© Ben Wolf / Universal Music
Julia Engelmann
Am 29.9.2018 fand Julia Engelmann ihren Weg ins Würzburger Congress Centrum. FRIZZ hatte im Vorfeld die Gelegenheit, ein paar Worte mit ihr zu wechseln.
Wann hast du angefangen, deine Gedanken aufzuschreiben?
Ich glaube schon in der Grundschule, aber wenn man mich da gefragt hätte, hätte ich eher gesagt, ich schreibe mal einen Roman. Mit den Gedichten habe ich mit 15 angefangen und richtig aufgeschrieben habe ich sie mit 17.
Hilft dir die Poesie in bestimmten Lebenslagen?
Es ist eine Möglichkeit, mich auszudrücken und auch Klarheit über Dinge zu gewinnen, meine Ansichten kennenzulernen und zu formen. Ich lerne mich darüber kennen und finde daraus einen Blick auf die Dinge.
Du hörst gerne Musik beim Texten, was läuft da so?
Ich höre wirklich alles Mögliche, z.B. zeitgenössische Klaviermusik. Ich mag Max Richter und Nils Fram. Ich höre aber auch gerne so etwas wie Dancing in the Moonlight oder Tracey Chapman. Ich mag auch Maggie Rogers oder Alt-J, also super Querbeet.
Was ist deine größte Inspiration?
Meine größte Inspiration ist wahrscheinlich der Antrieb und der Wunsch, in allem etwas Schönes zu sehen und etwas aus meiner Zeit zu machen. Inhaltlich sind die Inspirationen oft zwischenmenschliche Dinge, die ich nicht verstehe. Bei mir selber oder bei anderen, die ich beobachte und zu denen ich noch etwas zu sagen habe, weil der Alltag nicht immer genauso klappt wie ich es mir vorstelle. Ich hab nicht immer die beste Antwort parat oder den schönsten Rat, aber wenn ich ein paar Dinge sacken lasse und mir Zeit nehme, darüber zu schreiben, dann komme ich oft auf andere Dinge.
Hast du beim Schreiben eine bestimmte Herangehensweise?
Der gemeinsame Nenner ist der, dass es immer mit einem kleinen Gedanken anfängt. Es braucht dann aber Zeit und Disziplin um etwas fertig zu schreiben und dann sammle ich alles in einem Word Dokument und einem Notizbuch, was mir dazu einfällt. Dann sortiere ich das vielleicht nach Themenbereichen und habe dann in der Regel verschiedene Absätze, wie so kleine Mini Workshops, an denen ich dann schreibe und pro Zeile mehrere Möglichkeiten habe. Und so arbeite ich mich vor.
Fällt dir beim Schreiben irgendetwas besonders leicht oder schwer?
Ich schreibe wahrscheinlich immer einfach Sachen, die mir leicht fallen. Am Schwersten finde ich das, was ich mir in meinem Kopf vorstelle, oder das, was ich fühle, in Worte umzusetzen. Das ist natürlich keine konkrete Antwort, aber oft ist es so ein Gefühl für ein Gedicht oder eine Idee. Die ist ganz leicht, ganz groß und super – aber dann daran zu bleiben und es umzusetzen, das finde ich schwer.
Hast du einen Lieblingsort zum Schreiben?
Ich schreibe gerne im Zug. Ich mag es, wenn ich draußen bin und mich bewege, aber nirgendwo hin muss, außer sozusagen auf dem Sitz zu sitzen. Ich schreibe auch gerne an meinem eigenen Schreibtisch. Ich glaube aber, es gibt keinen physischen Ort, wo ich am liebsten bin, sondern eher so etwas wie einen inneren Ort. Ich brauche dann ein bisschen Zeit und Ruhe – und nicht einfach den Schreibtisch an sich.
Wie sieht denn dein Schreibtisch aus?
Er sieht meistens aus wie ein Tisch in einem Atelier oder im Kunstunterricht. Ich habe da ganz viele Skizzen und Stifte und hänge mir alles darüber auf, was mich inspiriert, Zitate, Bilder und Fotos. In einer Phase von einem Buch, so wie ich mich jetzt gerade darin befinde, liegt da alles Mögliche herum, wie in einer Werkstatt.
Hast du ein bestimmtes Vorbild?
Wahrscheinlich immer die Person, von der ich gerade etwas gelesen oder gehört habe. Es können aber auch Freunde von mir sein. Ein Vorbild ist für mich jeder, der eine Sicht auf die Dinge hat, die sehr ehrlich, klar, empathisch und motivierend ist.
