Die Broilers bestehen aus fünf Mitgliedern, und ein Broiler ist ein halbes Hähnchen – das ergibt 2,5 Hähnchen. Wer sind diese Hälften, und was machen sie?
Jeder von uns ist wichtig für die Band, und jeder hat seine Wesensmerkmale. Unsere Bassistin Ines ist so etwas wie die Mutter Beimer des Proberaums. Das klingt böse, ist aber wichtig, wenn wichtige Entscheidungen anstehen. Drummer Andi und Keyboarder Chris sorgen für Stimmung bei den Aftershowpartys. Ron, unser Gitarrist, hält den Deckel auf dem Topf, wenn er überzukochen droht. Und ich bin das Sprachrohr der Band. Im Endeffekt funktionieren wir wie eine gute Ehe. Man versteht sich, liebt sich, streitet sich, verträgt sich, gibt sich ein Küsschen.
Ihr habt als Oi-Punks angefangen, dazu gesellten sich Ska-Elemente, bevor ihr einen Schritt Richtung Rockabilly unternahmt. Euer neues Album scheint in ein klassisches Rockmuster zu passen. Wie würdest du euren musikalischen Werdegang nachzeichnen?
Den hast du eigentlich gut zusammengefasst. Von Anfang an kamen bei uns unterschiedliche Elemente zu einem Basisgerüst hinzu, weil wir breitgefächerte Musikgeschmäcker haben. Wenn wir ein Album aufnehmen, dann fließen –bewusst und unbewusst – Sachen ein, mit denen wir uns beschäftigen und die wir gerne hören. Wenn man es schafft, diesen Einflüssen seinen eigenen Stempel zu verpassen, erzielt man interessante Ergebnisse.
Punks und Skins werden im Allgemeinen als gegensätzliche Gruppierungen wahrgenommen. Wenn es um die Oi-Bewegung geht, spricht man allerdings sowohl von Oi-Punks als auch von Oi-Skins. Was hat es damit auf sich?
Die Skinheadkultur ist per se keine Faschokultur, sie ist nicht rechts gerichtet. Sie stammt aus England, wo sich schwarze und weiße Arbeiterkids, die auf Reggae und Ska abfuhren, zusammentaten, um zu feiern, Spaß zu haben und Dampf abzulassen. Bei vielen ist jedoch das Bild des „Sieg Heil“-brüllenden Faschoskins, des Neonazis verbreitet, die es natürlich auch gibt, leider. Daher war es für uns auch von Anfang an wichtig, eine antirassistische Haltung zu vertreten.
Euer aktuelles Album heißt „Noir“, da ist das Oi – wie eben auch bei Broilers – schon mit drin. Allerdings spricht man es anders aus. Ist das vielleicht bezeichnend für eure Arbeitsweise als Band? An den Wurzeln festhalten, aber trotzdem andere Ausdruckmöglichkeiten suchen?
Dieser Aspekt schwingt durchaus mit, aber mit einem Augenzwinkern. Als wir uns für den Albumtitel entschieden haben, war das – im Gegensatz zu unserem Bandnamen – erst einmal keine Absicht. Im Grunde hast du das aber treffend beschrieben: Es ist gut zu wissen, wo man herkommt – zumal es keinen Grund gibt, sich dafür zu schämen. Es ist aber auch wichtig, weiterzugehen, sich auszuprobieren, Erfahrungen zu machen. Ich glaube, die Mischung aus Bodenhaftung und Erfahrung macht Menschen erfolgreich.
Wächst man vielleicht eh irgendwann – unabhängig des subkulturellen Lagers –aus dem jeweiligen Szenedogmatismus heraus?
Ich glaube ja. Nicht umsonst sind das ja eben auch Jugendkulturen. Ich ziehe meinen Hut vor denen, die auch als Erwachsene noch Die-Hard-Skinheads, Mods oder Punkrocker sind. Nach zehn Jahren im Zeichen eines Kleiderkodex wollte ich mir aber nicht mehr sagen lassen, was ich anziehen darf und was nicht. Man könnte pathetisch sagen, dass wir als Band eine eigene Szene gegründet haben. Nüchtern betrachtet haben wir einfach unseren individuellen Weg gefunden. Das passiert aber automatisch, weil im Leben irgendwann andere Dinge wichtiger sind als der Sitz der Frisur.
