Aufgrund deiner unverfälschten Art und deinem Image als Mann des Volkes wirst du gerne mit Bruce Springsteen verglichen. Klar, Bruce, der Boss, und du, Bosse. Wandelst du wirklich in Springsteens Fußstapfen?
Mir geht´s da wie Thees Uhlmann, der wird auch gerne mit Springsteen verglichen. Bei mir kommt klar der Name dazu – und vermutlich, weil ich viel schwitze, wenn ich auf der Bühne stehe (lacht). Neben diesem Umstand – und evtl. dem, dass ich auch gerne Geschichten erzähle – gibt es aber nicht viel, was uns eint.
Du hast bereits mit 17 Jahren einen Major-Deal unterschrieben. Jetzt bist du bald doppelt so alt, hast aber seit jeher auf deutsch gesungen. Damals war das untypisch. Wer waren früher deine Vorbilder?
Ich komme ja ursprünglich vom Hip Hop. Als ich angefangen habe, waren das Leute wie MC Rene. Ich fand aber auch Tocotronic und Blumfeld immer toll. Und Leute wie Markus Wiebusch und Judith Holofernes. Außerdem war Seven Regener immer ein Vorbild für mich. Der hat so eine herrlich unverfälschte Art, ist ehrlich – und das merkt man.
Und heute? Hast du heute andere Vorbilder?
Naja, es sind vielleicht weniger als früher. Heute kenne ich viele von den Genannten persönlich. Das ist schön, hebt aber dieses Fantum auf. Mittlerweile bewundere ich eher Autoren wie Judith Hermann, da ich viel lese. Aber die Bewunderung ist eine andere als die, die man in jungen Jahren für seine Idole empfindet.
Klar, jetzt, wo du selbst eine Fanbase hast, siehst du das anders.
Ja, das ist Segen und Fluch – und manchmal skurril. Ich bin als Reaktion auf den Song Familienfest z.B. oft gefragt worden, ob alles gut mit mir ist. Viele münzen die Texte 1:1 auf meine Person um. Aber so ist das eben, wenn man keine Panda-Maske trägt.
Meinst du, dass es auch heute noch schwieriger ist, mit deutschen Texten Erfolg zu haben?
Auf internationalem Boden zumindest. Aber in Deutschland denke ich nicht. Ich würde jungen Sängern sogar raten, auf Deutsch zu singen. Da haben sich die Zeiten geändert.
Du hast in diesem Jahr den Bundesvision Song Contest gewonnen. Vor zwei Jahren hast du gemeinsam mit Anna Loos teilgenommen und den dritten Platz belegt. Waren diese Events ein deutlicher Karriereschub für dich?
Auf gewisse Art und Weise schon – und zwar insofern, dass ich dadurch Leute erreichen konnte, die ansonsten nicht im CD-Regal stöbern oder mich au dem Radio kennen. Wenn mir heute die Bäckerin zum BVSC-Sieg gratuliert, ist das etwas, was ich vorher nicht kannte.
Jetzt kennen die Leute auch das Gesicht hinter der Musik.
Ja, das hat sich eben geändert – genau das leisten solche Shows. In vielen Fällen reicht das dann für einen guten Single-Hit. Manchmal auch – siehe Kraftklub – für großen Erfolg.
Aktuell ist dein neues Album Kraniche draußen. Dort fährst du Gastmusiker mit exotischen Instrumenten auf – Mariachi-Bläser z.B. Dadurch klingt es mehr nach weiter Welt. Zieht es dich wie Kraniche auch stets in die Ferne?
Eigentlich nicht. Allerdings lege ich immer ein Schreibjahr ein, in dem ich mich um neue Texte kümmere, so dass ich nach Möglichkeit alle zwei Jahre ein neues Album bringen kann. Beim letzten Mal war ich während der Schreibphase in der Türkei. Das war aber wegen meiner Frau, die dort an einem Filmprojekt arbeitete. Und einmal fand die Albumproduktion in Umbrien statt. Das war aber auch eher Zufall – wir mussten einfach aus Berlin weg wegen der Fashionshow, das war kaum auszuhalten (lacht). Wenn überhaupt, bin ich unfreiwilliger Weltenbummler.
