Sie haben irgendwo ganz unten angefangen, spielten über Jahre in den kleinsten Clubs der Stadt, in Kneipen, in denen der Schweiß von der Decke tropft. Dann kamen der Hype, riesen Shows und noch größere Hallen. Jeder erinnert sich gerne zurück an die Helden von damals, die echten Größen, an diese kleinen Bands, die mit deutschsprachiger Musik bahnbrechende Erfolge einfuhren. Während man ihr Erbe noch still und heimlich hören kann, finden sie kaum noch statt. Sie sind aufgelöst, verstritten und man denkt, man hat sie satt. Aus den Socials, aus dem Sinn...
© Echt
Echt
Stimmt das? Echt?
Aber weint man jetzt wirklich, oder ist das doch der Regen der Nostalgie, der von der eigenen Nasenspitze in die verstaubte Plattenkiste im untersten Regal tropft? Es zeichnete sich schon ab ’94 ab, dass aus Flensburg nicht nur die berühmten Punkte kommen. Zwölf Gigs und eine selbst produzierte und finanzierte Kompakt-Disk später wird der Rest Deutschlands auf die fünf Abi-Popper um Frontsänger Kim Frank aufmerksam. Industrielle Unterstützung kam schneller als gedacht: Mit „Alles wird sich ändern (wenn wir groß sind)“ wurde schon das angedeutet, was einige Jahre später die Realität wiederspiegeln wird. Denn Echt wurde groß und zwar größer als gedacht. Viva, Bravo, MTV. Irgendetwas war anders: Echt waren keine Teenie-Pop-Klone, die Jugendpresse hyperventilierte trotzdem.
Auf das Major-Debüt folgte der „Freischwimmer“, und der schlug ein: „Weinst Du“, „Du trägst keine Liebe in dir“, „Romeos“ – Hits, die eine aufwachsende Teeniegeneration geprägt haben. Zugeschnitten, klar, aber dennoch einfach Echt. Andere machten Abi, die Flensburger spielten ihren „Recorder“ in allen Hallen der Republik, wobei dann alles anders kam: ein Medienskandal in der Bild, ein misslungener Auftritt bei Harald Schmitt... Echt wusste genau wo sie stehen, so erstaunt die Single „Stehengeblieben“ thematisch nicht wirklich. Sie blieben tatsächlich stehen, lösten sich auf und versprachen, dass wir uns 2010 wieder sehen, wenn Kim Franks Zeit gekommen ist, aber mittlerweile neun Jahre nach dem versprochenen Date bleibt einem doch nur der Blick in die alte verstaubte Plattenkiste. Kim Frank hat es zwar mal versucht, aber drei Jahre zuvor und solo… Das war dann leider nicht mehr Echt.
© Billy & Hells / Christopher Häring
Wir Sind Helden
Ist noch immer Zeit für Helden?
Es gab zumindest mal eine Zeit, in der die Frage nach den Helden eine wirklich konkrete Antwort gefunden hat. Aber kann man einer Sängerin trauen, deren biblische Namensgeberin durch das Köpfen des Feldherren Holofernes in die Geschichte einging? Drei Männer haben sich getraut und die Heldenzeit begann. „Man muss eben nur wollen“: So führte langjährige Straßenmusik zu ausproduzierten Platten, die sich in die Zimmer der deutschen Jugend geschlichen haben und die blieben da auch erstmal und obwohl die Helden ihr eben erbautes „Denkmal“ mit dem Vorschlaghammer bearbeiten wollten, wurden die vier immer populärer. Es dauerte nur zwei Jahre ehe die Berliner den Ritterschlag erhielten: Rock am Ring, Mainstage, Primetime, Headliner, na gut… Limp Bizkit haben abgesagt, aber dennoch kann man das als den vorläufigen Höhepunkt bezeichnen. Im strömenden Regen spielten sich Songs wie „Von hier an Blind“ und „Nur ein Wort“ in die Herzen der Menschen und bejubelten die Heldenzeit.
Und am Ende konnte man Judith Holofernes dann doch vertrauen. Ihr biblisches Pendant schlug dem Feldherrn auch nur den Kopf ab, weil sie damit ihr eigenes Volk retten wollte. Die Musikszene brauchte damals ja auch dringend Helden, die sie retten wollten und die frisch und unverbraucht dem Pop nagelneue Impulse geben konnte. Die Musik wurde über die Jahre ruhiger, der Hype auch. Nach zwölf Jahren macht die eine jetzt solo die Klubs unsicher, der andere versucht sich an Gloria, die anderen ziehen sich zurück. Keiner fragt mehr, ob man Judiths Monster halten kann… Es gibt aber auch keine Drachentöterhosen mehr, womit man das hätte machen können.
© Universal Music
Rosenstolz
Da wird man zum Perlentaucher...
Man musste anfangs nur tief genug in die Berliner Chanson-Szene untertauchen und erkannte zwei aufsteigende Künstler, die ungleicher nicht sein konnten. Die eine sucht nach dem passenden Produzenten und der andere nach einer Sängerin. Die um AnNa R. und Peter Plate konstruierte Produktion, die sich auf den Namen Rosenstolz schimpft, behauptet sich nach einem langen Reifeprozess als echter Erfolg. Irgendwie unpassend, dass die beiden dann beim Grand Prix antraten, nur um gegen Guildo Horn zu verlieren.
Für die Anerkennung in der breiten Masse genügte es. Die einen kamen, weil sie sich einen Ausflug in das Freil(i)eben ihrer Gefühle versprochen haben, die anderen, weil sich Rosenstolz zum Ziel gesetzt hatte auf die gängigen Genreverortungen zu verzichten, aber wer macht das heute denn nicht mehr? Vielleicht waren es ja auch die Texte, die von der scheinbaren Leichtigkeit des Lebens handelten, welche den zwei Mondän-Pop-Artisten die Hallen füllten und mit denen sie das große Leben live performen durften. Einige Krankheitspausen später war es dann zu Ende. Noch ein Album, noch eine Tour und dann hörte man von AnNa R. und Peter Plate nur noch wenig. Die eine spielt mittelerfolgreich bei Gleis 8, der andere produziert Kinderlieder. Vom einstigen Arenen-Zauber spürt man nur noch ein leises Lüftchen, dass von der Melancholie der wenigen Fans getragen wird, vom Radio allerdings nicht mehr.
Wo sind nun diese echten Helden hin? Damals gab es noch keine Social Media Kanäle, die ihren Untergang dokumentieren konnten, weswegen sie einem wahrscheinlich auch so heroisch im Sinn bleiben. Es ist zu einfach soziale Netzwerke für den Untergang der Bandszene verantwortlich zu machen, denn diesen Helden gingen noch aus ganz anderen Gründen die Puste aus: Burnout, Labelmarketing, Eigenentwicklung. Sie existierten zu einer Zeit, in der Bands noch Bands sein konnten, sich verwirklichen konnten, sich zerstreiten konnten. Sie hatten den seltenen Status, in welchem sie sich gegenüber Labelzwängen und äußeren Einflüssen behaupten konnten. Bands, die das heute versuchen, zerfallen schon am Gedanken.