Christian Neubert
Die Fachpresse feiert euch als die Chansoniers der Club-Music. Wie fühlt es sich an, ein neues Genre begründet zu haben?
Janosch: Naja (lacht). Oft sind diese Definitionen Quatsch. Wir vermischen Songwriting mit elektronischer Musik. Klar will man dem Kind einen Namen geben, insbesondere die Presse. Bei uns wurde eben der Chanson-meets-Electro-Clash als Trademark aufgegriffen.
Findet ihr diese Etikettierung aber generell gut?
Janosch: Dass der Begriff Chanson in Beschreibungen vorkommt finde ich schon gut...
Rebecca: ...wobei es nicht immer zutrifft. Wenn man sich z.B. unser Debütalbum anhört, führt das zu weit. Immerhin ist der Begriff im allgemeinen Verständnis auf eine bestimmte Art von Songwriting festgelegt.
Ursprünglich habt ihr als Duo begonnen und gemeinsam zwei Alben realisiert. Seit dem dritten Album mischt Sepp Singwald bei euch mit und mittlerweile ist er festes Bandmitglied. Wie kam das zustande?
J: Der ist bei uns reingewachsen. Schon beim zweiten Album hört man übrigens den einen oder anderen Tastenschlag von ihm. Ich kenne ihn noch aus Studientagen. Es gibt aber kein Datum, an dem man seine Zugehörigkeit festmachen kann. Höchstens, was Auftritte betrifft. Da war irgendwann klar: Der Sepp muss fest dabei sein.
Wer also heute ein Konzert von euch besucht, sieht euch als Trio
R: So ist es. Pupkulies, das sind Janosch und Sepp.
Janosch, du bist ja ein klassischer Home-Producer. Durch Sepps Engagement bei euch treffen nun analoge Instrumente auf digitales Beat-Programming. Wie wirkt sich das auf den Produktionshergang aus?
J: Das Recording findet bei uns statt, wo die Instrumente stehen. Heute kann alles ein Studio sein. Wir benötigen dafür keinen angemieteten Raum – zumal ich Raumakustiker bin und das entsprechende Know How habe.
R: Bei „Looking For The Sea“ hatten wir einen „richtigen“ Studio-Tag. Einfach mal um zu sehen, ob uns das gefällt. Letztlich haben wir von der Session aber kaum etwas verwendet. Manche brauchen die Studio-Atmosphäre. Uns bereichert das aber nicht.
Jetzt, wo ihr ein Trio seid: Macht euch das eventuell zu einer „richtigen“ Band, die sich vom ursprünglichen Club-Projekt wegbewegt hat?
J: Das würde ich nicht sagen. Unser Projekt stand schon immer zwischen den Stühlen. Wir werden schon seit längerem recht oft und auch für größere Clubs gebucht.
R: Abgesehen davon passiert auch im Club mehr, seit Sepp mit uns auftritt. Vielleicht kann man sagen, dass Sepp mit seinen Synthies mehr Life-Aspekte in das Club-Ding bringt. Und vielleicht sind die Alben musikalisch gesehen lebendiger, weil jetzt auch mal ein Cello oder ein Piano vorkommt.
Wie stark ist innerhalb eurer Shows der Life-Moment eigentlich wörtlich zu nehmen? In welchem Umfang greift ihr auf vorgefertigte Presets zurück?
R: Ich singe life (lacht)! Und Sepp spielt auf zwei Synthesizern.
J: Und ich bringe Life-Percussion ins Spiel. Es ist eine Mischung aus DJ-Techniken und Life-Elementen.
Rebecca, du schreibst und performst deine Songs in drei Sprachen. Eignen sich manche Sprachen besser als andere, um bestimmte Emotionen und Inhalte zu formulieren?
R: ich weiß nicht, ob sich das auf Inhalte auswirkt, aber auf die Musik und insofern die Emotionen nehmen unterschiedliche Sprachen schon Einfluss. Da geht es um Klangästhetik. Aber ich mache mir da keine großen Gedanken. Die Songs entstehen einfach, das ist ein intuitiver Prozess. „Looking For The Sea“ ist z.B. eher frankophon geworden, was aber auch daran liegt, dass wir es in Südfrankreich aufgenommen haben.
Hat der fertige Beat einen Einfluss auf die Texte und die Sprache, die du dafür wählst?
R: Manchmal schon. Generell hat aber jeder Song eine eigene Entstehungsgeschichte. Oft entwickle ich Text und Melodie gleichzeitig. Oder Sepp schickt ein paar Akkorde, die ich als Grundlage verwende. Manchmal ist der Beat auch schon fertig. Das ist unterschiedlich.
