© Christian Neubert
Eric Fish
Eric, ich sage dir, wie´s ist: Die Musik deiner Band findet in einer Nische statt, die ich – du kannst gerne sagen sträflicherweise – nicht verfolge. Jetzt habe ich mich aber für das Interview mit euch auseinandergesetzt. Den Sound, den ihr kreiert, hab ich dabei zwischen drei Pole verortet. Angesichts des Martialischen eurer Musik ist Rammstein der erste Pol. Nick Cave habe ich aufgrund des düsteren Grundtenors als zweiten Pol herausgestellt Und aufgrund deines sonoren Gesangs bilden die Comedian Harmonists den dritten Pol. Was meinst du: Habe ich euch damit ein Stück weit getroffen?
Wenn das die Eckpunkte eines Dreiecks sind, dann wäre das für uns das Bermudadreieck: Angesichts dieser Größen würden wir verschwinden. Deine Intention ist aber nicht verkehrt. Ein direkter Vergleich mit diesen Bands wäre jeweils Quatsch: Rammstein kann unserem textlichen Tiefgang nicht standhalten. Nick Cave ist von der Gothic-Attitüde und der Melodieführung mit uns verwandt, aber weniger vielfältig als wir. Und die Comedian Harmonists waren eine reine Spaßkapelle. Die Parallele im Gesang ist aber tatsächlich vorhanden – auch, wenn sie besser singen konnten als wir. Wir bewegen uns also schon zwischen einigen Aspekten, die diese Acts ausmachen. So betrachtet macht dein Pol-Modell also durchaus Sinn.
Bei euren Texten habe ich das Gefühl, dass sie nicht nur in ihrer jeweiligen Gesamtheit bedeutsam sind, sondern dass auch das einzelne Wort eine große Rolle spielt. Das merkt man, finde ich, anhand antiquierter und in ihrer Bedeutung sehr festgelegter Begriffe wie Veitstanz. Wenn man das vor Augen hat, kommt es einem komisch vor, dass ihr einen englischen Bandnamen habt. Ist diese Diskrepanz beabsichtigt?
Ich verstehe, dass du das so siehst. Das ist ein irreparabler Fehler, den wir in unseren Anfangstagen begangen haben. Damals haben wir Irish Folk mit E-Gitarren gekoppelt. Der Chef unserer ersten Plattenfirma hat uns das damals schon prophezeit. Er schlug uns vor, den Namen zu ändern, denn später würde es zu spät sein. Wir glaubten uns aber klüger, und nun ist es tatsächlich zu spät: Es stimmt, dass der Name eine Diskrepanz aufwirft. Allerdings existiert diese nur für Quereinsteiger, weil sich ein Bandname oft verselbstständigt. Für große Teile unsere Fanbase, die wir glücklicherweise haben, sind wir einfach nur die Sallys.
Ich frage auch daher, weil man bereits in euren Namen eine Haltung hineininterpretieren könnte. Gut: Sally steht bei euch ja stellvertretend für so etwas für das Licht am Ende des Tunnels. Und eine Subway bewegt sich nun mal im Tunnel. Gleichzeitig schwingt aber so´ne Underground-Haltung mit. Wolltet ihr euch die auf die Fahne schreiben?
Kann sein. Aber solch einen ursprünglichen Gedanken kann man oft gar nicht auf Dauer aufrechterhalten. Als Band macht man ja schließlich eine ständige Entwicklung durch. Unsere Entwicklung zog sich immer an einer nachdenklichen, dunklen Richtung entlang. Anfangs stand der Folk-Aspekt sehr im Vordergrund. Dann haben wir das Mittelalter-Ding fokussiert. Das haben wir nicht nur angeschoben, sondern auch erfunden. Davon haben wir uns aber relativ schnell wieder abgewendet, um schließlich in der Gothic-Szene zu landen. Da sind wir mit unseren recht intellektuellen Texten auch gut aufgehoben. Ein Goth-Publikum beschäftigt sich gerne und gründlich mit Inhalten. Goths sind – eventuell neben einem Metal-Publikum – wohl die einzigen, denen man so etwas Schwerwiegendes, anbieten kann. Dieses Schwere ist in mir und jedem meiner Mitmusiker verankert. Und ich glaube, dass wir mit unserer aktuellen Scheibe, die inhaltlich komplett auf Verbrechen festgelegt ist, diesbezüglich einen neuen Höhepunkt erreicht haben.
Das Konzeptionelle ist vermutlich schon von Anfang an euer Ding gewesen. Ihr mögt es, euch inhaltlich einem festgelegten Thema unterzuordnen, oder?
