© Patricia Wuske
Einen Raum für Begegnungen, Toleranz und Teilhabe schaffen – das ist die Vision von Sozialpädagoge Steven Henze, der im Frühjahr in der Würzburger Innenstadt das barrierefreie Café Senza Limiti eröffnen wird. Menschen mit und ohne Behinderung werden dort künftig zusammenarbeiten. Der Name ist dabei Programm: senza limiti, grenzenlos. Wir sprachen mit Steven über die Gründung seines Cafés, Inklusion am Arbeitsplatz und darüber, wie sie gelingen kann.
Dein Café soll ein barrierefreier Treffpunkt für alle werden, damit bringst du die Teilhabe von Menschen mit Behinderung voran. Wie entstand diese Idee?
Während meines Studiums habe ich längere Zeit in Italien, u.a. in Sizilien, gelebt und dort auch meine Leidenschaft für Kaffee entdeckt. Zudem habe ich schon immer gerne mit Menschen mit Behinderung gearbeitet. Als ich aus Italien zurückgekommen bin, war mir bereits klar, dass ich beides miteinander verknüpfen und ein inklusives Café eröffnen möchte. Daraufhin habe ich in den folgenden Jahren nebenher in vielen Bars und Cafés gearbeitet. Mein Ziel war es, dass ich nicht nur genau weiß, wann ein Kaffee gut schmeckt, sondern auch, wie man diesen zubereitet.
Treppen am Eingang, Toiletten im Keller – Menschen mit Behinderung stoßen in den meisten Gastronomiebetrieben auf viele Hindernisse. Was macht einen barrierefreien Arbeitsplatz aus?
Das ist leider wirklich so. Schuld sind aber nicht die Betreiber*innen, sondern eher die Infrastruktur vieler alter Gebäude. Wenn die Möglichkeit besteht, sollte ein barrierefreier Arbeitsplatz so aussehen, dass möglichst viele Arbeitsbereiche und Gegenstände für Menschen mit Behinderung zugänglich sind und auch benutzt werden können. Dabei kann man auch kreativ werden.
Im Café Senza Limiti arbeiten Menschen mit und ohne Behinderung zukünftig zusammen. Wie qualifiziert und schult ihr die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in eurem Betrieb?
Ich denke, dass wir die Menschen gar nicht so anders qualifizieren müssen. Ein Teil der Mitarbeiter*innen wird schon Erfahrung aus der Gastronomie mitbringen. Andere wiederum, wie meine Stellvertretung Patricia Wuske, werden einen pädagogischen Hintergrund haben. Unsere Mitarbeiter*innen mit Behinderung werden bei manchen Tätigkeiten wahrscheinlich etwas mehr Unterstützung benötigen. Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass diese Menschen für gewöhnlich mehr können, als man ihnen teilweise zutraut. Am Ende sind wir einfach ein Team und im Team hilft man sich gegenseitig, wenn es mal brenzlich werden sollte.
Über Erfahrungen verfügst du in beiderlei Hinsichten: Du bist studierter Sozialpädagoge und in einer Gastronomiefamilie aufgewachsen – wie haben dir diese Erfahrungen bei der Gründung des Cafés geholfen?
Direkt geholfen bei der Gründung hat mir weder mein Studium noch die Tatsache, dass ich von klein auf mit der Gastronomie aufgewachsen bin. Leider ist es so, dass man im Soziale Arbeit Studium nicht auf das Gründen vorbereitet wird. Meine Familie stand meiner Idee auch eher skeptisch gegenüber, hauptsächlich wegen der unsicheren Lage durch die Corona-Pandemie. Wirklich geholfen haben mir die unzähligen Informationen, die man im Internet findet und meine Freunde, von denen mit Kevin Völker und Elias Elahad auch zwei davon als Gesellschafter im Café aktiv sind.
Per Crowdfunding konntest du mehr als 25.000 Euro Startkapital für dein inklusives Projekt sammeln. Hast du am Anfang mit so viel positiver Resonanz gerechnet und gab es auch Hürden, die es bei der Umsetzung zu überwinden galt?
