Deine vorherigen Alben gelangten an die Spitze des Albumcharts und um das neue Album „Im Westen nix Neues“ zu schreiben bist du extra nach Schweden gefahren. Hattest du Angst und stundest du unter Druck, dass das neue Album nicht mehr so einschlägt oder wolltest du einfach ein ruhiges Plätzchen für deine Musik finden?
Nein eigentlich hat das Nichts mit meinem Erfolg zu tun. Ich habe das Album in Schweden geschrieben, weil man in Berlin einfach schwer denken kann und nicht so richtig zur Ruhe kommt. Da gibt es immer so viele Eindrücke, die auf einen einprasseln und so viele Leute, die etwas von einem wollen. Da kann man nicht so wirklich einen klaren Gedanken fassen und am Arsch der Welt in so einer Einöde in Schweden geht das ganz gut.
Hat das Land Schweden eine besondere Bedeutung für dich?
Eigentlich nicht. Es hätte auch irgendein anderes Land sein können. Es hätte auch Finnland, Dänemark oder Frankreich sein können, aber ich habe einfach im Internet rumgesucht und da habe ich irgendwie so ein Haus gefunden, das in der Mitte von Nirgendwo war und das war gut.
Der Titel „Im Westen nix Neues“ ist ja fast wortgleich mit dem Roman und Kriegsdrama von Erich Maria Remarque. War das so beabsichtigt?
Ja auf jeden Fall war das so beabsichtigt, das ist ja offensichtlich. Ich wollte damit ausdrücken, dass es hier in Westen nicht wirklich viel Neues gibt. Die meisten Veränderungen der letzten 50 Jahre, was so die Ideologie angeht oder die Sicht, wie man das eigene Lebensmodell hinterfragt, haben in anderen Ländern der Welt stattgefunden. So hat man in China und Indien eine wahnsinnige wirtschaftliche Entwicklung und einen wachsenden Mittelstand erlebt. Man hat in den letzten 20 Jahren nach Wegfall des eisernen Vorhangs einen sich verändernden Ostblock erlebt. Und in Nordamerika, was ja für uns in Europa ein ideologisches und wirtschaftliches Vorbild war, und auch bei uns in den Top Fünf der reichsten EU- Ländern haben wir eigentlich nie so wirklich unser Lebensmodell und die Art und Weise, wie wir konsumieren, hinterfragt. Und jetzt auf einmal wachen wir in einer Welt auf, die sich so sehr verändert hat, dass wir die Augen davor nicht mehr verschließen können, weil der Terror oder auch andere Auswüchse davon alles überschattet. Das zeigt sich jetzt bei uns durch die Flüchtlinge aus einem der schlimmsten Kriege der letzten paar Jahre, die jetzt Unterschlupf suchen. Und plötzlich wissen wir gar nicht damit umzugehen. Und das ist für mich ein absoluter Indikator dafür, dass wir hier sehr sehr lange keine geistige Beweglichkeit bewiesen haben.
Und was glaubst du persönlich, was der Grund dafür war?
Selbstzufriedenheit und dass man sich selbst halt nicht mehr hinterfragt, solange man Erfolg hat. Ich glaube das tun die Leute immer nur, wenn es ihnen schlecht geht. Dann überlegen sie was sie anders machen können Aber wenn es einem relativ gut geht und hier in Deutschland geht es uns ja immer noch wahnsinnig gut, verglichen mit dem Rest der Welt, dann hat man das natürlich lange nicht hinterfragt, vor allem nicht in den 80ern, als es noch viel besser war.
Dein letztes Album erschien nochmal unter deinem Künstlernamen Prinz Porno. Einige Leute im Netz haben dir da unterstellt, dass du an deine alte Porno- Fangemeinde appelieren und ihnen nochmal das Geld aus der Tasche ziehen wolltest. Was war dein eigentlicher Plan dabei? Wolltest du eigentlich ein Revival feiern?
Es war vielmehr so, dass mein letztes Prinz Pi Album „Kompass ohne Norden“ mein absolut erfolgreichstes Album war. Und war natürlich sehr verkopft und ich habe mir viele Gedanken darüber gemacht über was ich da schreibe und das mach ich ja immer. Und danach habe ich überlegt, dass ich mal wieder was Lockeres machen will, wo ich nicht so groß nachdenke was ich da sage und wie ich das sage. Und darum hab ich dieses Synonym da rausgekramt, um das darunter zu machen. Wenn dann die Leute denken man will den Fans da auf die eine oder andere Weise das Geld da aus der Tische ziehen, dann ist das natürlich völliger Unsinn, weil wir das Album ja überhaupt nicht beworben haben und nicht mal ein Interview dazu gegeben haben. Man hat das quasi unter der Hand veröffentlicht.
Verletzten dich dann solche Aussagen, vor allem auch, weil du ja generell oft eigene persönliche Erfahrungen und Erlebnisse mit in deine Texte bringst?
Das verletzt mich schon vor allem insofern, weil ich meine Fans nicht für solche Idioten halte.
In einem Interview hast du mal gesagt, dass die Teile Porno und Pi aus dem Griechischen abstammen. Das klingt ja so, als hättest du dir da echt viele Gedanken darüber gemacht. War es so oder fielen dir die Namen einfach so spontan ein?