Du beschreibst den „Stillen Poeten“ – Hast du eine persönliche Verbindung
zum „nicht gehört werden“, so wie du es in deinem Song Grapefruit
andeutest?
Ja, voll. Ich würde sagen, dass ich ein sehr stilles Kind war und heute auch noch ein stiller Mensch bin. Ich finde, es schließt sich auch nicht aus, dass man schreibt und auf die Bühne geht. Ich habe in einem Jugendtheater- Camp mal den Spitznamen „Stille Poetin“ bekommen und ich fand das unglaublich uncool, weil ich auf gar keinen Fall still und poetisch sein wollte. Da war ich elf oder so. Ich habe aber eine große Empathie und Wachsamkeit für Menschen, die vielleicht nicht die lautesten sind oder nicht als erstes ihre Meinung sagen. Nur weil man nicht laut redet heiІt das nicht, dass man nichts zu sagen hat.
Lässt sich dein Musikstil beschreiben? Und wenn ja, wie?
Ich würde ihn als poetisch beschreiben und das Spektrum ist von „man kann im Schneidersitz zuhören und mitträumen“ bis „man kann auch schunkeln und das Tanzbein schwingen“.
Eine Frage, die ich jedem Musiker stelle: Schreibst du zuerst den Text oder zuerst die Musik?
Für mich ist es immer erst der Text, so hat ja auch alles bei mir angefangen. Alle Lieder auf dem Album sind aus Gedichten entstanden, bis auf „Kleiner Walzer“, das ich direkt mit Musik geschrieben habe. Ich glaube, ich mag beide Herangehensweisen, mit den Texten, die für mich naheliegen.
Unterscheiden sich deine musikalischen Einflüsse beim Schreiben und Musizieren?
Nein, nicht unbedingt, glaube ich.
Konntest du eigentlich schon immer gut vor Menschen auftreten?
Ganz im Gegenteil, ich mochte das überhaupt nicht. Früher, wenn wir in der Schule vorlesen mussten und es der Reihe nach durchging, fand ich das immer schrecklich, obwohl man noch nicht mal aufstehen musste. Es hat bei mir wohl mit dem Jugendtheater angefangen. Als Kind hab ich schon immer gerne gespielt, aber immer nur in dem Rahmen, in dem ich mich sehr wohl gefühlt habe, wenn ich wusste, dass es jetzt in Ordnung ist. Und das ist auch das, was sich bis jetzt durchzieht, ich würde mich auch nicht in die Straßenbahn stellen und anfangen, irgendetwas zu erzählen. Dafür brauche ich einen geschützten Raum, in dem für alle klar ist, was jetzt passiert. Aber es hat sich extrem gewandelt über die letzten Jahre.
Du gehst ja bald auf eine lange Tour, wie sieht da dein Alltag aus?
Recht klassisch, in der Regel bewegt man sich ja dann an einem Tag von einer zur anderen Stadt und das erste, was wir dann immer machen – unser Team, meine Band und meine Eltern – ist, in ein Hotel einzuchecken. Dann kommt der Soundcheck und vielleicht noch ein Interview. Dann kommt die Show und danach signiere ich Bücher und plaudere mit den Menschen, bis keiner mehr möchte.
Wie bereitest du dich auf einen Auftritt vor?
Ich versuche sauber, gut gelaunt, gesund und konzentriert anzutreten und ich versuche mir noch einmal ins Gedächtnis zu rufen, was da gleich passieren wird. Auch noch bei dem 35. Auftritt gehe ich vorher auf jeden Fall noch einmal kurz die Reihenfolge der Texte und einige Passagen durch. Ich wärme meine Stimme auf, ich sehe zu, dass ich alles auf der Bühne habe, dass die Gitarre gestimmt ist, so alles Mögliche.
Was gefällt dir auf der Bühne am besten?
Am besten gefällt mir, dass das, was ich zu Hause am Schreibtisch schreibe, auf der Bühne zu einem Gemeinschaftsgefühl wird. Dass alle dort an diesem Abend, inklusive mir, das Gefühl haben können, nicht alleine zu sein.
Gab es einen besonderen magischen Moment?
Ganz viele. Ich habe schon öfter jemanden in der ersten Reihe sitzen sehen, wie er meinen Text mitspricht oder einen Song mitsingt. Auch wenn Menschen weinen, ein Paar die Hand drückt oder Eltern ihre Kinder liebevoll angucken, also wenn es etwas Schönes mit den Menschen macht, dann ist das magisch.
Welchen Tipp würdest du einem Dichter mit auf den Weg geben?
Man sollte so gut wie möglich seiner Intuition und dem Bauchgefühl folgen. In all dem, was man schreibt und wie man schreibt und wie man vorträgt.