© Daniel Torz
Im vergangenen Dezember hat die Stadt Würzburg im Rahmen ihres Corona-Sonderetats 2021 erstmals die neue „Prämie für Live-Musik-Konzepte“ an Livemusikspielstätten und -clubs vergeben. Wir sprachen mit Ingolf Stöcker vom Fachbereich Kultur über das Programm und dessen Hintergründe.
Insgesamt 45.000 Euro wurden an vier Würzburger Clubs vergeben. Wie kam es dazu, dass die Stadt in diesem Bereich aktiv geworden ist?
Es ist seit längerem die Tendenz in den Würzburger Musikclubs, dass Betrieb und Programm in einigen Locations weg vom reinen Auflegen von Musik in Form von Tonträgern und hin zu einer livemusikähnlichen Präsentation und Performance von Musik geht. Im Bereich der Kulturförderung der Stadt Würzburg war dieses Thema bislang unterrepräsentiert, obwohl es in der aktuellen Fassung der Kulturförderrichtlinien inhaltlich zulässig ist.
Wir haben uns im Rahmen der Corona-Sonderförderung für 2021 in Abstimmung mit Vertreterinnen und Vertretern der freien Würzburger Kulturszene gemeinsam verschiedene Programme überlegt, die über den Leistungskatalog der üblichen Kulturförderung in Würzburg hinausgehen: seien es die Arbeits- oder Kooperationsstipendien, die Nothilfe für Kultureinrichtungen, bei denen keine anderen Corona-Hilfen seitens Bund oder Freistaat greifen und die eine bedrohte Einrichtung vor einer Schließung bewahren sollte. In diesem Kontext haben wir auch die besagte Prämie für Live-Musik-Konzepte entwickelt, die neben den Spielstätten für bisher „gängige“ Live-Musik der Bereiche Pop, Rock, Indie, Metal usw., eben auch Spielstätten für elektronische Live-Musik in ihren verschiedenen Ausprägungen berücksichtigt.
Welche Locations dürfen sich über ein Preisgeld freuen und warum hat man diese jeweils ausgewählt?
Die Jury hat mit der Posthalle, dem L-Club, Kurt & Komisch und dem Immerhin vier Preisträger unterschiedlicher musikalischer Genres ausgesucht. Die Posthalle ist als Spielstätte weit über Stadt und Region hinaus bekannt und hat den Maximalbetrag von 15.000 Euro erhalten. Neben den großen Konzerten mit Stars, Sternchen und verschiedenen Partythemen, haben die Bereiche Nachwuchs- und Popkulturförderung seit vielen Jahren einen festen Platz im Programm der Posthalle. Auch finden dort immer wieder Veranstaltungen aus subventionswürdigen kulturellen Nischen statt, was die Jury dann letztlich auch zur Festlegung des Maximalbetrages bewogen hat.
Das seit 1998 bestehende „L“ (L - interactive music club) in der Aumühle wird mit 12.000 Euro prämiert. Mit Blick auf die Größe ist der Club zwar das absolute Gegenstück zur Posthalle, doch auch dort finden regionale, überregionale und spartenübergreifende Programme statt. Die oft ehrenamtliche Arbeit des Betreibers ist von dessen Idealismus geprägt, er brennt im „L“ für gute Ideen und gediegene Atmosphäre im Ambiente und mit Originalen der 50er und 60er Jahre. Die Prämie soll unter anderem für viele Erneuerungen auch der technischen Ausstattung des Clubs verwendet werden.
Der Jugendkulturtreff Immerhin wird mit 9.000 Euro prämiert. Besonders gewürdigt wird hier die kontinuierliche und langjährige ehrenamtliche Arbeit auf Basis der evangelischen Jugend im Dekanat Würzburg. Aber auch die inhaltlich breite Ausrichtung verschiedenster Akteure, die im Immerhin Veranstaltungen der unterschiedlichsten subkulturellen Facetten anbieten, hat die Jury dazu bewogen, dem „Immerhin“ die Prämie zuzusprechen: unter anderem finden dort Konzerte, DJ-Abende der Bereiche Hard Rock, Metal, Punk und experimenteller Genres des Artrock und Jazz statt. Dabei ist das Immerhin in den subkulturellen Szenen auch überregional bekannt, selbst internationale Bands machen hier auf ihren Tourneen regelmäßig Station.