Ja, schon. Wir haben einige Alben, die so funktionieren, z.B. Engelskrieger, Nord Nord Ost und eben Mitgift, unser neuester Streich. Bei unseren anderen Alben ist der Rahmen aber nicht so eng gesteckt. Die sind schon breiter gefächert. Das sind in der Regel jene Alben, bei denen mehrere Bandmitglieder für die Kompositionen verantwortlich waren, da waren dann bis zu fünf Mann für´s Schreiben zuständig. Die konzeptionell festgelegten Scheiben beruhen meist auf den Ideen von einem oder zweier Bandmitglieder.
Auf meinen Rammstein-Vergleich hast du vorhin geantwortet, eure Texte wären tiefschürfender. Wenn man sich düsteren, morbiden Themen verschreibt, muss man wohl in die Tiefe gehen, damit die Umsetzung nicht billig im Sinne von effekthascherisch wird…
Ja, das ist Fakt. Aber, um mal bei Rammstein zu bleiben: Ich finde, was die machen, keinesfalls billig. Deren Genialität liegt in den relativ simplen Texten. Sie schaffen es, dass ihre textliche Reduzierung gut mit der Musik korrespondiert. Wir sind eben weder textlich noch musikalisch derart zurückgenommen. Wir haben mehr Worte und mehr Noten. In Sachen Rhythmik, musikalischer Vielfalt und textlichem Inhalt fahren wir viel auf, was unsere Musik schwerer konsumierbar macht. Wenn man unsere Musik insofern als konzeptionelles System begreift, dann ist das systemimmanent – resultierend aus unseren Möglichkeiten, Fähigkeiten und Vorlieben.
Entsprechend wird es wohl auch kein krasses Abweichen von eurem Erfolgsrezept geben. Immerhin bedient ihr ein Publikum, dass zwar beileibe nicht klein, aber dennoch ein Spartenpublikum ist.
Klar, wenn wir jetzt eine inhaltslose Spaß-Platte machen würden, dann würden wir unseren Fans vor den Kopf stoßen – mal abgesehen davon, dass wir – obwohl wir die Fertigkeiten dafür haben, uns auf diese Weise selbst belügen würden. Was wir aber gerne mal machen würden, ist, an den Rändern unserer Musik etwas auszufransen. Ich glaube wir könnten auch Musik-Hörer anderer Couleur in unser Boot holen – vor allem, wenn diese sehen, was bei uns live auf der Bühne passiert. Dass ist aber, nachdem es dabei um Fernsehwerbung oder so etwas geht, eine finanzielle Frage. Und in der Position sind wir nicht.
Wo wir beim Fernsehen sind: Ihr seid ja 2008 beim Bundesvision Song Contest für Brandenburg angetreten – und habt gewonnen. Ich habe von damals noch so ein Bild vor Augen, und zwar einen aufgrund eures Sieges fassungslos dreinschauenden Jan Delay, der sich vermutlich bereits als Sieger gesehen hat.
Da haben sich auch noch andere als Sieger gesehen. 2008 war der BVSC sehr stark besetzt. Neben Jan Delay und uns sind die Sporfreunde Stiller und Culcha Candela angetreten, also alles Bands, die in ihrer jeweiligen Ausrichtung Nummer-Eins-Bands sind. Die konnten das alle nicht fassen. Für mich war das der Sieg in einem sportlichen Wettbewerb – und natürlich ein geiles Gefühl. An den Sieg geglaubt habe ich aber schon auch. Im Nachhinein betrachtet ist das klar ein schöner Moment – aber eben auch nicht mehr. Es ist eine Momentaufnahme unter anderen.
Wie läuft das eigentlich, wenn ihr eure Alben produziert. Immerhin müsst ihr da aufgrund der großen Instrument-Bandbreite viel unter einen Hut bringen. Da gibt es sicher jemanden, der das Ruder in der Hand hat. Bist du das?
Nein.
Es ist euer Gitarrist Ingo.
Genau. Er hat diesmal große Unterstützung von unserem Drummer Simon erfahren, der innerhalb der sieben Jahre in unserer Band eine wahnsinnige Entwicklung durchlaufen hat. Die beiden haben sich gesucht und gefunden. Auch, wenn das jemand übertrieben findet: Die beiden sind Genies. Zum Genie-Sein gehört immer auch ein Stück Wahnsinn. Das hört man auf dem neuen Album ganz gewaltig. Sie haben gemeinsam ein grandioses Riff-Konzept ausgetüftelt und dazu Streicher-Sätze erfunden. Das geht so weit, dass sie sich für den Song „Grausame Schwester“, der sich auf einen Geschwistermord von vor etwa 500 Jahren bezieht, bei der orchestralen Komposition an der Satztechnik der damaligen Zeit orientierten. Sie haben beide Musik studiert und verfügen über eine grandiose Fachkompetenz. Und eine geniale Gabe bringt nichts, wenn man neben seinen handwerklichen Fertigkeiten nicht auch über Fachkompetenz verfügt. Von daher bin ich auch überhaupt nicht pikiert, wenn mein Einfluss auf die fertige Produktion im Gegensatz zu den beiden eher gering ist. Auch, wenn wir schon anders gearbeitet haben, z.B. unter Einbezug des Orchesters des Babelsberger Filmstudios für die Aufnahmen zu Nord Nord Ost: Es ist mir eine Freude und eine Ehre, mit solchen herausragenden Talenten zu arbeiten.
