© Nada Lottermann
Wirtz
Am 13.11.2018 war Daniel Wirtz im Rahmen seiner ,,Die fünfte Dimension’’-Tour in Würzburg. Wir hatten vorher die Chance ihm ein paar Fragen zu stellen.
Du bist ein sehr strukturierter Mensch, der meinte, er braucht diese festen Tagesabläufe, besonders vor Touren. Hast du ein bestimmtes Ritual bevor du auf die Bühne gehst oder bevor du im Studio zur Aufnahme startest?
Die Antwort ist jetzt natürlich ein bisschen spießig, aber mein Lieblingsritual heißt: Gut vorbereitet sein. Das gilt vor Touren, aber auch vor Studioaufenthalten. Die Leute bezahlen gutes Geld für Alben und Tickets, da haben sie es einfach verdient, dass die Musiker komplett am Start sind. Das ist auch der Anspruch an mich selbst, ich ärgere mich über Fehler auf der Bühne sehr und kann sowas immer schwer mit einem "Ach, ist halt Rock´n´Roll" weg wischen, auch wenn die kleinen Unwegbarkeiten dann ja am Ende meistens die Würze in einer Show sind. Vor den Gigs bereiten wir uns also individuell so vor, dass wir jeden Abend den besten Gig spielen können, den wir als Band drauf haben. Für den Abschluss der Vorbereitung haben wir einen ungeheuer komplexen internen Bandhandshake entwickelt - danach geht es dann los. (lacht)
Wo liegen deine musikalischen Präferenzen? Spielst du lieber live oder bevorzugst du es im Studio zu stehen und aufzunehmen?
Ich bin gerne im Studio, aber live ist natürlich da, wo die Magie passiert. Was wir in unseren Songs erzählen, ist ja sehr ehrlich, sehr intim. Und den Leuten dabei in die Augen zu schauen, zu erahnen, was unsere Musik auslöst, ist schon sehr, sehr besonders.
Nach mittlerweile über 10 Jahren im Musikgeschäft, wie hat sich das Touren im Laufe der Jahre verändert? Lebt man heute immer noch das Rockerleben in vollen Zügen, oder werden die Touren mittlerweile eher entspannter?
Ganz klar: Das Touren hat sich verändert über die Jahre. Früher ging es im Sprinter von Stadt zu Stadt, heute leisten wir uns einen schönen Nightliner, das macht es schon mal deutlich entspannter. Das geht auch nicht anders, denn wir fahren inzwischen deutlich längere Touren als noch vor 5,6 Jahren. Deshalb ist auch Disziplin das oberste, selbstauferlegte Gebot. Alkohol auf Tour verbiete ich mir weitestgehend selbst, nach den Gigs geht es in der Regel direkt in den Bus und ab in die Koje. Das ist schade, denn ich vermisse die Gespräche mit den Leuten nach den Konzerten am Merchstand oder an der Bar, aber es ist leider aus Gründen der Vernunft einfach nicht mehr drin, vor allem, wenn wir jetzt im November und Dezember unterwegs sind. Würde ich es heute noch so handhaben, wie vor ein paar Jahren - Konzert spielen, dann Bier und Sambucca mit den Leuten und drei, vier Stunden später mal langsam in die Koje - wäre die Tour im Herbst nach drei Shows vorbei. (lacht) Lange Rede, kurzer Sinn: Ja, es ist anders geworden.
Deinen größten Hit hattest du mit dem Song ,,Wenn sie diesen Tango hört’’, einem Cover der Band Pur. Gab es für dich früher Bands oder Künstler, die dich dazu gebracht haben zu sagen: ,,Das will ich auch machen!’’?
Klar, es gab früher eine ganze Reihe Bands, die ich angehimmelt habe und die dafür gesorgt haben, dass ich mit einer Gitarre in der Hand auf holländischen Marktplätzen für ein paar Frikandel Musik machte - immer mit dem festen Vorsatz, auch mal auf einer "echten" Bühne zu stehen. Nirvana, Pearl Jam, Soundgarten, Rage Against The Machine oder die Smashing Pumpkins, das waren früher die Vorbilder. Pur standen da allerdings - sorry, Hartmut - nicht mit auf der Liste. (lacht)
Gäbe es eine Band oder einen Künstler mit dem du unbedingt mal zusammen arbeiten wollen würdest, wenn du freie Wahl hättest?
Mein Credo lautet in schwierigen Situationen: "Was würden Kurt und Eddie tun?" Kurt Cobain und Eddie Vedder sind große Idole, Nirvana und Pearl Jam haben damals alles für mich bedeutet. Kurt ist seit vielen Jahren tot, bleibt also nur noch Eddie. Die Wahl würde also natürlich auf ihn fallen. Andererseits: Das wäre schon verdammt einschüchternd. Aber ich würde es gerne mal versuchen.