Und schließlich wird noch der Klub Kurt & Komisch in der Sanderstraße mit 9.000 Euro prämiert. Als Musikspielstätte für zeitgenössische Club- und Livemusik verschiedener Sparten geht es in diesem Club allerdings nicht nur um Musik und um die Feier, vielmehr setzt man sich hier auch für soziale Belange ein: so beispielsweise für Organisationen wie Sea-Watch, „Über den Tellerrand“ und den Verein Hermine. Im Rahmen eines inklusiven und von Respekt geprägten Leitbildes misst der Club folgenden Themen besondere Bedeutung bei: Awareness, der Förderung ortsansässiger Künstlerinnen und Künstler bzw. DJs und dem Angebot von DJ-Workshops, die sich an Menschen richten, die in klassischen Line-ups noch immer unterrepräsentiert sind.
Die Wahl der Preisträger übernahm eine Jury. Wer gehörte dieser an und welche Kriterien spielten bei der Auswahl eine Rolle?
Die Jury selbst setzte sich aus Vertreterinnen und Vertretern des Dachverbands freier Würzburger Kulturträger, des Bezirks Unterfranken, eines städtischen Jugendkulturhauses sowie des Fachbereichs Kultur der Stadt Würzburg zusammen. Kriterien für die Vergabe der Prämie waren zum einen die Qualität und Anzahl der Live-Musik-Veranstaltungen bezogen auf das Jahr 2019, und dann noch die die perspektivischen Pläne der Clubs für die Wiedereröffnung im Herbst 2021.
Dass diese leider nur von sehr kurzer Dauer sein konnte, haben wir alle schmerzlich erfahren ... Nichtsdestotrotz waren wir über das kurze Zeichen der Hoffnung froh und hoffen, dass die Prämie den Akteurinnen und Akteuren hilft, in ihren jeweiligen Bereichen weiterzumachen und ihr Angebot für die Würzburger Kulturlandschaft aufrechtzuerhalten.
Auch vor der Pandemie sah es in finanzieller Hinsicht bei vielen Clubs nicht gerade rosig aus – sind in Zukunft ähnliche Förderungen seitens der Stadt geplant?
Auch bei der Verteilung des Corona-Sonderetats für 2022, der im Rahmen der Haushaltsberatungen des Stadtrates zur Unterstützung der freien Kulturszene beschlossen wurde, wollen wir wieder ein derartiges Konzept erarbeiten und Musikspielstätten in Würzburg unterstützen. Es hat sich hier auch endlich ein Wandel in der politischen Wahrnehmung der Branche vollzogen, weg von der „Vergnügungsstätte“ hin zur „Kulturstätte“. Bis Mitte letzten Jahres standen Musikspielstätten mit nachweisbarem kulturellen Bezug, wie beispielsweise die Posthalle, in ihrer baurechtlichen Bewertung auf einer Ebene mit Spielhallen, Sex-Kinos und Bordellen.
Hier hat sich nun ein bundespolitischer Wandel vollzogen und bietet für uns für die Förderung dieser Einrichtungen ganz andere Voraussetzungen, da sie jetzt mit Theatern, Opern, Museen und Konzerthäusern als „Anlagen kultureller Zwecke“ gleichgestellt werden. Wir vom Fachbereich Kultur würden uns wünschen, dass die Förderung von Livemusikstätten auch über die Pandemie hinaus verstetigt wird, da die Club- und Livemusikkulturszene für Würzburg eine sehr wichtige ist, auch mit Blick auf die Attraktivität der Stadt für Studierende. Ob dies dann aber auch durchzusetzen ist, ist am Ende eine politische Entscheidung, die beim Stadtrat liegen wird.