Man nehme ein Paar und richte sie her wie Braut und Bräutigam. Die Frau werde zum Bräutigam mit aufgeklebten Schnauzer und der Mann zur festlich geschminkten und mit Schleier bestückten Braut. Was hat man dann? Eine Hochzeit? Fasching?
© Juno Artemis, via Wikimedia Commons
Faschingshochzeit
Na, man könnte sagen: irgendetwas dazwischen.
Wenn das Brautpaar auf dem Misthaufen vermählt wird, die ganze Bevölkerung in Hochzeits-Outfit die Prozedur verfolgt und am Ende der Narrenzeit die Scheidung bereits vor der Tür steht, dann wissen wir, es ist wieder soweit – die Faschingshochzeit!
Für viele mag das nicht wirklich ein Begriff sein. Heißt das, eine Hochzeit wird an Karneval im Clownskostüm gefeiert? Oder Fasching im Hochzeitskleid?
Die Faschingshochzeit ist ein Brauchtum, der im süddeutschen Raum und in Österreich verbreitet ist. Seit den 30er Jahren existiert er und wird heute in manchen Region immer noch gefeiert. Diese Veranstaltung findet in der Narrenzeit statt und ist eine Parodie der Bauernhochzeiten, die im Rahmen eines komischen Schauspiels zelebriert wird. Um eine amtliche und echte Eheschließung handelt es sich dabei nicht. Ausgerichtet wird eine solche Veranstaltung meist von Trachtenvereinen, der Freiwilligen Feuerwehr, Schützenvereinen oder Landjugenden. Aber obwohl es sich nicht um eine richtige Hochzeit handelt, steckt in ihrer Durchführung viel Aufwand und Mühe, da eine riesige Gaudi und eine Art Hochzeit organisiert werden muss. Schon im Vorfeld gehen die Hochzeitslader rum und versuchen Menschen aus dem Ort und von außerhalb zu begeistern. Der Ablauf und der Inhalt der Feier kann je nach Region unterschiedlich sein. In manchen Orten muss es sich nicht zwingend um einen Rollentausch des Ehepaares handeln, sondern es kann auch von zwei Männern dargestellt werden. Auch unterscheiden sich die Längen der „Ehen“ voneinander. Manche dauern lediglich einen Tag, während andere die ganzen närrischen Tage als trautes Paar verbringen. Im Allgemeinen aber sieht eine Faschingshochzeit einen festlichen Zug durch die Gemeinde vor, lustige Namensnennungen des Brautpaares, humorvolle Reden sowie manchmal kleine einstudierte Pannen und Zwischenfälle. Und natürlich darf Speis und Trank nicht fehlen!
Ruhpolding in Oberbayern ist eine der Gemeinden, die vergnüglich dem Brauchtum nachgehen. So zuletzt im vorangegangenen Jahr, als sich die „untugendhafte, blaubluadige Baronesse Fritzine von Caterpillus“ und „der allzeit botscherte, dürrhaxige Michaelius Hausus“ bis zum „Kehraus“ (Faschingsdienstag) das Ja-Wort gaben.
In den frühen Morgenstunden beginnt der Festtag mit einem Weckruf. Das Brautpaar schlüpft in ihre Rolle und die bucklige Verwandtschaft wirft sich in außergewöhnliche Schale; manche in traditionelle Trachten, andere in eine Art Vintage-Festgewand – auch ein Scheich aus Arbabien, ein entfernter Onkel der Braut, ist zugegen.
Der Hochzeitslader führt die Hochzeitslader zum Kurhaus für die traditionelle „Morg`nsupp`n“. Bereits in dieser Frühe zeichnet sich eine ausgelassene Stimmung heraus, während die ganze Gruppe auf Bänken zusammen ihre erste Mahlzeit löffelt. Es wird gewitzelt und ein jeder nimmt nur zu gerne die Züge ihrer dargestellten Person an. So verdrückt die Brautmutter ein paar Tränen, weil ihr „braves Dirndl“ flügge wird und die stolzen Eltern des Bräutigams freuen sich, ihren „Bua“ endlich unter der Haube zu sehen.
