Alin Coen ist ja ein interessanter Name und hört sich sehr international an. Woher stammt er?
Er ist auch international! Alin wird aber französisch ausgesprochen, also eigentlich erwartet man noch ein –e am Ende. Da ich überwiegend mexikanische Verwandtschaft habe, haben meine Eltern beschlossen das –e wegzulassen, und haben nicht bedacht, dass dadurch viele Leute verwirrt sein würden und ihn Englisch aussprechen.
Du hast Umweltschutztechnik studiert. Davon würde man jetzt nicht direkt auf Musik schließen. War die Musik vorher nur ein Hobby für dich oder war dir schon immer klar, dass du es ernsthaft angehen würdest?
Dass ich die Musik ernsthaft angehen würde, war mir schon vor meinem Studium klar. Deswegen auch Weimar, denn es gibt dort eine Musikhochschule. Ich hab mir quasi die Option offen halten wollen, Musik zu studieren, falls das mit der Umweltschutztechnik nicht mein Fall ist. Mein Gedanke war, Musik mach’ ich eh, das brauch ich nicht studieren. Ich wollte einfach meinen Kopf mit noch mehr Material füllen, deshalb das Studium. Als ich dann 2004 beschlossen habe, Musikerin zu sein, war ich es eigentlich bereits. In Weimar hat sich dann drei Jahre später unsere Band zusammengefunden– von denen auch zwei auf der Hochschule für Musik waren.
2008 habt ihr am „Popcamp“ teilgenommen, zu dem aus 100 Bands nur 5 ausgewählt werden. War das der Erfolgskick für euch?
Ich war eigentlich nie auf der Suche nach dem „Durchstarten“ und hatte auch nicht diesen Anspruch an den Kurs. Zu dem Zeitpunkt, als wir uns dort beworben haben, hatten wir erst drei Konzerte zusammen gespielt. Als das Popcamp dann losging, hatten wir dann immerhin schon 13 Konzerte gespielt. Ich hatte überhaupt nicht damit gerechnet, dass wir qualifiziert genug sind. Im Anmeldebogen wurden zum Beispiel Fragen gestellt, wie viele Auftritte es schon zusammen gab und sie wollten auch Live-Mitschnitte von Konzerten, die wir gar nicht hatten. Deshalb war es für mich schon eine große Ehre, überhaupt mitmachen zu dürfen. Ich würde das Popcamp nicht als Erfolgskick bezeichnen, aber es hat uns als Band sehr zusammengeschweißt. Dabei ist mir erst bewusst geworden, dass die anderen das mit der Band auch ernst meinen und das Projekt für sie nicht eines von vielen ist. Außerdem gab es bei dem Programm eine Mediatorin, die für ein Gespräch gesorgt hat, das vorher noch überhaupt nicht stattgefunden hat - wir haben sonst immer nur geprobt.
Als Frau muss ich das fragen: Wie ist es, die einzige Frau unter drei Männern zu sein? Gibt es auch mal Zoff?
Es gibt klar mal Auseinandersetzungen, vor allem aber in musikalischer Hinsicht. Das hat aber glaube ich wenig damit zu tun, dass wir Jungs und Mädchen sind. Es sind einfach Menschen, die aufeinander treffen. Dabei gehen wir aber immer mit Kopf an die Sache ran, wir sind keine hitzige Band. Zwischenzeitlich gab es mal ne Zeit, bei der einiges an Gesprächsstoff anfiel, da haben wir uns nochmal mit der Dame aus dem Popcamp getroffen, da die erste Mediation schon so erfolgreich war. Das kann ich auch echt allen Bands empfehlen!
Eigentlich allein wegen der Konstellation und der deutschen Texte: Silbermond, Juli, Wir sind Helden. Sie alle vertreten für mich Bands, mit deutschen Texten, drei Jungs und der obligatorischen weiblichen Sängerin in ihren Mitten. Ist das vielleicht ein Erfolgsrezept für deutsche Bands?
Ich hätte genauso gerne Frauen in der Band, nur dass ich bisher noch keine kennengelernt habe, die mit mir gespielt hat. Das Geschlecht ist dabei eigentlich gar nicht relevant. Von mir aus dürfen das auch Transvestiten sein. Es gibt aber einfach nicht so viele Musikerinnen, vor allem Instrumentalistinnen, die kann ich echt an einer Hand abzählen. An der Hochschule in Weimar gab’s pro Jahrgang vielleicht eine Frau an Studenten. Die Kombination Frontfrau und männliche Band hat einfach damit zu tun, dass es überhaupt nicht so viele Mädels gibt, die Instrumente spielen und das finde ich echt Schade. Man wird auch als Frau an diesen Hochschulen ziemlich diskriminiert. Ich habe das Gefühl, dass da übler Sexismus am Start ist, von irgendwelchen altbackenen Professoren, mit ihren altbackenen Meinungen über Frauen und Männer. Ich würde sofort eine Frau mit aufnehmen, wenn es welche gäbe! Ich möchte wirklich alle Mädels, die mit dem Gedanken spielen, Musik zu studieren, dazu auffordern.
Musikkritiker sagen, dass deine Musik zugleich melancholisch und selbstbewusst ist: Identifizierst du dich als Mensch auch mit diesen Eigenschaften?
Melancholie ist ein Teil meiner Musik und natürlich auch von mir. In meiner Stimme herrscht ja schon eine Art Grundmelancholie (lacht), doch in meiner Persönlichkeit gibt es natürlich auch sehr viele fröhliche Anteile. Aber ich bin ja nicht in meiner Melancholie bloß selbstbewusst. Das was da zu hören ist an Melancholie ist definitiv auch eine, die immer mal wieder in mir hochkommt. Das ist keine abgekoppelte Emotion von mir, die nur dann, wenn ich Musik mache hochkommt.
