Party
Ich gehe nicht gerne in Diskos. Kaum packt mich, durch einen guten Spotify-Titel auf meiner Playlist, die Lust, mal wieder tanzen zu gehen, bereue ich den Moment, in dem ich einen Stempel auf die Hand gedrückt bekomme, zutiefst. Ja, ich sage nicht „feiern gehen“ wie der Rest der Mittzwanziger, denn dieses Verbkompositum ist für mich ein ungeheuerer Euphemismus. Nochmal zurück zu dem berüchtigten „Feiern gehen“. Menschen, die das jeden Freitag sagen, kann man doch nicht ernst nehmen. Was gibt es denn zu „feiern“, die sechs in Mathe oder dass du ganz tapfer eine Woche in der Schule ohne einen Fehltag ausgeharrt hast? Lächerlich. Falls ein Grund besteht, z. B. ein
Geburtstag, dann ist für mich das Verwenden dieses Ausdruckes sinnvoller. Aber warum muss man dann bitte in einen viel zu kleinen, stickigen, überlaufenen Raum gehen, in dem sich nach Schweiß stinkende Menschen unkoordiniert zu viel zu lauter Musik aneinander reiben, sei es absichtlich oder aus Versehen. Tanzen funktioniert so- wieso nicht, außer man stinkt so sehr nach Schweiß, dass die Leute einen großen Bo- gen um einen machen. Life Hack. Sowie- so muss man beim Fortbewegen aufpassen, dass nicht die ganze Schuhsohle am Fußboden kleben bleibt und man versehentlich für immer in diesem Kabuff verbleiben muss.
Hat man sich dann durch die wilde Meute gekämpft, um sich an frischer Luft zu ergötzen, die – wenn man wie ich ein Frischluftfanatiker ist – lebensnotwenig ist, ist die Lage leider aussichtslos. Kaum lässt man das miefige Loch hinter sich und stößt, nach Luft schnappend, die Türe zum Elixier der Elixiere
auf, so umhüllt einen sogleich ein grauer, dicker Vorhang von stinkendem Zigaretten- rauch und nimmt einem die letzte Luft zum Atmen. Es ist, als stünde man in einer Wolke eines Atomkraftwerks. Fast blind, in diesem Nebel aus Schall und Rauch, versuche ich mich zu orientieren und stelle fest, dass ich umzingelt bin. Um mich herum Gestalten der Nacht, die alle an einem Glimmstängel saugen, als wäre es ein Dauerlutscher. Leider ist es nur Teer. Rauchen tötet. Trotzdem verbringen die meisten Raucher- freunde das „Feiern gehen“ nicht in der Diskothek, sondern gehen gefühlt aber meist dann auch tatsächlich alle fünf Minuten nach draußen um – Zitat: „frische Luft zu schnappen“. Köstlich.
Wieso haben Diskotheken eigentlich keinen Außenbereich für Nichtraucher?! Wie schön wäre es, wenn man einfach nach draußen an die wirklich frische Luft gehen und dem Durcheinander entfliehen könnte, ohne dass man sich als Passivraucher der Chemotherapie sicher sein kann. Man könnte meinen, ich übertreibe. Ich wünschte. Und als wäre das alles nicht schon schlimm genug, muss man immer so tun, als hätte man den Spaß seines Lebens. Wenn mir in einem unbedachten Moment der Schwäche die Mundwinkel einen Zentimeter nach unten fallen, so kann ich schon fast garantieren, dass ich von einem feierwütigen Erdbewohner gesagt bekomme, dass ich nicht so traurig oder genervt schauen soll. Das sind Momente, wo die Fassade bröckelt. Um mir nicht jedes Mal einen oberschlauen Spruch anhören zu müssen, habe ich mich dazu entschieden, dass mit der Fassade ganz sein zu lassen. Resting Bitch Face, ist dann meine Entschuldigung. Das ist noch mein freundliches Gesicht.
Wie bei der ganzen Tortur überhaupt noch jemand gut gelaunt sein kann, ist und bleibt mir ein Rätsel. Trotz des Sterbens tausender Tode und endlos scheinender Qualen, schafft man es nach dem Erkämpfen eines Taxis und einer halsbrecherischen Fahrt dann doch irgend- wann nach Hause. Doch das ist keineswegs das Ende vom Lied. Tatsächlich ist es mir schleierhaft, wie man sich, kaum zuhause angekommen, ins Bett legen und dann seelenruhig zum Zwitschern der Vögel einschlafen kann... Erstmal unter die Dusche hüpfen...