superschwierig, eine Line zu schreiben, die nicht klebrig wirkt und bei der die Pause das Wort nicht angreift. „Wenn ich meine Wohnung, mein Schmuckstück, mit Stuck schmück“ ist eine coole Rap-Zeile, aber der Gag ist schnell verflogen. Songs zu schreiben ist daher auch nicht wie Gedichte schreiben. Ich schreibe Gedichte neben meinen Songs, und ich finde, jeder Song könnte ein Gedicht sein, aber nicht jedes Gedicht ein Song .
Ist Rap dann eher flüchtig und Gesang etwas, das länger bestehen kann?
Es gibt schon auch alte Rap-Songs, die heute noch Hits sind. „Jein“ von Fettes Brot ist über 20 Jahre alt. Wobei da natürlich ne gesungene Hookline vorkommt… Es sind halt die Hooks, an die man sich am besten erinnert. Und die Leute mögen es, wenn sie mitsingen können. Marteria z.B. hat keinen großen Tonumfang, bringt aber Refrains, an die ich mich definitiv auch später noch erinnere. Da geht es gerade auch hin, denke ich. Mit wenigen Worten etwas Einprägsames auszudrücken. Ohne die Worte wie Kaugummi zu ziehen, das ist schwierig mit der deutschen Sprache, wird schnell so schlagermäßig. Daher bin ich auch stolz, wenn ich einen Song wie „Wenn Du liebst“ schreibe. Weil ich glaube, mit Sprache eine Stimmung zu schaffen und etwas Zwischenmenschliches auszudrücken, ohne dass es klebt.
Dafür kleben die Medien an Dir. Und Du schaffst es irgendwie, überall stattzufinden, egal ob Zeit, Juice, Bunte oder Brigitte. Sowas gelingt sonst nur alten Herren, ist Dir das eigentlich bewusst?
Keine Ahnung, vielleicht weiß ich mich einfach nur den Umständen entsprechend zu benehmen. Manchmal genügt es da, einfach mal innezuhalten. Wenn in TV-Sendungen Leute Blödsinn erzählen, ist das eh meist selbstredend. Die sollen dann weiterlabern, da muss man sich oft gar nicht groß äußern. Manche sind so rebellisch, die müssen überall anecken. Andere sind super schleimig, nehmen einen Radio-Preis entgegen und erzählen, wie toll sie doch den Sender finden. Das muss ich alles nicht sein.
Aber ein alter Herr bist Du trotzdem: Dich gab´s schon zu StudiVZ-Zeiten. Da gab´s sogar die Gruppe „Clueso vertont mein Leben“. Welche Leute waren da Mitglied?
Vielleicht zwanglose Leute. Die, die auch auf meinen Konzerten waren. Die aus der Ferne vielleicht wie Normales aussehen, die aber eine klare Meinung haben, zwischen den Zeilen lesen und sich umschauen. Die vielleicht auch mal nach Bands suchen. Das ist mein Eindruck, wenn ich umsehe. Sicher gibt´s auch welche, wo nicht viel kommt und nicht viel zu holen ist. Aber man kann sich seine Fans ja nicht aussuchen.
Wer vertont eigentlich Dein Leben?
Das ist super schwierig, weil ich Musik mit verschiedenen Ohren höre. Wenn ich momentan Musik wirklich laufen lasse und am Stück höre, dann ist das aus den USA z.B. Anderson.Paak. Da stimmt der Groove, der Soul, da ist Bewegung drin. James Blake, Bon Iver oder Radiohead laden mich auch auf. Aber grundsätzlich lasse ich mich gerne treiben. Das geht heute ja ganz gut, wenn Du im Internet von A nach B geschickt wirst. Aus Deutschland höre ich Chefket sehr gerne, den nehme ich auch mit auf Tour. Die alle vertonen mein Leben. Und Hörspiele.
Bibi Blocksberg?
Sherlock Holmes.