Euer Sound scheint mir demnach sehr konstruiert zu sein. Zeigt sich Genie aber nicht auch gerade im Unmittelbaren?
Durchaus, das stimmt. Das Unmittelbare zeigt sich bei uns z.B. in Form einer Melodie, die Volksliedcharakter hat bzw. die derart catchy ist, dass die Leute sofort mitsingen können. Wir haben viele Songs im Programm, die durch dieses Merkmal ausgezeichnet sind. Wenn also dergestalt Genie sich auch in den einfachen, unmittelbaren Sachen ausdrückt, dann erfüllen die beiden dieses Kriterium – auch auf der neuen Platte.
Jetzt möchte ich mal den Szenebegriff „Mittelalterrock“ ins Spiel bringen, unter den ihr oft noch lauft und von dem ihr euch ja emanzipieren wollt. Wie stehst du dazu, wenn ihr den nach wie vor aufgedrückt bekommt?
Wir haben bzw. durch uns wurde der Begriff ja erfunden. Wir waren die ersten, die mit Dudelsack auf die Bühne gingen und mit Quarten und Quinten – zumindest dem Anschein nach – mittelalterliche Klänge generierten. Davon wegbewegt haben wir uns, nachdem eine Menge anderer Bands auf diesen Trichter kamen. Bis dahin gab es zwar – ich sag jetzt mal: Mittelaltermarkt-Bands, die das Mittelalterliche akustisch umsetzten. Durch uns kamen die aber dann auf die Idee, sich damit auf eine Rockbühne zu wagen. Dadurch ist diese Schublade dann geöffnet worden. Die Journalisten haben dann – oft sind sie eben zu faul – es versäumt, für uns eine neue Schublade anzulegen. Somit ist der Begriff eben für uns bestehen geblieben – auch, wenn ich jedem sage, dass ich ihn selbst nicht mehr gerne höre. Er ist einfach zu groß gegriffen. Wer ein Etikett braucht, soll es Gothic Metal nennen.
Du verzichtest heute ja auch fast gänzlich auf den Dudelsack.
Ja, der ist inflationär geworden. Früher hat mich das fasziniert, aber das Feuer ist erloschen – auch, wenn ich einen neuen Lieblingsdudelsack habe. Einen irischen, die Krone der Dudelsackschöpfung. Ansonsten sind bei uns zwar nach wie vor Drehleier, Geige und Flöten vertreten. Da geht´s uns dann aber nicht um einen mittelalterlichen Klang, sondern überhaupt um Klang. Wir beziehen sie aus dem gleichen Grund mit ein, mit der wir auch mit unterschiedlichen Laustärke-Dynamiken arbeiten, was sich z.B. dann zeigt, wenn nach ruhigeren Passagen das Metal-Gewitter losbricht.
War Metal die Basis, auf der sich Subway To Sally zu dem entwickelt hat, was es wurde und ist? Oder anders gefragt: War Metal das Ding, dem ihr ursprünglich nacheifern wolltet?
Es war eher unsere musikalische Entwicklung an sich, die uns zu dem formte, was wir heute sind. Und überhaupt: Gab es Anfang der Neunziger überhaupt schon Metal?
Ich würde sagen, Metal begann mit Black Sabbath.
Meinst du? Die waren doch fast schon poppig.
Heute empfindet man das wahrscheinlich so, aber damals war das doch der Gipfel an Härte. Sogar Creedance Clearwater Revival wurde ja seinerzeit als „des Teufels“ empfunden.
Richtig, das stimmt schon.
Naja, halten wir uns nicht mit Gattungsbegriffen auf. Gerade hatten wir´s ja noch von Dudelsäcken. Ist es richtig, dass du deinen ersten selbstgebaut hast?
Mitgebaut zumindest. Das war damals noch zu DDR-Zeiten. Der Geiger meiner Folk-Band, in der ich damals spielte, konnte Baupläne besorgen. Es war ein Sprung ins kalte Wasser, inklusive viel Herumprobieren und Schnitzen. Irgendwann aber spielte das Ding.