Ne darüber habe ich mir natürlich sehr viele Gedanken gemacht. Früher als ich so 16 oder 17 war habe ich viel Graffiti gemacht und hatte halt Griechisch in der Schule. Und porno kommt ja von „pornos“, übersetzt heißt das dreckig. Und das ist eigentlich ein perfekter Künstlername, wenn man Graffiti macht, weil der Graffitikünstler ja eine dreckige Kunst macht. Die hängt nicht in einem Museum, sondern die malt man auf ne S- Bahn oder auf irgendeine Wand. Und vor allem macht man das ohne die Zustimmung von den Leuten, denen das gehört. Nichtsdestotrotz ist es aber einfach die Ausdrucksform von einem Menschen, ob er jetzt nun auf eine Leinwand malt oder halt auf ein sich bewegendes Stück Stahl. Und ich fand dieses Synonym sehr treffend und schön. Und als ich dann angefangen habe Musik zu machen, habe ich das dann beibehalten und habe dann nur noch so ein Prinz davor gesetzt, weil ich das so ganz schön fand mit der Alliteration. Und dann irgendwann mit steigendem Erfolg haben natürlich die Leute gedacht, dass das so frauenverachtende Musik wäre. Und das kann man ihnen natürlich auch nicht ganz verdenken. Warum sollten sie sich das überhaupt erst mal anhören und dann ihren Verdacht als widerlegt sehen, wenn da schon so ein Label drauf steht, dass sowas suggeriert. Und dann habe ich das halt gewechselt zu „Pi“. Ich finde das ist eine sehr interessante, irrationale, mystische und kraftvolle Zahl in der Mathematik, die man für viele wichtige Formeln braucht. Und es ist natürlich auch die Zahl, die dabei hilft den Kreis zu berechnen. Und der Kreis war immer eine Form und Sinnbild für eine Weltsicht gewesen. Nämlich dass man versucht sich in möglichst viele Richtungen zu orientieren, was mir immer sehr gefallen hat. Und meine letzten beiden Alben beschäftigen sich ja quasi mit Himmelsrichtungen, also jetzt mit Westen und davor mit Norden. Das sind ja schon mal Teile der Kompassrose, die ja auch keinen Kreis darstellt und insofern ist das alles ein in sich geschlossenes System.
Du sagt ja du möchtest immer in unterschiedliche Richtungen denken und möglichst viel in deine Musik aufnehmen. Wo findest du da vor allem bei gesellschaftskritischen Themen deine Inspiration?
Inspiration brauche ich da eigentlich nicht, sondern eher Fakten, die ich recherchiere. Ich lese natürlich sehr sehr viel, gucke viel Nachrichten, lese Zeitung und lese im Internet sehr viel. Ich versuche möglichst viele Kanäle und unterschiedliche Meinungen aufzunehmen und das gegeneinander abzuwägen. Und ich finde bei Musik ist es immer wichtig, dass man nicht nur das Tagesaktuelle reinfließen lässt, was man an Informationen so abschöpfen kann, sondern dass man auch irgendwie guckt, ob es vielleicht Quellen gibt, die eine höhere zeitliche Gültigkeit besitzen.
Du bist sowohl in deiner Musik, als auch nebenbei sozial sehr engagiert. Du warst in Tansania für ein Projekt rund um Aids und engagierst dich in Berlin für Obdachlose. Hättest du beruflich auch etwas Soziales gemacht, wenn das mit der Musik nicht geklappt hätte?
Ich denke ich wäre wahrscheinlich Schreiner geworden oder Tischler.
Ok, das ist ja jetzt aber eher etwas Handwerkliches und nichts womit man an die Leute appellieren kann. Da ist nicht viel Soziales dabei oder?
Ich finde man kann auch als Tischler was machen, was an Leute appeliert oder ihnen was zeigt, was relevante Themen aufgreift. Du kannst ja zum Beispiel dem Tischler sagen „Hey es werden lauter Sachen weggeschmissen. Aus denen könnte man doch noch einiges machen“. Oder man könnte es so machen, dass man immer, wenn man etwas für einen Auftraggeber baut, auch gleichzeitig noch etwas für jemand anderen baut, der sich das Möbelstück nicht leisten kann und der Auftraggeber zahlt dann beide Möbelstücke. Ich glaube man kann in jeder Sparte so tätig werden.
Als letzte Frage nochmal was Allgemeines zu dir als Künstler. Deine letzten Alben waren in den Charts extrem erfolgreich. Trotzdem standest du viele Jahre so knapp unter dem Radar des großen Erfolgs. Ist dir Erfolg als Künstler denn grundsätzlich wichtig?
Es ist gut, wenn man so erfolgreich ist, dass man es sich leisten kann, die eigene Musik zu machen und diese auf so einem gewissen Level zu machen, der professionell ist. Aber ansonsten finde ich Erfolg nicht wichtig und man sollte auch nicht darauf schielen welchen zu haben, weil das die Kunst verbiegt und verwässert. Ich empfinde mich selbst als nicht so krass erfolgreich, weil es sehr sehr viel erfolgreichere Bands gibt und ich glaube die Leute, die richtig erfolgreich sind, die pressen immer den kleinsten gemeinsamen Nenner in die Musik und machen eigentlich etwas ziemlich Einfaches, was jetzt nichts Negatives sein soll. Aber sie schaffen es halt irgendwie ganz viele Leute zu erreichen, dadurch dass sie eine Sprache verwenden, die naja viele Leute anspricht und das ist dann immer eine einfache Sprache. Die BZ und die Bildzeitung verkaufen ja auch mehr Exemplare, als jetzt die Neue Zürcher Zeitung. Und das ist halt so ein Weg, den ich nicht gewählt habe.