Wo wir schon bei ernsthaft sind - ihr habt euer eigenes Label gegründet und müsst folglich auch alles selbst organisieren. Wie anstrengend ist das? Und bleibt dabei überhaupt noch richtig Zeit für Musik und Kreativität?
Ja, mit grauen Aktenkoffern sitzen wir den ganzen Tag am Computer (lacht). Nein, es wurde mittlerweile ein Label für uns gegründet, aber überwiegend macht unser Schlagzeuger die Labelarbeit und das Organisatorische. Unser Bassist und unser Gitarrist haben beide noch viele andere Dinge an der Backe – unser Bassist studiert zum Beispiel noch Komposition. Die Band nimmt nicht so wahnsinnig viel Zeit in Anspruch, immer mal wieder gibt es sehr intensive Phasen, wenn wir auf Tour sind oder an einem Album arbeiten, aber dann ist auch monatelang mal echt wenig los. Ich würde gerne im Ausland spielen, in Dänemark, England und Holland, darum kümmere ich mich selbst. Das ist auch so eine Arbeit die mir Spaß macht und auch liegt, man kriegt nämlich dabei mit, dass etwas passiert. Ich habe auch unsere ersten Konzerte selbst organisiert. Es passiert einfach in den seltensten Fällen, dass Leute auf einen zukommen und fragen, ob du bei ihnen spielen willst. Da muss man schon selber ranklotzen!
Könnt ihr denn von der Musik mittlerweile gut leben?
Unser Gitarrist hat ein Lied geschrieben, das heißt, Was mich nicht umbringt, davon kann ich leben. Was gehört denn für dich dazu?
Kannst du deine Miete bezahlen? Kannst du dir genug Essen und Trinken leisten?
Klar, ich kann davon die Miete bezahlen, ich kann mir Essen kaufen, aber das schon seit 2008, seit ich angefangen habe. Und dass die ganze Band davon leben kann, ist ungefähr seit 2010, seit wir unsere Platte veröffentlicht haben. Aber guck mal, auf der einen Seite gibt es auch Leute, die komplett ohne Geld auskommen. Dann gibt es wieder Leute, die fragen: Kann man davon leben? Und meinen aber damit, ob man 3000 Euro im Monat verdient. Es ist einfach total verschieden, was Leute brauchen, um ein gutes Leben führen zu können. Bei uns war der Lebensstandard schon immer studentisch und das genügt uns. Und eines Tages werde ich hoffentlich ganz ohne Geld leben können.
Eure Songs erzählen ja oft Geschichten. Mich hat vor allem zum Beispiel in „Andere Hände“ aus der EP fasziniert– das ist ja inspiriert von dem Brief einer Mutter, der bei einem Kind ihr der Babyklappe gefunden wurde. Machst du das bewusst so, das du nicht aus der Perspektive der üblichen Opferrolle, also in diesem Fall dem Kind, schreibst?
Ich habe einfach die Perspektive des Briefs gewählt, den ich gelesen habe. Wenn man davon hört, dass ein Kind in die Babyklappe gelegt wurde, ist dass immer so eine Monstervorstellung. Wie kann die Mutter das bloß machen? Man ist so schnell im Verurteilen. Ich fand es bewegend zu sehen, dass diese Mutter das nicht ganz freiwillig macht, dass sie sich gezwungen sieht, so zu handeln. Und deshalb ich fand, dass dieser Brief gehört werden soll.
Ihr mischt ja gerne mal Englisch und Deutsch. Nachdem auf eurem ersten Album „Wer bist du?“ englische und deutsche Texte noch ziemlich ausgeglichen vertreten waren, sind die englischen beim aktuellen schon deutlich in der Überzahl. Warum denn überhaupt deutsche Texte?
Warum nicht? Die Texte waren einfach auch da. Ich schreibe schon immer deutsche und englische Texte. Ich bin zweisprachig groß geworden, mit Spanisch und Englisch, deshalb war auch die Entscheidung, dass ich zweisprachig singe, klar. Vielleicht fällt das ja dem Zuhörer leichter. Aber ich will mich gar nicht daran orientieren, was irgendjemand hören will, sondern an dem, was kommt.
Ich habe gehört, dass auch noch ein Französisches Stück für das Album geplant war, das es aber dann doch nicht reingeschafft hat. Habt ihr für’s nächste andere Sprachen vor? Du kannst ja auch spanisch.
Wir sind leider damit nicht ganz fertig geworden, es war schon halb aufgenommen. Da müssen wir nochmal ran. Ich hab’ noch nie auf ein Lied auf Spanisch geschrieben, aber bin da auch nicht voreingenommen. Aber es macht total Spaß auf Spanisch zu singen! Also wenn ich manchmal so vor mich hin sing, da ist Spanisch schon mal dabei.
Habt ihr in Zukunft weitere Pläne für eine Zusammenarbeit mit anderen Künstlern? Ihr wart ja schon mal mit Phillip Poisel unterwegs.
Dieses Jahr war ich schon viel unterwegs, bei Thomas D bin ich zum Beispiel auf der neuen Platte mit drauf. Aber ich denk nicht so drüber nach, mit wem ich unbedingt mal was machen möchte. Ich habe auch keine Vorbilder in dem Sinne, es gibt nur Leute, die mich inspirieren, ich finde zum Beispiel Björk oder Joni Mitchell ganz toll.