© Karolina Sobel
Seit dem 1. September 2020 ist die Kunstwissenschaftlerin Luisa Heese Direktorin des Würzburger Museum im Kulturspeicher (MiK). Wir sprachen mit der gebürtigen Göttingerin über ihren Weg in die Branche, das 20-jährige Jubiläum des Museums sowie über ihre Visionen für dessen Zukunft.
Ihr Amtsantritt im MiK fand während dem ersten Jahr der Pandemie statt. Wie haben Sie diese Situation damals erlebt und bewältigt?
Diese Zeit war natürlich für das gesamte kulturelle Leben eine große Herausforderung und besonders meine ersten Monate in Würzburg waren sehr durch den Lockdown geprägt. Im Museum haben wir aber das Beste daraus gemacht und in sehr kurzer Zeit ein umfangreiches Programm im digitalen Raum auf die Beine gestellt. So konnten wir die Ausstellung „Italiensehnsucht“ trotz geschlossener Türen vermitteln und mit unserem Publikum in Kontakt bleiben. Diese Erfahrungen können wir nun sinnvoll für die Weiterentwicklung unserer Formate nutzen.
Ihre Hauptfächer im Studium waren Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis sowie Bildende Kunst – wann und wie wurde Ihr Interesse für die Kunst geweckt?
Das Interesse war schon immer da – bereits als Kind habe ich mich viel mit Kunst beschäftigt und gern stundenlang Bildbände angeschaut. Besonders prägend waren Ausstellungsbesuche im Sprengel Museum in Hannover und der Documenta 10, die 1997 in Kassel stattfand – danach wusste ich, dass ich als Kuratorin arbeiten möchte.
Sie waren in der Vergangenheit nicht nur in renommierten deutschen Museen kuratorisch tätig, sondern auch in England, Frankreich und Budapest. Wo sehen Sie das MiK im internationalen Vergleich?
Das MiK ist ein kultureller Leuchtturm in Mainfranken, der nicht nur fest im regionalen Kulturleben verankert ist, sondern weit darüber hinaus strahlt. Zum einen durch seine besonderen Sammlungen – hierzu zählt die städtische Sammlung mit dem Nachlass Emy Roeder und die Sammlung Peter C. Ruppert zur konkreten Kunst in Europa nach 1945 – und zum anderen durch zahlreiche internationale Sonderausstellungen, die verschiedenste Einblicke in die Entwicklungen der Kunst vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart gewähren. Somit bietet das Haus ein spannendes Feld, um lokale Themen mit globalen Fragestellungen zu verknüpfen.
Dieses Jahr feiert das MiK sein 20. Jubiläum mit einer Vielzahl an Veranstaltungen. Auf was dürfen sich die Würzburgerinnen und Würzburger besonders freuen?
Für das Jubiläumsjahr haben wir ein hochkarätiges Programm zusammengestellt, das viele Highlights für die Besucherinnen und Besucher bereithält: Dazu zählt die bisher umfangreichste Retrospektive des Impressionisten Ludwig von Gleichen-Rußwurm, die noch bis Mai bei uns zu sehen ist; es folgt ab Juni eine Schau mit Werken von Hannah Höch, der prominentesten deutschen Künstlerin des 20. Jahrhunderts.
Der Herbst wird dann ganz im Fokus der konkreten Kunst stehen, auf die wir einen globalen Blick werfen werden. Zum Jahresende haben wir den Berliner Künstler Michael Müller eingeladen, eine zeitgenössische Perspektive auf die Geschichte des Museums und seiner Sammlung zu entwickeln. Besonders freuen können Sie sich auch auf das Wochenende der offenen Tür am 25. Und 26. Juni, an dem wir mit allen gemeinsam das Jubiläum feiern möchten. Außerdem finden das ganze Jahr über an jedem 20. des Monats besondere Jubiläumsveranstaltungen statt.
Wagen wir einen Blick in die Zukunft: Was sind Ihre Visionen und Pläne für das MiK?
Ich möchte das MiK noch stärker als offenen Raum positionieren, der innovative Impulse für künstlerische und gesellschaftliche Debatten bietet. Ein Museum soll nicht nur ein Ort der stillen Kontemplation sein, sondern Möglichkeiten der Diskussion bieten. Hierzu gehört auch die weitere Vernetzung vor Ort und auf internationaler Ebene. Einige wunderbare Kooperationen konnten wir im letzten Jahr bereits initiieren, die wir in Zukunft fortführen und intensivieren werden. Für die kommenden Jahre ist ein vielseitiges, spannendes Ausstellungsprogramm in der Mache, das immer wieder neue Perspektiven auf die Kunst ermöglicht, die Schätze unserer Sammlungen hervorhebt und ebenso den weltweiten Kunstentwicklungen nachspürt.
Von der ersten Idee bis zur finalen Ausstellung ist es ein langer Weg – wie ist der Ablauf hinter den Kulissen, bis sich die Türen für die Besucherinnen und Besucher öffnen?
Der fertigen Ausstellung sieht man oft nicht an, wieviel Arbeit und Vorbereitungszeit tatsächlich darin stecken – und wieviele verschiedene Personen involviert sind, um solche Projekte umzusetzen. Dazu braucht es Kurator/innen, Künstler/ innen, Leihgeber/innen, Restaurator/innen, Techniker/innen, Transporteur/innen, Handwerker/ innen, Grafiker/innen, Kunstvermittler/innen, Pressesprecher/innen,... eine Ausstellung ist immer ein großes Gemeinschaftswerk, und das ist letztlich auch das Schöne an diesem Format.
Verraten Sie unseren Leserinnen und Lesern abschließend noch Ihre persönlichen Lieblingskünstler bzw. -künstlerinnen?
Das ändert sich immer wieder, da es so viele spannende künstlerische Positionen gibt. Zurzeit setze ich mich intensiv mit Hannah Höch auseinander, die ein unvergleichliches Werk geschaffen hat, das über alle Gattungsgrenzen hinweg besteht und in ihrer Zeit eine echte Vorreiterrolle eingenommen hat – angefangen mit ihren dadaistischen Arbeiten in den 1920er Jahren bis hin zu surrealistischen Tendenzen nach 1945. Ihre Ausstellung ab Juni bietet dem Publikum einen breiten Einblick in den Facettenreichtum dieser Ausnahmekünstlerin.
Eine großartige Entdeckung ist für mich auch die Würzburger Künstlerin Gertraut Rostosky, die weit über die Region hinaus eine wichtige Rolle in der Kunst spielte. Sie schuf nicht nur ein bemerkenswertes künstlerisches Werk, sondern brachte auch zahlreiche renommierte Künstler und Künstlerinnen nach Würzburg, die sie auf dem „Gut zur Neuen Welt“ besuchten und dort arbeiteten – darunter auch Erich Heckel und Otto Modersohn.
20 Jahre Museum im Kulturspeicher - Die Programm-Highlights:
5. Februar – 15. Mai: Landschaften im Licht. Der Impressionist Ludwig von Gleichen-Rußwurm
11. Juni – 4. September: Hannah Höch. Abermillionen Anschauungen
25. + 26. Juni: Wochenende der offenen Tür für alle. Führungen, Workshops, Tanz, Musik, Kabarett
1. Oktober – 15. Januar: Konkreter Widerstand. Konstruktivismen des globalen Südens
21. Oktober: Lange Kulturspeichernacht
26. November – 19. März: Michael Müller. Intervention in der Städtischen Sammlung