Das war schon eine unfassbare Zeit, die ich niemals vergessen werde. Ein Monat zuvor war ich noch ein paar Tage mit meiner Freundin wieder auf Sizilien. Dort habe ich dann auch den endgültigen Entschluss gefasst, mit der Idee an die Öffentlichkeit zu gehen. Daher blieb auch kaum Zeit, sich Gedanken über ein mögliches Scheitern oder irgendwelche Erwartungen zu machen, weil ich unbedingt mit dem Crowdfunding im Dezember beginnen wollte. Es ging also ausschließlich darum, nach vorne zu blicken und eine Euphorie für das Thema Inklusion zu erzeugen, was dann auch ganz gut gelungen ist. So eine große Kampagne kann man aber auch nur starten, wenn man weiß, dass man aus seinem Umfeld einen enormen Support bekommt.
Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch selbstbestimmt und barrierefrei am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann. Trotzdem ist in Deutschland die Arbeitslosenquote von Menschen mit Behinderung höher wie die der Menschen ohne Behinderung. Woran liegt das?
Ich denke, das liegt daran, dass Menschen mit Behinderung im Arbeitsleben zu oft als Problem abgestempelt werden und der Mehrwert oft auch erst sichtbar wird, wenn man längere Zeit mit ihnen zusammengearbeitet hat. Ich kenne sehr viele Menschen mit Behinderung, für die es mit das wichtigste ist, einen Job zu haben – für den würden sie alles geben. Denn Menschen mit Behinderung wollen genauso wie wir ein normales Leben führen und er gibt ihnen neben der täglichen Struktur auch das Gefühl, ein wichtiger Teil dieser Gesellschaft zu sein.
Wie können Berührungsängste abgebaut werden, damit Inklusion am Arbeitsplatz funktioniert?
Begegnung. Das ist das wichtigste. Menschen mit Behinderung müssen im Alltag sichtbarer werden und dafür ist es auch wichtig, dass sich nicht nur Unternehmen dieser Begegnung öffnen, sondern auch die Werkstätten, in denen die meisten Menschen mit Behinderung arbeiten. Die Werkstätten leisten eine wichtige Arbeit, denn nicht jeder Mensch mit Behinderung möchte in der freien Wirtschaft arbeiten und für diese Menschen bieten die Werkstätten ideale Bedingungen und sind somit unverzichtbar. Trotzdem müssen die Werkstätten sich insbesondere für diejenigen öffnen, die gerne auf dem ersten Arbeitsmarkt arbeiten wollen und das geschieht leider oft noch zu wenig.
Um auch das Positive nicht aus den Augen zu verlieren: Wo gelingt Inklusion bereits gut?
Als Mensch, der selbst keine Behinderung hat, ist das für mich auch nicht immer so leicht einzuschätzen. Ich kann auch nur das erzählen, was ich von anderen höre. Aber meiner Meinung nach findet da ein spürbarer Wandel statt. Die Menschen scheinen im Alltag offener für das Thema Inklusion zu sein als noch früher. Man darf auch nicht vergessen, dass Inklusion ein Prozess ist und wir da noch am Anfang stehen. Da bringt es meiner Meinung nach wenig, den Menschen jetzt Regeln vorzusetzen, die sie umzusetzen haben. Vielmehr sollte man auf Begegnung setzen und die Barrieren in unserem Kopf lösen.
Was steht neben italienischen Kaffeespezialitäten auf eurer Karte und auf was dürfen sich die Gäste sonst noch freuen – habt ihr z.B. Veranstaltungen geplant?
Neben nachhaltigen Kaffeebohnen aus einer sizilianischen Rösterei setzen wir auf alles, was den Gaumen noch so glücklich macht. Darunter fallen saisonale Wochengerichte und täglich frischgebackene Kuchen sowie frisch zubereitete Panini. In den Abendstunden am Wochenende freuen wir uns darauf, unseren Gästen Spritzgetränke und die dazu passenden Snacks anzubieten.
Seid ihr zurzeit noch auf der Suche nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und falls ja, wie kann man sich bei euch bewerben?
Die Suche geht jetzt erst richtig los. Aktuell sammeln wir alle Bewerbungen und freuen uns über jede einzelne, die wir entgegennehmen dürfen. Am besten melden sich die Leute mit einer Kurzbeschreibung und schicken diese an kontakt@senza-limiti.org.
Café Senza Limiti, Augustinerstraße 6, 97070 Würzburg, Tel. (0157) 56396124 kontakt@senza-limiti.org