© Leon Zarbock
Dicht und Ergreifend
Für viele klingt es nach böhmischen Dörfern, aber es stimmt: Dicht & Ergreifend kommen ursprünglich aus Niederbayern und machen Rap. So einfach ist das. Und so schön. Mittlerweile ist die Crew um die beiden MCs Lef Dutti und George Urkwell zur Band gewachsen – und besuchten den Schweinfurter Stattbahnhof. FRIZZ sprach mit Lef Dutti – über Gstanzl, den Weißwurschtäquator und das Kreuz mit dem Kreuz.
Rap kommt bekanntermaßen aus der Bronx. Geboren wurde er auf der Straße, als uneheliches Kind von Soul und Funk, mit den Last Poets und Gil Scott-Heron als Geburtshelfer. Inwiefern ist er mit dem bayerischen Gstanzl verwandt?
Die Strukturen des Textaufbaus im Gstanzl ähneln jenen von Rap Songs der späten 70er oder frühen 80er Jahren. A-A und B-B Reime. Die Rhythmik ist wichtig, wobei sich das Gstanzl nur an eine Rhythmikfi gur halten muss und auf keine eindeutige Geschwindigkeit angewiesen ist, während sich der Rap auch zusätzlich auf die Geschwindigkeit und Rhythmus des Beats anpassen muss. Ziel beider Disziplinen ist es , seinen Gegner verbal zu demütigen. Musikalisch sind der Rap und das Gstanzl nur in speziellen Ausnahmefällen verwandt. Aber gewiss nicht im Ursprung.
Dicht & Ergreifend werden oft so oder so ähnlich beschrieben: „Bayerischer Rap mit Inhalt“ – so, als ob sich die Worte bayerisch und Inhalt widersprechen würden. Was glaubst Du: Warum ist das so?
Bayerisch und Inhalt widersprechen sich kein bisschen. Abgesehen davon, dass die Beschreibung »Bayerischer Rap mit Inhalt« quasi überhaupt nichts aussagt, glaube ich, dass hier das Wort »Inhalt« getrennt von »Bayerischer Rap« zu betrachten ist, bzw. es auch »Rap mit Inhalt heißen « könnte, oder es sogar heißen hätte sollen. Dass unser Rap bayerisch ist, wird bei quasi jedem Interview thematisiert. Dass er auch »Inhalt« hat ungefähr bei jedem zweiten. Beides hat erstmal gar nichts miteinander zu tun. Das Lied »Atemlos« von Helene Fischer hat »Inhalt« und »Mia san no so richige Bayern« von Hans Söllner hat auch »Inhalt«, da beide Songs mit Text funktionieren. Nur wird bei dem einen Lied lediglich über den Verlauf einer Partynacht berichtet, während bei dem anderen die Dummheit und der Rassismus einer ganzen Nation angekreidet wird und diese Nation dieses Lied sogar noch mitsingt und vor lauter Dummheit nicht checkt, dass dieses Lied gegen sie gerichtet ist. Das sind zwei verschiedene Ebenen von Inhalten. Aber es sind Inhalte.
Im US Rap hört man meist raus, woher ein Rapper kommt, seine Herkunft ist oft Teil seiner Inszenierung als MC – ganz im Gegensatz zu Deutschland. Gerade auch im Fernsehen wird Mundart eher auf humoristische oder auch dumme Aspekte reduziert. Warum tut sich Deutschland so schwer im Umgang mit seinen Dialekten?
Das stimmt nicht ganz. Deutsche Rapper legen noch immer sehr oft großen Wert darauf, zu sagen von woher sie kommen, in welcher Gegend sie groß geworden sind und in welcher Hood sie sich herumtreiben. Bei der 187 Straßenbandeerwähnt beispielsweise gefühlt in jedem zweiten Song irgendwer, dass die Crew aus Hamburg kommt. Das war früher noch viel extremer. Berliner Rap war aus Berlin und das wurde tausendfach in den Texten erwähnt. Stuttgart, Hamburg, München usw. Es war immer ein Thema und ist es auch heute noch.
Dialekt an sich wird oft als dümmlich und hinterwäldlerisch angekreidet. Das kann zutreffen, kann aber auch kompletter Schwachsinn sein. Man mag einen Dialekt, oder man mag ihn nicht. Es gibt wenig dazwischen. Wenn ein Berliner eine Abneigung gegen Bayern hat, dann verrät ihm der Dialekt seines Gegenübers dessen Herkunft und ermöglicht das Ausleben eines Vorurteils. Wenn jemand mit starkem sächsischem Dialekt nach Bayern zieht und seinen Dialekt nicht abstellen kann, wird er in manchen Kreisen niemals richtig akzeptiert werden und immer als Ossi-Trottel beschimpft werden. Wenn jemand krass schwäbelt, ist er für alle Nicht-Schwaben sofort ein emsiger Geizkragen. Das beruht alles auf Vorurteilen und wird von manchen extremer und von anderen weniger extrem ausgelebt. Tatsächlich ist der Dialekt eine Möglichkeit sich auszudrücken, wie man es auf deutscher Hochsprache gar nicht schaffen könnte.