Nach der kleinen Stärkung geht es dann für das zukünftige Paar Richtung Trauung. Begleitet werden sie von der ganzen Gesellschaft und einer stimmungsvollen Trachtenkapelle. Die Familie des Bratpaares fährt dafür in einem zum Anlass festlich geschmückten Pferdewagen durch die Straßen. Vor dem Rathaus wartet der Standesbeamte „Clausius Rauschbergus“ und Merkwürden „Volkasius Schlawynskywitz“ auf sie, um den beiden Liebenden das Ja-Wort abzunehmen. Kurz vor dem Höhepunkt des Tages bekommt der Bräutigam allerdings kalte Füße und versucht erfolglos zu flüchten. Er wird zu seinem eigenen Besten aufgehalten und neben der Braut vor dem „Altar“ platziert. Merkwürden gibt dem glücklichen Paar noch sinnlose lebens- und ehefeindliche Tipps mit auf den Weg („Eine Frau, die schweigt, soll man niemals unterbrechen“), bevor der Standesbeamte sie endlich traut und sich die frisch Vermählten das erste mal als Ehemann und Ehefrau einen liebevollen Busserl geben dürfen.
Wie kann es anders sein, läuft man im Anschluss zur Trauung nicht unspektakulär wie bei einer richtigen Hochzeit in Grüppchen verteilt zum Hochzeitsmahl, sondern es folgt der zweite Festzug durch das Dorf. Die gute Stimmung bricht nicht ab und angekommen im Kurhaus wird die Feier fröhlich fortgesetzt. Es wird voller Elan getanzt und getrunken. Die Gesellschaft ist so berauscht von der Musik und dem Alkohol, dass niemand bemerkt, wie die Braut gestohlen wird. Als der Bräutigam seine Angebetete endlich vermisst, setzt sich die Truppe (natürlich im Zug und musikalisch begleitet) in Bewegung, um die Geliebten wieder zu vereinen. Recht bald findet man sie und vor Ort wird ohne Unterbrechung die Feier fortgesetzt – stets feuchtfröhlich und mit viel Musik. Wie es sich für eine ordentliche Hochzeit gehört, wird bis tief in den Abend hinein gefeiert, so lange bis die Beine oder das Gleichgewicht nicht mehr funktionieren.
Merkwürdiges Deutschland. Männer verkleidet als Frauen, Festzüge durch das Dorf, niemals abbrechende Musik und Alkoholfluss – ein Schauspiel eingebettet in die Theaterbühne des Dorfes. Klingt wie ein Abtauchen in eine andere Realität – oder aber wie ein Riesenspaß, in der man sich kurz in der Ehe ausprobiert, zu einer Hochzeitsgesellschaft in Dorfformat gehört und mal einen Tag in eine andere Rolle schlüpfen kann.
Wer diese traditionelle närrische Form einer Hochzeit mal miterleben möchte, hat auch in diesem Jahr wieder die Möglichkeit. Besonders für Nicht-Bayern ist es schon allein ein Vergnügen, einem Mann mit langer blonden Perücke und Dirndl zuzuhören, der im stark bayrischen Dialekt und hoher verstellter Stimme von seiner Rolle bei der Hochzeit erzählt.
In Schillertswiesen werden im Februar die Braut „Lustvolle Turburga von der Herschwoid“ und ihr Bräutigam „Neuglzuzelnd‘s Dommal vom Jagstüberl“ vermählt, sowie in Erlstätt „Berlinde Brunzzunsl, Busade Borkenschepserin vom Brennhoizdandler z Wipfehausen“ und „Anton Aufmuggerberger, Ohängfotzndengler von Hinteneinerskircha“. Die verantwortlichen Vereine freuen sich immer über neugierige Besucher, die diese ungewöhnliche Veranstaltung hautnah miterleben möchten.