"K.O. nach Zwölf Runden“ ist ein Boxerstück, in dem es einer ersten Info zufolge um Aufstieg und Fall eines Profiboxers gehen soll. Mir kam diesbezüglich gleich Martin Scorseses Film „Wie Ein Wilder Stier“ in den Sinn. Was meinen Sie, liegt der Vergleich nahe?
Das ist interessant, dass Sie das sagen, ich habe den Film erst gestern gesehen. Es ist ein großartiger Film, und der Vergleich liegt tatsächlich nahe. In unserem Bühnenstück geht es aber nicht um einen Boxer, sondern eher um Boxer im Allgemeinen. Der Moment, wenn die Faust trifft, die einen Boxer zu Boden gehen lässt, steht bei uns im Vordergrund. Es geht um die Tragik der Niederlage, des Verlusts von Bewusstsein und Kontrolle. Somit geht es um etwas, dass sich auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen niederschlägt. Auch im Privaten, und zwar immer dann, wenn wir den Boden unter den Füßen verlieren. Das kann ja auch einem perfekten Boxer passieren: Das Scheitern im Privatleben. Wie eben bei „Wie Ein Wilder Stier“.
Boxergeschichten – oder überhaupt Sportgeschichten – sind in den meisten Fällen Geschichten von kleinen Leuten, die sich behaupten möchten, es nach oben schaffen wollen. Dieses Grundthema liegt wohl auch dem Bühnenstück zugrunde.
Eine Rolle spielt es schon, aber ganz so leicht formulieren darf man es wohl nicht. Lothar Trolles Dramatext sieht eine Gruppe von Ex-Boxern vor. Der Fokus ist auf deren Erinnerungen gerichtet, die oft rührend und sentimental sind. Klar spielen dabei die großen Momente eine wichtige Rolle, aber auch und vor allem die großen Niederlagen. Die gibt es ja gerade innerhalb der Versuche, Fuß fassen zu wollen. Man denke da nur an die Momente, in denen Boxer von Promotern und Managern ausgenutzt und hintergangen werden. Vielleicht kann man sagen, dass es in unserem Stück um Träume geht, die man verwirklichen will – und um die Tatsache, dass man das oft nicht schafft.
Das Stück soll ja in sechs, sieben Wochen auf die Bühne kommen. Wie ich erfahren habe, steht aber weder der Hauptdarsteller fest verteilt noch gibt es ein fertiges Bühnenbild. Mir kommt das sehr kurzfristig vor. Oder ist eine solche Zeitspanne für die Planung einer Inszenierung etwa normal?
Ein Bühnenbild gibt es schon, es befindet sich gerade im Bau. Und eine klare Hauptfigur wird es ohnehin nicht geben. Lothar Trolles Skript ist nicht wie ein herkömmliches Drama mit einzelnen Situationen verfasst. Es ist als Fließtext festgehalten – als Text, der zwischen Anfang und Ende durch seine Themen mäandert. Die zentrale Figur, die dabei vorgesehen ist, ist der Chor – der Chor der Schauspieler. Inwiefern und ob dieser Chor dann tatsächlich als Chor im wörtlichen Sinne auftritt, ist nun meine Aufgabe. Die Zeitspanne, die mir dafür bleibt, ist schon knapp. Ungewöhnlich ist das aber nicht.
Das Inszenieren eines solchen Skripts ist bestimmt eine größere Herausforderung als das Umsetzen klassischer Dramentexte, die sich von Szene zu Szene hangeln.
Ja, und zwar weil man sich überhaupt nicht sicher sein kann, was während der Arbeit passiert. Klar verfolgt man einen Plan, und natürlich arbeitet man zunächst einmal mit Schauspielern, mit Sprache – und nicht zuletzt vor einem Publikum. Nur gilt es hier, viele Aspekte erst einmal zu erfinden. Z.B. eben das Bühnenbild. Ich habe mich dabei für eine Art Sportlerball entschieden, nachdem ich mir viele Situationen angesehen habe, in denen sich Sportler und Ex-Sportler an die großen Momente ihrer Karriere erinnern.
Ich habe gedacht, es wird einen Ring auf der Bühne geben…
Es wird zwar keinen Boxring im eigentlichen Sinne geben, aber eine Entsprechung davon. Eine Entsprechung, die besser für die Bühne geeignet ist, die man ja nur von einer Seite aus einsehen kann, wohingegen man einen Boxkampf ja am Besten von allen Seiten verfolgt.
Wussten Sie eigentlich, dass die Autobiographie von Christine Rocchigiani, der Ex-Frau des Boxweltmeisters Graciano Rocchigini, den gleichen Titel wie Ihr Stück trägt?
Oh, das wusste ich tatsächlich nicht. Dabei spielt Rocchigianis Biographie neben denen diverser anderer prominenter Boxer wie Benny Paret, dessen Ringtod live im Fernsehen gesendet wurde, und der Deutsch-Libanesin Rola El-Halabi, die vor einem Titelkampf von ihrem Stiefvater angeschossen wurde, in unserem Stück durchaus eine Rolle.
Ja, der Klappentext des Buches weißt zu Ihrem Stück auch durchaus Parallelen auf.
Rocchigianis Karriere war nun mal sehr lebendig, mit vielen Höhen und Tiefen. Gerade solche Abstürze innerhalb von Boxerkarrieren werden wir mit viel schwarzem Humor verhandeln. Mich faszinieren die Hürden, die auf dem Weg zum Erfolg zu nehmen sind. Vor allem diese K.O.-Momente – jene Situationen, in denen die Leute immer wieder aufstehen, es immer wieder probieren, auch, wenn sie Demenz, Alzheimer, den finalen Niederschlag riskieren. Als Metapher auf das Leben finde ich das sehr geeignet.
Würden Sie sagen, dass Ihr Stück maßgeblich von Humor getragen wird?
Es gibt in jedem Fall humorvolle Momente. Dabei spielt es eine Rolle, dass die Schauspieler eine Textwüste zu erschließen haben, woraus viele Möglichkeiten des Umfallens wachsen können. Davon erhoffe ich mir ein großes Humorpotenzial. Auch die Diskrepanz zwischen dem erhabenen Moment eines finalen Punches, der am Stolpern über die eigenen Füße scheitert, birgt – neben der unweigerlichen Tragik – viel Komisches.
Dann sind bei Ihnen die Schauspieler Boxer im Clinch mit schwergewichtigen Texten.
Besser hätte ich es nicht formulieren können. Das finde ich gut – zumal Lothar Trolle, mit dem ich übrigens schon lange und sehr gerne zusammenarbeite, eben sehr textlastige Stücke schreibt. Er ist ein meisterlicher Dramenautor. Sätze dauern bei ihm gerne mal zwei Seiten, was für die Schauspieler natürlich eine ungeheure Herausforderung ist. Sie müssen sich ihnen aussetzen, gehen tatsächlich in den Clinch. Dabei geschehen viele Dinge, die man vorher nie geahnt hätte.
Wird auf der Bühne auch geboxt werden?
Ja, es wird geboxt werden. Wir arbeiten mit einem Würzburger Boxclub zusammen, werden junge Amateurboxer auf der Bühne haben. Dabei werden wir auch diverse Zitate berühmter Boxgeschichten und –kämpfe vom Stapel lassen. Es wird sportlich!