Der DIY-Ansatz der Punk-Kultur ist dir aber schon noch wichtig, oder? Immerhin bist du z.B. selbst für die Coverartworks eurer Platten verantwortlich…
Schon, das liegt aber auch an meinem Anspruch. Ich habe das Bedürfnis, über alles noch mal drüberzukucken. Vielleicht ist das eine Art Kontrollzwang. Ich finde aber, dass die Details den Unterschied machen. Wenn man in einer Sache nicht drinsteckt, dann fallen die einen vielleicht gar nicht auf, aber trotzdem sind sie wichtig. Deswegen bin ich gerne überall involviert, um eben auch die Kleinigkeiten im Blick zu haben.
„Noir“ chartete ja auf eins und wird in absehbarer Zeit Gold bekommen. Für das Vorgängeralbum „Santa Muerte“ gab es auch Gold. Brachte dieser Erfolg grundlegende Veränderungen mit sich?
Nö, abgesehen von der goldenen Platte an der Wand. Es wäre ja auch eine Katastrophe, wenn man dadurch ein anderer würde. Wenn Kids beim Bohlen auftreten und daraufhin abdrehen, finde ich das zwar nicht gut, aber ich verstehe das. Das ist wohl unvermeidlich, wenn es sofort auf die große Bühne geht. Bei uns war es aber eine natürliche Entwicklung, die im schimmeligen Proberaum und mit kleinen Gigs begonnen hat. Der Erfolg kam nach und nach, da vergisst man nicht so leicht, wer man eigentlich ist.
Und wie ist das, wenn du heute durch Düsseldorf gehst? Geht das noch, ohne hin und wieder mal belagert zu werden?
Das kommt schon vor, aber normalerweise findet das in einem angenehmen Rahmen statt. Nur ganz selten ist da mal einer dabei, der wirklich nervig ist. Wenn es jetzt aber nur um ein Foto oder so was geht, komme ich da gut mit klar.
Die Toten Hosen sind ja ebenfalls Düsseldorfer; du bist mit ihnen befreundet, was euch diverse Gastauftritte bei deren Shows verschaffte. War das eine Initialzündung für eure Karriere?
Das kam auf jeden Fall zur richtigen Zeit. Wir hatten bereits ein Repertoire an guten Liedern, die wir dann vor größerem Publikum präsentieren konnten. Wenn wir noch keine gestandene Band gewesen wären, hätte es sicher nichts gebracht. So jedoch war´s das „icing on the cake.“
Du sagst über deine Stimme, sie sei ein hässliches Pferd – und du hast gelernt, es zu reiten. Was hat dich bis dahin im Sattel gehalten?
Davor habe ich einfach ertragen, wie´s ist. Irgendwann spielten wir aber mehr Konzerte und unsere Touren wurden länger. Da konnte ich dann nicht mehr so rumbrüllen und hab mich getraut, meine normale Stimme zu zeigen – und sie auch zu akzeptieren. Ich habe gelernt, wie ich sie einsetzen kann, welche Töne ich treffe und welche ich besser vermeide. Durch Erfahrung verbessert man sich dabei natürlich, das ist wie bei einem Instrument.
Vom hässlichen Pferd zurück zum Broiler: Der Broiler war ja das Brathähnchen der DDR. Es wurde aus den USA importiert, weil man an der Züchtung eines eigenen fleischreichen Huhns scheiterte. Gibt es etwas, woran ihr als Band scheiterst und das ihr vielleicht ändern möchtet?
Nein, eigentlich nicht. Scheitern würden wir, wenn wir irgendwann in den Proberaum gehen und unsere Musik nur noch als Arbeit wahrnehmen. Wenn es soweit kommt, würden wir den Hut nehmen und sagen: Schön war´s.
Eins noch zum Schluss: Weißt du, wie der Broiler auf mainfränkisch heißt?
Puh, wir haben schon diverse Male in Würzburg gespielt, aber… vielleicht hilfst du mir ja und sagst mir, wie er heißt.
Na, klar: Er heißt Göicher.
Alles klar, das muss ich mir mal aufschreiben, dann kann man uns beim Konzert vielleicht so ankündigen…