Enter Shikari kombiniert Hardcore mit elektronischen Elementen – und sitzt damit zwischen den Stühlen. Kannst Du mir etwas über diese Stühle sagen?
Ich sag´s mal so: Es kommt gar nicht so sehr darauf an, auf den Stühlen hocken zu bleiben. Im Gegenteil: Oft ist es besser, aufzustehen und herumzurennen. Und das tun wir. Auch, wenn wir zunächst mal eine Rockband sind, die Rockmusik macht. Trotzdem war es uns von Anfang an wichtig, herauszustechen. Dazu braucht man natürlich Inspiration – und die bekommen wir, nicht zuletzt dank unserer Herkunft. Die Stadt, wo wir herkommen und leben, St. Albans, liegt nahe bei London – und London ist für uns ein großer Einfluss.
Vermutlich ist es unmöglich, elektronische Spielarten zu ignorieren, wenn man aus London bzw. St. Albans kommt…
Ja, definitiv.
Du und Deine Band, ihr beschreibt eure Musik als Trancecore. Das finde ich interessant, weil es beim Hardcore ja um Energie, um´s Herumspringen geht, während Trance einen Zustand beschreibt, der sich dazu gegenteilig verhält. Die Musik von Enter Shikari wird dadurch zu einer emotionalen Achterbahnfahrt. Ist es das, was ihr bezweckt?
Ein Stück weit schon, da hast du schön gesagt. Emotionen anzusprechen ist sehr wichtig für uns, und natürlich finden wir es großartig, mit Musik Emotionen ausdrücken zu können. Wenn wir, indem wir unterschiedliche Sounds einsetzen, eine größere emotionale Bandbreite abdecken können, ist das umso besser. Aber wenn es uns um etwas geht, dann zuerst um das Einreißen von Grenzen.
Wenn eine Band Styles und Genres kombiniert, ist das bestimmt das Produkt der Einflüsse seiner Mitglieder. Wie sieht da bei euch aus?
Wir decken insgesamt eine große Bandbreite ab an Sachen, die uns gefallen, wobei klassischer Rock schon die Basis bildet. Aber ansonsten geht das in alle Richtungen. Unser Drummer Rob z.B. verfolgt auch das, was die DJs auflegen und mag auch Happy Hardcore – und all die anderen Styles, die von London herüberschallen, wie Drum´n´Bass und Dubstep. Generell wird nichts ausgeschlossen.
Ihr habt ja mit zahlreichen Bands gemeinsame Konzerte gespielt, darunter Billy Talent, Linkin Park und The Prodigy. Was hat dir dabei am meisten Spaß gemacht?
Das lässt sich schwer sagen, diese Frage begleitet uns schon seit den Anfangstagen. Aber rückblickend würde ich sagen, dass ich die Tour mit The Prodigy am meisten genossen habe. Wir alle sind große Fans dieser Band. Sie deckt einen großen musikalischen Rahmen ab.
Und sie haben uns gezeigt, wie man richtig rockt, ohne Gitarre zu spielen…
Stimmt, so kann man das wohl sagen.
Als Band seid ihr ja enorm herumgekommen. Was war dir dabei lieber: Kleinere Club-Gigs oder die großen Festivalbühnen?
Da hat jedes seine Vorteile. In kleinen Clubs kannst du dir dem Enthusiasmus deiner Fanbase sicher sein. Aber die großen Bühnen bieten nun mal den größeren Rahmen, um sich zu präsentieren. Am Ende hängt bei beiden alles von der Atmosphäre ab – und auch, wenn die bei den kleinen Konzerten immer gegeben ist: Wenn man sich auf der großen Bühne richtig ins Zeug legt, kann man da noch mehr rausholen.
Im Rahmen eurer Touren habt ihr z.B. die USA, Australien und Japan bereist. Was war das bemerkenswerteste Tour-Erlebnis?
Oh, es ist immer eine wunderbare Erfahrung ferne Länder zu bereisen und dort Konzerte zu spielen. Vor kurzem erst waren wir z.B. in Kuala Lumpur. Aber von überall bekommst du viele Eindrücke. Vielleicht sticht ein Konzert heraus, das wir auf einem Festival in Russland gespielt haben. Die Fans dort hatten Enter Shikari-Flaggen, und sie gingen dermaßen ab, dass die Security so richtig Arbeit bekommen hat.
So, zurück von Kuala Lumpur und Russland nach St. Albans: Eure Geburtsstadt ist die Heimat vieler berühmter Menschen, z.B. von Francis Bacon, Stephen Hawking und Stanley Kubrick. Damit hätten wir Philosophie, Physik und Vision. Was meinst du, in Bezug auf Enter Shikari, fehlt da noch zwischen diesen Stichworten?
Wow, du legst ja los… Okay, mal sehen… Ich denke, es gibt schon noch das eine oder andere Stichwort, das man ergänzen könnte. Wer sich unsere Texte ansieht, weiß das auch. Er wird entdecken, dass sie eine ernsten Hintergrund, eine politische Dimension haben – und dass sie sich wichtigen Themen auf eine Weise nähern, die schon mal weh tut. Das ist wichtig. Trotzdem behalten wir immer im Hinterkopf, dass es bei Musik an sich um Freiheit geht – und darum, sich gut mit sich selbst zu fühlen.
Nachdem ihr euch als politische Band begreift: Vertretet ihr eine Botschaft, die sich in ein, zwei Worten festhalten lässt?
Naja, dass wir eine politische Band sind, würde ich jetzt nicht unbedingt sagen. Eher würde ich sagen, dass wir eine Band mit wachem Bewusstsein sind. Politik sollte nicht der Antrieb sein, um Musik zu machen, das wird schnell langweilig. Aber eine Haltung zu haben ist wichtig: Wir stehen für Einheit.
Das wäre jetzt ein schönes Schlusswort, aber eines habe ich mir noch für den Schluss aufgehoben: Abgesehen von Lemmy von Motörhead und Flea von The Red Hot Chili Peppers sind Bassisten in der Regel medial sehr unterrepräsentiert. Also: Hier ist deine Gelegenheit, um klarzustellen, warum Bassisten härter rocken…
Haha, ja, das ist leicht zu beantworten: Wir bilden das Rückgrat innerhalb von Bands. Wenn du an Musik wirklich etwa spüren kannst, dann ist das in erster Linie der Bass. Der Bass ist es, der dich so richtig erwischt und durch dich durch geht. Deswegen liebe ich ihn.