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Anfang Juli haben die Initiative Gründen@Würzburg und die Wirtschaftsjunioren zum siebten Mal den Würzburger StartUp-Preis verliehen. Sieger in der Kategorie Local Hero wurde Stefan Dietrich mit seinem Unternehmen velocity, das für nachhaltige Mobilitäts- und Transportlösungen rund ums Fahrrad steht. Wir sprachen mit dem Gründer u.a. über seine Geschäftsidee, den späten Weg in die Selbstständigkeit und Fahrradfahren in Würzburg.
Erstmal Glückwunsch zum ersten Platz beim Start-Up-Preis! Wie lange gibt es die velocity GmbH schon und was genau verbirgt sich dahinter?
Vielen Dank für die Glückwünsche! Die Gründung von velocity war im März 2021. velocity – und meine Marken mobivelo und cargovelo – fasst nachhaltige Mobilitäts- und Transportlösungen rund um Fahrräder und eBikes zusammen. mobivelo ist die mobile Fahrradwerkstatt, bei der ich mit meinem eLastenrad zu den Kundinnen und Kunden nach Hause oder ins Büro komme. Ich bin hier in der Würzburger Innenstadt und Umgebung unterwegs und biete mobilen Service, Wartung und Reparatur von Fahrrädern, eBikes und Lastenrädern an. cargovelo hingegen hat seinen Schwerpunkt im Handel. Hier dreht sich alles um Beratung, Verkauf und Verleih von Lastenrädern für Firmen- und Privatkunden.
Die mobile Fahrradwerkstatt ist eine Innovation für Würzburg. Wie wird das Ganze von den Bürgerinnen und Bürgern angenommen und was sind die Vorzüge im Vergleich zu niedergelassenen Werkstätten?
Die Würzburger Radfahrenden freuen sich sehr über meinen Service. Ich bekomme viel positives Feedback und tolle Bewertungen. Sie schätzen den Komfort, dass die Werkstatt zu ihnen nach Hause oder an den Arbeitsplatz kommt. Verglichen mit niedergelassenen Werkstätten, sparen meine Kunden Zeit und Aufwand und müssen nicht längere Zeit auf ihr Rad verzichten, weil es in der Werkstatt auf die Reparatur wartet. Mittlerweile habe ich rund 1.000 Räder wieder fit gemacht und bin dabei ca. 10.000 Kilometer geradelt. Durch diese neuen Prozesse und smarte Logistik bin ich auch schneller und flexibler, was die Termine angeht. Manche Werkstätten vermitteln mir sogar Kunden, wenn ihre Kapazitätsgrenze erreicht ist.
Lastenräder kommen bisher – so scheint es – eher bei jungen Familien oder Kurierdiensten zum Einsatz. Für wen lohnt sich deiner Meinung nach die Anschaffung oder Miete eines Lastenrades?
Das ist auch meine Wahrnehmung – zumindest was Würzburg angeht. In anderen Städten gibt es da schon deutlich mehr B2B-Modelle, wie z.B. Last Mile City Logistik mir Lastenradflotten. Es gibt für fast jeden Einsatzzweck das richtige Lastenrad, da das Angebot ständig wächst. Das lohnt sich doppelt: Auf der Kostenseite und für Umwelt und für das Klima. Geld sparen und CO2-neutral unterwegs sein, das ist schon extrem toll. Bei cargovelo beraten wir neben Privathaushalten vor allem Gewerbetreibende.
eBikes sind für jede Menge Bereiche interessant: Für Handwerker, die in der Innenstadt keinen Parkplatz mehr suchen wollen, für Gemeinden, die ihren Bürgern einen kostenlosen Lastenrad-Verleih zur Verfügung stellen möchten, für Geschäfte mit mehreren Filialen, die regelmäßig Güter transportieren oder auch Therapie-Räder für Menschen mit Behinderung. Für Familien hat cargovelo natürlich auch neue Lastenrad-Konzepte im Portfolio. Zusammengefasst: Ein Lastenrad lohnt sich einfach für alle, die sich künftig nachhaltig und umweltschonend fortbewegen und vielleicht sogar das Auto gegen ein Rad eintauschen möchten.
Mit dem Programm „Lastenpedelec“ fördert die Stadt Würzburg jährlich den Kauf von Lastenrädern. Für 2022 ist die Antragsfrist bereits abgelaufen. Gibt es noch weitere Möglichkeiten der Bezuschussung?