Texta, Feinkost Paranoia, EAV oder Biermösl Blosn: Waren Bands aus dem Alpenraum wichtig für Eure musikalische Sozialisation?
Auf jeden Fall. Blumentopf, Texta, Echorausch, Feinkost Paranoia, Main Concept, Total Chaos sind Bands, die mitunter der Grund waren, weshalb wir zu rappen angefangen haben. Hubert v. Goisern hat man als Kind schon gehört. EAV war immer irgendwie eine Blödelband, die aber doch irgendwie gut war, aber definitiv keinen Einfl uss auf unsere Musik genommen hat. Auf Biermösl Blosn sind wir erst durch die große Verehrung von Gerhard Polt aufmerksam geworden.
Fühlst Du Dich eigentlich als Teil der Hip Hop Szene? Oder gibt es diese gar nicht mehr?
Lef Dutti: Es gibt die Hip Hop Szene mehr denn je, nur ist sie nicht einfach nur die Hip Hop Szene, sondern teilt sich in dutzende Sub-Genres auf. Unser Sub- Genre hat keine offizielle Definition. Wir haben es mal Ghetto G‘stanzl genannt. Es gibt im Grunde sonst keinen, der vergleichbare Musik macht, deswegen ist es auch so speziell. Rap auf Bayerisch z.B. hört sich immer verschieden an und alle bayerischen Rapper haben ihren eigenen Stil. Da hat wirklich fast jeder so sein eigenes Ding gefunden. Wir fühlen uns dem Hip Hop sehr verbunden und unsere Musik ist ganz klar Rap, aber auf unsere Konzerte kommen dennoch auch sehr viele Menschen, die sonst gar keinen HipHop hören. Deswegen sind wir irgendwie Teil der Szene und aber auch irgendwie gar nicht. Ist schon gut so.
Dicht & Ergreifend ist inzwischen ja zum Bandkonzept gewachsen. Stellt das Deinen Rap vor neue Herausforderungen? Beim Schreiben und Performen?
Wenn die Musik fetter wird, müssen die Raps auch nachlegen. Wenn man ein fettes Album gemacht hat, will man, dass das nächste noch fetter wird. Unabhängig von Band und Instrumenten. Wir haben immer den Anspruch besser zu werden, als wir waren. Auch raptechnisch und inhaltlich. Bei vielen Bands die früher unsere Helden waren, war das nicht der Fall und die sind jetzt sehr peinlich, oder es gibt sie einfach nicht mehr.
Ist Dicht & Ergreifend auf diese Weise auch bierzelttauglich geworden?
Warum sollte eine Rapband, nur weil sie Tuba und Trompete dabei hat, dadurch plötzlich bierzelttauglich werden? Eine Bierzeltband könnte im Grunde fast jede Band sein, die tanzbare Musik macht. Sind eh alle besoffen dort.
Kann man den Erfolg Eurer Shows und Albenverkäufe eigentlich am Weißwurschtäquator abmessen? Oder macht Ihr auch in Berlin die Häuser voll?
Wir machen in Berlin z.B. das Lido mit ca. 600 Gästen voll. In Braunschweig kommen ca. 40 Gäste und in Hamburg an die 300. Je größer die Stadt, umso mehr Kulturbereitschaft, umso mehr Konzertbesucher. Aber der große Erfolg findet definitiv in Bayern statt.
Euer aktuelles Album heißt „Ghetto mi nix o“. Dass einem scheinbar nichts angeht, dass man wegsieht, weil eh alles zu groß und zu weit weg ist, scheint einerseits symptomatisch für unsere Zeit zu sein. Andererseits startet überall jemand eine Petition oder sammelt für irgendetwas Unterschriften. Wo verortet Ihr Euch selbst innerhalb dieser Strömungen?
Irgendwo zwischen Mittelfinger auf die CSU und wochenlangem Ignorieren sämtlicher Nachrichten.
Siehst Du Dich als Künstler in die Pflicht genommen, Missstände anzuprangern? Oder passiert das bei Dir im Nebenher?
Das passiert leider fast immer einfach so nebenher. Wäre manchmal leichter wenn man einfach einen Text schreiben könnte, in dem nicht immer automatisch irgendeine Art von Kritik mitschwingt.
In „Don´t believe the like“ thematisiert ihr den Social Media-Wahn und die schöne neue App- Welt. Wir glauben an die Technik und unsere Mobilfunkverträge, aber darüber hinaus an fast nichts mehr. Kann da der Söder mit seinem Kreuz was ändern?
Durch dem Söder sein Kruzifix glauben plötzlich alle immigrierten Muslime an Jesus von Nazareth.
Dicht und Ergreifend spielten am 12.10.2018 im Stadtbahnhof, Schweinfurt!