Torch ist so etwas wie der deutsche Hip Hop Prototyp. Er gilt als einer der allerersten MCs, der Rap in deutscher Sprache auf die Bühne brachte, schuf mit seiner Crew Advanced Chemistry die wegweisende LP „Fremd im eigenen Land“ und hat im Laufe seiner Karriere viele Jams zwischen Kiel und Biel besucht – u.a. die erste Würzburger Osterjam anno 1994. Zur Osterjam Reloaded kommt er zurück, mit Toni L, seinem Partner in Rhyme, und vielen mehr. Wir sprachen vorab mit ihm – über Plutonium, Hip Hop Tugenden und eventuelle Spätwerke.
Hip Hop hat sich seit seinen Anfangstagen enorm gewandelt. An seiner deutschen Geschichte hast Du von Beginn an mitgeschrieben. Wie nimmst Du diese Entwicklung wahr?
Hip Hop ist einfach riesengroß geworden, Rap ist heute wahrscheinlich die in Deutschland meistgehörte Musik. Man bekommt längst nicht mehr alles mit von dem, was so passiert. Aufgrund der hohen Nachfrage muss man heute als Künstler auch mal absagen, weil man schon verbucht ist. Insgesamt ist das natürlich gut.
Verfolgst Du im Rap noch die neuesten Entwicklungen?
Nein, ich verfolge das nicht, das muss ich auch nicht. Ich finde nicht, dass die Leute von früher alles von heute wissen müssen – genauso wenig wie die Leute von heute alles von früher wissen müssen. Wenn man Hip Hop liebt, dann findet man die Sachen, die einem gefallen – und die Leute, mit denen man diese Sachen zelebrieren kann. Wenn ich heute Konzerte gebe, dann denke ich immer, es kommen die, die früher schon da waren. Dabei sind da immer ganz viele junge Leute, die dann auch noch die Texte können. Das ist super.
Gerade auch der Frauenanteil ist deutlich gestiegen, oder?
Defintiv, der war früher sehr überschaubar. Mittlerweile kommen viele Frauen, die kennen das auch gar nicht anders, die sind mit Rap aufgewachsen. Ich glaube, dass das alle unterschreiben würden, die von Anfang an dabei waren, frag MC Rene oder Toni L!
Rap findet heute auch stark im Internet statt – und gleichzeitig kaum noch in der Cypher. Würdest Du sagen, dass Rap bzw. Rappen heute weniger physisch ist?
Ja, das kann schon sein. Das Internet hat eben nicht nur Sachen größer gemacht, sondern auch neue Facetten beigefügt. Heute kannst Du an Competitions teilnehmen, ohne physisch vor Ort zu sein. Früher musstest Du Dich auf die Bühne trauen, Dich präsentieren – und überleben. Heute kannst Du ein Video hochladen, alle dissen – und keiner erwischt Dich. Aber am Ende des Tages kommen die Leute dann doch auf die Party und wollen Dich live erleben. Ich denke, das physische Moment eines Konzerts, eines Breakdance Battles oder einer Jam kann das Internet nicht ersetzen.
In „Kapitel 1“ hast Du 1992 gerappt: „Jede Sau erzählt mir heutzutage, was Hip Hop ist“. Will Dir auch heute noch manchmal jemand erzählen, was Hip Hop ist?
Einerseits ist Rap und Hip Hop als ganzes sehr viel mehr im Mainstream verankert und hat hier und da neue Definitionen bekommen, die vielleicht gar nichts mehr mit dem zu tun haben, was man früher mit ihm assoziiert hat.Gleichzeitig ist Hip Hop aber viel tiefer geworden – in dem Sinne, dass sich heute auch Universitäten für ihn interessieren. Es gibt Hip Hop Forschung, die ich ja auch selbst betreibe. Es passiert eben vieles gleichzeitig, was ich als sehr spannend empfinde.