Aktuell gibt es leider keinen Topf, was ich sehr bedauere. Eine Förderung ist derzeit nur für B2B über die BAFA möglich, die für Unternehmen sehr attraktiv ist. So bekommt man für berechtigte Lastenräder und -anhänger 25 % von bis zu 10.000 Euro als direkten Cashback vom Staat zurück.
Du warst bis Ende 2020 im Bereich Management und Sales fest angestellt – wie kam es dazu, dass du dich in die Selbständigkeit gewagt hast?
Thematisch bin ich nicht ganz raus. Vieles meiner täglichen Arbeit sind Vertrieb, Marketing und Kommunikation. Meine Erfahrung hilft mir da enorm. Ich habe das über 30 Jahre gemacht und hatte ein- fach Bock etwas Sinnvolles zu machen – weg von der reinen Kopfarbeit. Jetzt sehe ich das Ergebnis meiner Arbeit jeden Abend und das macht mich sehr zufrieden. Das Thema Fahrrad war eh schon lange auf meiner Agenda, da mir bewusst war, dass es mit unserer Auto-Zentriertheit so nicht weiter gehen kann. Lebenswerte Städte werden autofrei sein.
Laut eigener Aussage bedienst du nicht das Klischee vom „jungen und hippen StartUp-Typen“. Wo siehst du die Vorteile, wenn man mit Ü50 nochmal was eigenes auf die Beine stellt?
Da fällt mir spontan das Thema Erfahrung ein. Aber auch die Gelassenheit und dass man sich nichts mehr beweisen muss, helfen immens. Zudem habe ich ein großes Netzwerk, das für meinen Start auch sehr hilfreich war.
Würzburg ist nicht grade für seine Fahrradfreundlichkeit bekannt. Wie sind deine Erfahrungen diesbezüglich und was könnte die Stadt deiner Meinung nach noch verbessern?
In kleinen Schritten tut sich schon etwas. Aber es ist noch ein „long-way-to-go“. Es fehlt meiner Meinung nach ein klares Konzept und auch eine Lobby. Viele meckern, aber es fühlt sich keiner in der Verantwortung, etwas zu unternehmen. In anderen Städten gibt es Initiativen, die das voranbringen. Wer sich da jetzt angesprochen fühlt, kann sich gerne bei mir melden. Bezeichnend ist auch, dass die vakante Stelle des Radverkehrsbeauftragten in Würzburg mangels Bewerbern seit Monaten nicht besetzt werden kann.
Fortschreitender Klimawandel, steigende Spritpreise, mehr Bewegung – Gründe auf's Fahrrad umzusteigen gibt es mehr als genug. Ist eine Trendwende in der Mobilität für dich bereits erkenn- und spürbar?
Ja, sehr deutlich. Wenn es nach mir ginge, könnte es natürlich schneller gehen. Letztes Jahr wurden fast 5 Millionen neue Räder verkauft mit einem Plus von über 60 % bei den Lastenrädern. Und mittlerweile nutzen fast ein Viertel der Deutschen das Rad für den Weg zur Arbeit und für Kurzstrecken. Die Schattenseite: Eklatanter Fachkräftemangel in Handel und Werkstatt bremsen den Aufschwung und führen schnell wieder zur Immobilität, da bald niemand mehr diese Räder reparieren will, kann oder darf.
Lange haben eBikes ein Nischendasein in der „Seniorenecke“ gefristet. Inzwischen sind sie dem Klischee entwachsen und für viele Menschen ein Ersatz für Auto und Co. Wie siehst du die Gegenwart und Zukunft des eBikes?
Das eBike ist mittlerweile der Gold-Standard. Die Nischen sind eher hochwertige Rennräder und MTBs ohne Motor, so schaut’s aus. Hinzu kommen immer mehr Lösungen, die tatsächlich ein KfZ ersetzen können. Sowohl im Lasten- als auch im Personentransport. Manche sogar vierrädrig und mit Kabine – die gelten per Gesetz immer noch als Fahrrad.
Dass du selbst leidenschaftlicher Fahrradfahrer bist, steht außer Frage. Steigst du nach einem normalen Arbeitstag auch noch privat in den Sattel und welche Art Bike bevorzugst du in dem Fall?
Ganz ehrlich? Nach acht bis zehn Stunden auf dem Werkstatt-Lastenrad steht mir der Sinn nach etwas Anderem. Aber am Wochenende steige ich dann gerne auf mein eMTB oder Gravelbike. Im normalen Alltag nutze ich auch ein eLastenrad als Autoersatz.