Ich habe mir das nur wegen deiner Albumtitel gedacht: Aktuell Kraniche, davor Wartezimmer. Aber dann ist deine Heimat mehr als nur ein Wartezimmer.
Auf jeden Fall. Aber ich bin ja auch viel unterwegs, ein Abwarten gibt es nicht.
Du hast ja auch schon mit Musikern anderer Genres wie Oliver Koletzki gearbeitet, und ein Engagement bei GZSZ hattest du auch. Wie ist das gewesen?
Das GZSZ-Ding war eine Kooperation, die über meine Plattenfirma zustande kam. Meine Band und ich hatten einen Auftritt bei einem Dreh, bei dem wir quasi als Bestandteil der Kulisse fungierten – Mando Diao und Selig übrigens auch.
Gibt es Features und solche Promo-Auftritte, die du nicht annehmen würdest?
Zunächst einmal finde ich es spannend, mit Leuten zu arbeiten, die andere Sachen machen als ich. Koletzki ist da ein gutes Beispiel. Den kenne ich noch von früher, als er noch Hip Hop-Beats gebastelt hat. Ich würde eher Leute ausschließen, die das Gleiche machen wie ich – einfach, weil ich glaube, dass die Ergebnisse vergleichsweise langweilig wären. Mit Rappern zu arbeiten würde ich auch eher ausschließen – das haben schon so viele gemacht, da fehlt mir der Reiz.
Wenn man sich die Coverartworks deiner fünf Alben ansieht, fällt auf, dass die letzten drei dich als Person im Fokus haben. War das eine bewusste Entscheidung? Ist das eventuell notwendig?
Für das Artwork arbeite ich immer mit einem alten Freund zusammen. Wir haben jedes Mal viele Ideen. Wir haben uns jeweils für die Fotos entschieden, weil sie besser als die anderen Entwürfe waren. Bei Guten Morgen Spinner z.B. war es von Anfang an klar, dass das Artwork sehr plakativ sein muss. Daher ist da nur ein Schriftzug drauf. Bei Taxi wollten wir das Taxifahrten-Feeling vermitteln – und irgendwann war´s dann dieses Foto. Wenn ich mich recht erinnere wurde das nebenbei von meiner Frau geschossen. Diesmal, für Kraniche, wollte ich mich zunächst nicht auf dem Cover haben. Aber am Ende war´s dann doch wieder der beste Entwurf – obwohl ich Fotos von mir meistens nicht mag.
Auf Kraniche ist ein Song namens „Alter Affe Angst“. Es gibt auch einen Film von Oskar Röhler mit dem Titel Der Alte Affe Angst, der durchaus Parallelen zu deinem Song aufweist. Ist das Zufall oder ein bewusstes Zitat?
Ich kenne den Film nicht – aber ich kenne Oskar Röhler. Für einen Song über Angst habe ich nach einer Metapher, einem Bild gesucht. Dabei wollte ich die Angst etwas ins Lächerliche ziehen. Und der alte Affe hat sich durchgesetzt. Dann habe ich gegoogelt und bin dabei auf Oskar Röhler gestoßen. Das hat mich gewundert, weil ich Oskar ja kenne. Am Ende der Recherche bin ich dann bei Günther Grass gelandet – scheinbar geht das Bild auf ihn zurück.
Wenn wir schon beim Thema Film sind: Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du Daniel Brühl ein bisschen ähnlich siehst?
Ich habe schon Autogramme für Daniel unterschrieben, als ich noch gar keine Musik gemacht habe. Das passiert auch heute noch oft. Ich zieh´s immer durch und unterschreibe als Daniel. Einmal war ich in Berlin und habe einen grünen Mantel vom Flohmarkt getragen. Da kam ein kleiner Asiate auf mich zu und sagte: „Du Lenin!“ Zuerst habe ich mich geärgert – bis ich erkannte, dass das wegen Daniel in dem Film Good Bye Lenin war.
Vielleicht gibt er ja auch für dich Autogramme.
Ja, vielleicht. Dabei ist er so ein großer schlaksiger Kerl und ich bin eher klein und auch dicker als er. Zum Glück wissen das die meisten nicht (lacht).