Was ist aus der alten Hip Hop Tugend „Each one, teach one“ geworden, wenn er heute auch an Universitäten gelehrt wird?
Die hat sich verlagert. Durch das Internet bist Du einfach bestens vernetzt.Man ist heute nicht mehr auf die zwei, drei Leute angewiesen, die es bei einem im Ort gab, die einem die Sachen gezeigt und beigebracht haben. Aber letztendlich, nachdem Du Dir das Wissen angeeignet hast, triffst Du Dich dann doch wieder mit echten Menschen, mit denen Du Dein Wissen und Dein Können teilen und ausleben kannst. Genauso, wie man z. B. ins Fußballstadion oder zum Stammtisch geht.
In Deiner Heimatstadt Heidelberg existiert ein Hip Hop Archiv, dem Du zahlreiche Originalexponate aus Deiner Karriere gestiftet hast. Gibt es da so etwas wie ein Kernstück?
Das Projekt ist noch nicht abgeschlossen, das ist noch in Arbeit. Es gibt durchaus viele Interessenten, wir sind mit der Stadt Heidelberg und mit der Universität an der Geschichte dran. Für die Popakademie in Mannheim habe ich mal etwas Ähnliches kuratiert, ein Hip Hop Symposium. Das war die größte Veranstaltung, die bis dahin an der Popakademie stattfand. Aktuell bin ich als Hip Hop Spezialist für ein Symposium an der Universität in Hongkong geladen. Das sind so die Sachen, die ich mache, wenn ich nicht gerade die Bühne rocke.
Neben dem ersten Würzburger Osterjam feiert auch Dein Label 360°Records heuer seinen 25. Geburtstag…
Genau, wir planen da auch eine größere Anniversary Jam – und wollten eigentlich gar nicht viele andere Events außenrum machen. Für die Würzburger Osterjam machen wir aber gerne eine Ausnahme. Das ist ein magischer Umstand, dass die erste Osterjam und 360° Records beide 25 Jahre alt werden – zumal die Osterjam immer sehr wichtig war. Sie war als regelmäßige Veranstaltung ein Fixpunkt für die Szene, um sich zu treffen und um sich präsentieren zu können. Es ist toll, dass die Organisatoren den 25. Geburtstag feiern, weil wir ja sonst bestimmt nicht so geballt nach Würzburg kämen.
Erinnerst Du Dich noch an einen besonderen Moment der ersten Osterjam?
Ja, zunächst einmal fiel damals schnell auf, dass das ne richtig große Sache wird, im Gegensatz zu den vielen kleineren Jams, die damals stattfanden. Ich habe im Grunde nur positive Erinnerungen. Selbst wenn damals Leute von der Bühne gefallen sind, erinnert man sich heute mit einem Lachen daran. Es hat immer viel Spaß in Würzburg gemacht. Daran wollen wir dieses Jahr anknüpfen. Und auch, wenn ich als DJ Haitian Star geladen bin: Ich werde sicher auch rappen. Damit es richtig abgeht.
Von wegen „sicher auch rappen“: Gilt das eventuell auch für ein neuesAlbum? Für ein Spätwerk, einem Nachfolger für „Blauer Samt“? Brodelt da was?
Ach, es brodelt immer viel, aber ich würde mich da nicht festlegen wollen. Ich habe mich ja auch nie als Rapper gesehen, sondern als Hip Hopper, der eben alles Mögliche macht, der auflegt, Jams veranstaltet, was auch immer. Mal sehen, vielleicht komme ich dann mit nem neuen Album, wenn überhaupt niemand mehr damit rechnet.
Es erscheint dann parallel zur STF LP…
Hehe, genau.
Eins noch zum Schluss:„Torch, die Fackel, 80 KilogrammPlutonium“ – aus was bestehen die übrigen Kilos?
Die Zeile ist schon etwas älter, damals waren es tatsächlich 80 Kilogramm. Mittlerweile ist es halt…etwas mehr Plutonium.