Nach deinem Auftritt bei ,,Sing meinen Song’’, kann man da sagen, dass der Mainstream endgültig auf dich aufmerksam geworden ist? Würdest du sagen, dass sich die Atmosphäre bei deinen Gigs seitdem, durch die neuen Fans, verändert hat?
Klar, "Sing meinen Song" hat uns mal eben Woche für Woche bei zwei Millionen Menschen auf den Radar gebracht. Das hat schon eine Menge verändert. Ob sich die Atmosphäre verändert hat? Ja und nein. Man hat bei der Tour nach der Sendung schon gemerkt, dass viele neue Leute - ich mag das Wort "Fans" nicht - gekommen sind, um sich die Sache erstmal anzuschauen. Bei den ersten Dates der "Die fünfte Dimension"-Tour hat sich das dann wieder ein bisschen gelegt. Viele "Neue" sind geblieben und in den letzten zwei Jahren auch schon zu alten Hasen geworden, andere haben bei uns vielleicht nicht das gefunden, wonach sie gesucht haben. Was natürlich okay ist. Also: Die wunderschöne 2015er-Tour war für alle ein großes Trainingslager für 2018! (lacht)
Du hast mittlerweile von kleinen Clubs bis hin zu Rock am Ring gespielt. Ist dir die intimere Stimmung in kleinen Locations lieber, wo dich jeder kennt, oder das große Publikum, bei dem du vielleicht noch nicht so bekannt bist und dich noch beweisen musst?
Am wichtigsten ist für mich, dass Leute im Publikum stehen, die gerne zuhören. Und wenn du merkst, dass du nicht einfach nur vor dich hin spielst, sondern dass auch etwas rüber und dann wieder zurück kommt. Dann ist es am Ende nicht so wichtig, wie viele Menschen vor der Bühne stehen. Club oder Festival? Es ist toll, beides machen zu können. Im Herbst oder im Frühjahr schöne enge Clubs mit ganz viel Atmosphäre und dann im Sommer immer wieder von tollen Menschen auf tolle Festivals eingeladen zu werden.
Du warst schon in ganz Deutschland unterwegs, welche Stadt ist dir persönlich am liebsten, um dort zu spielen?
Da kann es nur eine Antwort geben: Wirtzburg natürlich! (lacht) Spaß beiseite. Heimspiele in Frankfurt sind natürlich immer etwas Besonderes, die Shows im Ruhrpott oder in Berlin, wo inzwischen immer die meisten Menschen kommen. Es gibt aber in der Wirtz-Historie auch ein paar Städte, die man eigentlich nicht so auf dem Schirm hat, wo es aber auch immer schön ist. Lübeck und Flensburg zum Beispiel. Und natürlich auch Würzburg, das ja auch schon recht früh auf unserem Tourplan stand, ich glaube 2011 waren wir zum ersten Mal bei euch im Alten Postbahnhof, ich erinnere mich noch an das Konzert. Und 2015 war der Postbahnhof dann restlos ausverkauft. Schon wieder eine spießige Antwort: Ich spiele überall da gerne, wo die Leute sich auf uns freuen. Sorry. (lacht) Es kommt aber gar nicht so darauf an, wie viele dann am Ende vor der Bühne stehen.
Was war dein persönliches Lieblingskonzert, bei dem du selbst live dabei warst?
Klare Antwort: Pearl Jam im Hyde Park in London. Das zu toppen wird schwer.
Wenn es etwas gäbe, was du an deiner Karriere rückwirkend verändern könntest, was wäre es und würdest du es tun?
Oh Gott, die Antworten werden immer langweiliger. (lacht) Nichts würde ich ändern. Das, wo wir heute mit WIRTZ stehen, ist ja die Summe aller Entscheidungen, die wir in den letzten gut zehn Jahren getroffen haben. Und wir fühlen uns sehr wohl damit, wie es jetzt ist. Natürlich haben wir nicht nur ultrasmarte Entscheidungen getroffen, aber jede falsche Abzweigung führte irgendwann wieder auf den richtigen Weg zurück. Wir können tun und lassen, was wir wollen, wir haben tolle Menschen, die unsere Musik hören und fühlen und seit Tag 1 die Werbetrommel für uns rühren. Wer weiß, manche vermeintlich "richtige" Businessentscheidung hätte uns dem Haus am Meer wahrscheinlich deutlich näher gebracht, der Preis wäre aber wohl die Aufgabe unserer künstlerischen Freiheit und eine Entfremdung von den Leuten, die uns schon so lange begleiten. Das wird es nie wert sein.