J: Wenn Rebecca z.B. Klavier oder Gitarre spielt und dazu einen Song schreibt, machen wir davon manchmal eine rohe Aufnahme und basteln den Rest außen rum. Dann geht man musikmäßig z.B. auf die jeweilige Sprache und deren Klang ein. Das ergibt sich oft spontan.
Bei eurem aktuellen Album war das sicher anders. Immerhin habt ihr dazu die Kapverden bereist und Kompositionen von Tibau Tavares aufgegriffen.
R: Klar, da war vieles bereits vorhanden. Da ging´s beim Aufnehmen eher um ein stimmiges Zusammenfügen, um ein In-Beziehung-Setzen.
Wie kam es eigentlich zur Kooperation mit Tibau?
J: Das ist eine lange Geschichte. Ich habe als Kind auf den Kapverden gelebt und bin immer mal wieder dorthin zurück, bis ich Tibau mit 18 Jahren kennenlernte. Ich war immer schon von ihm beeindruckt, und als mein Musiker-Dasein nach und nach ernsthafter wurde, hat sich der Wunsch geformt, mit ihm zusammenzuarbeiten. Rebecca war auch schon vor zehn Jahren auf den Kapverden dabei. Und da kam eben eins zum anderen. Er fand unsere Sachen toll, und wir seine.
Ein Unternehmen wie diese Musikreise ist sicher sehr prägend und bereichernd. Habt ihr einen besonderen Aha-Moment erlebt oder unvergessliche Eindrücke gewonnen?
R: Ganz viele sogar. Es war eine intensive Zeit. Wir haben viele schöne Momente erlebt, aber auch viele schwierige und anstrengende.
J: Am Ende der vier Wochen gab es vielleicht ein Highlight, als wir unsere neuen Stücke zum ersten mal live gespielt haben, auf dem Marktplatz von Maio. Da hat sich viel bei uns entladen. Immerhin wollten wir kapverdische Musik mit unseren Stilmitteln umsetzen. Entsprechend war uns die Resonanz vor Ort sehr wichtig. Und ich kann nur sagen: Sie war überwältigend.
Der verdiente Lohn für ein musikalisches Himmelfahrtskommando.
J: Ja, man darf sich diese vier Wochen nicht als Urlaub vorstellen. Ein Album und einen Film in dieser Zeit zu realisieren ist ein ziemliches Brett.
R: Im Nachhinein ist es total surreal, sich so etwas vorzunehmen (lacht).
Die Mittel für das Projekt habt ihr via Crowdfunding generiert. Einer eurer Sponsoren hat sich dadurch ein Wohnzimmerkonzert verdient. Wie ist das gewesen?
J: Es gab da einfach jemanden, der uns unterstützen wollte, was in diesem Konzert gipfelte. Letztendlich war es aber kein Wohnzimmerkonzert. Es fand draußen auf einem schönen Gehöft statt, das für jeden, der wollte, zugänglich war. Eine tolle Sache.
Den Doku-Film über eure Kapverden-Aufnahmen zeigt ihr Anfang Dezember im Central Kino. Darf man da besondere Specials erwarten?
J: Ehrlich gesagt haben wir uns noch keine großen Gedanken gemacht. Wir werden aber auf jeden Fall da sein (lacht). Und eine Gelegenheit, mit Regisseur Steffen Boseckert zu quatschen, besteht sicher auch.
Nach gemeinsamen Jahren in Berlin seid ihr wieder in eure Heimatstadt Würzburg zurückgekehrt. In Sachen Clubkultur geht hier natürlich weniger als in der Hauptstadt. Gibt es etwas, dass ihr vermisst und dem man Abhilfe verschaffen könnte?
J: Die Clubkultur vermisse ich eher weniger – einfach, weil wir jedes Wochenende woanders spielen. Klar freue ich mich, wenn sich wieder etwas tut – und man munkelt ja, dass dem so wäre...
R: Es sind andere Dinge, die wir vermissen. Da geht es eher um das kulturelle Angebot im Allgemeinen. Aber man kann nun mal nicht Klein- und Großstadt über einen Kamm scheren. Da hat jede ihre Vor- und Nachteile.
Ihr habt sowohl zum fünften als auch zum zehnten Geburtstag von FRIZZ life performed. Machen wir das jetzt in diesem Rhythmus weiter?
J: Klar, auf zum 15. Geburtstag, los geht´s!
R: Aber dann stellt ihr uns ´ne bessere Anlage hin (lacht)!