
© Alexander Axmann
Sie sind schnell, effizient und umweltfreundlich: Seit zehn Jahren beliefert der Fahrradkurier „Radius“ Würzburgerinnen und Würzburger mit Sendungen aller Art. Im Interview verraten Veronika Pfeifer, Simon Hillenbrand und Thomas Mitschke, was sie antreibt und warum ihnen ihr Job so viel Freude bereitet.
Manche eröffnen Restaurants, andere eine Bar. Ihr habt vor zehn Jahren euren eigenen Fahrradkurierdienst eröffnet. Wie kommt man dazu?
Die Leidenschaft fürs Kurier-Fahren hat uns auf die Idee gebracht, selbst einen Fahrradkurier-Betrieb zu eröffnen. Drei Gründungsmitglieder und einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus unserem ersten Team waren bereits vorher als Fahrradkuriere tätig. Wir lieben das Radfahren, Teamarbeit und den Kontakt mit den Kunden. Und wir hatten Lust darauf, mit einem innovativen Startup zur Verbesserung des Stadtklimas und zur dringend notwendigen Verkehrswende beizutragen.
Der Transport größerer Sendungen mit Lastenrädern war Teil unserer Geschäftsidee und damals noch etwas ganz Neues in Würzburg. So leisteten wir mit einem Team von anfänglich neun Kurieren einiges an Pionierarbeit. Inzwischen hat sich die Mentalität merklich geändert und es gibt mehr Offenheit für nachhaltige Mobilität. Das motiviert uns für unsere Arbeit, die wir aktuell mit einem 30-köpfigen Team leisten.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei euch aus?
Bei uns sind die Arbeitstage in mehrere Schichten unterteilt. Meist mit einer Länge von fünf Stunden. In einer Schicht arbeiten mehrere Kolleginnen und Kollegen zusammen. Ein Teil der Fahrten besteht aus fest terminierten Touren. Zusätzlich können Aufträge ganz spontan rein kommen. Nicht selten sind das gleich mehrere innerhalb weniger Minuten. Dann ist Teamwork gefragt. Die Kooperation erfordert etwas Übung, aber es macht auch sehr viel Spaß! Einen richtig „typischen“ Tagesablauf gibt es bei uns nicht. Jeder Tag ist anders: das Wetter, die Kunden, die Fahrten. Nur die Laune ist fast immer gut.
Menschen, die im Dienstleistungsbereich arbeiten, erfahren nicht immer die Wertschätzung, die sie eigentlich verdienen. Was macht für euch den Reiz des Berufs aus?
Zumindest einige Menschen haben erkannt, dass ein „weiter wie bisher“ nicht möglich ist und dass alternative, nachhaltige Logistik-Lösungen ein wesentlicher Beitrag für eine lebenswerte Zukunft sein können. Aus der Zusammenarbeit mit unseren Kunden und manchmal einfach durch ein Lächeln auf der Straße erfahren wir immer wieder Zuspruch und Motivation. Uns ist bewusst, dass diese Wertschätzung für viele andere Dienstleistungsbereiche nicht vorhanden ist und wir wünschen uns auch für diese Menschen viel mehr gesellschaftliche Anerkennung.
Finanziell versuchen wir unser Team angemessen zu beteiligen. Unser Unternehmen ist nicht auf Gewinnmaximierung ausgerichtet. Unser Stundenlohn liegt über dem gesetzlichen Mindestlohn und im vergangenen Jahr konnten wir zusätzlich Corona-Boni auszahlen. So etwas geht nur, wenn Kundinnen und Kunden auch bereit sind, die geleistete Arbeit angemessen und fair zu bezahlen.
Ihr seid bei Regen, Wind, Schnee und Hitze auf den Straßen unterwegs. Wie seid ihr dafür ausgestattet?
Das ist individuell sehr unterschiedlich. Jeder hat sein eigenes Temperaturempfinden und seinen eigenen Stil. Das ist uns auch wichtig, dass wir nicht „uniformiert“ im Einheits-Outfit unterwegs sind. Ein langjähriger Mitarbeiter war selbst im Sommer noch mit Parka und Wollsocken unterwegs und kam damit prima zurecht. Andere stehen mehr auf Funktionskleidung und Radeltrikot. Am wichtigsten ist, dass man flexibel gekleidet und auf Wetterwechsel vorbereitet ist.
Als sehr cooles Accessoire haben wir letztes Jahr gemeinsam mit Laura Zieger von „hutgemacht“ exklusive Radius-Radcappies entworfen. Die trägt man unterm Helm. Neben der Tatsache, dass sie toll aussehen, kühlen sie im Sommer nass gemacht den Kopf. Das gesamte Projekt, vom Einkauf des Stoffes über das Nähen und den Druck, wurde hier vor Ort umgesetzt. Danke an der Stelle nochmal an Laura für die großartige Zusammenarbeit!
Würzburg ist nicht gerade als fahrradfreundliche Stadt bekannt. Ihr schlagt euch täglich unter Zeitdruck durch das Autodickicht – das kann schnell gefährlich werden. Wie geht ihr mit dem Risiko um?
Wir können unser Risiko durch aufmerksames, vorausschauendes Fahren mindern, doch die Infrastruktur und das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer sind ein anderer Punkt. In Sachen Radverkehr gibt es in Würzburg noch viel zu tun, aber man muss auch anerkennen, dass in letzter Zeit etliche Verbesserungen erfolgt sind.
Seit Jahren beteiligen wir uns an Aktionen und Foren, um die Stadt für Radfahrer und Fußgänger attraktiver zu machen. Zusammen mit Partnern haben wir beispielsweise den ersten Autofreien Tag in Würzburg organisiert. Am unteren Mainkai zwischen Alter Mainbrücke und Löwenbrücke konnten die Besucherinnen und Besucher erleben, wie eine verkehrsberuhigte Stadt aussehen könnte. Viele Möglichkeiten werden eben erst dann erkannt, wenn man sie einmal ausprobiert hat.
Während der Corona-Pandemie haben Lieferdienste einen Aufschwung erlebt. Wie sieht, eurer Meinung nach, die Zukunft der Fahrradkurierdienste aus?
Mit unserer Dienstleistung möchten wir auch einen Beitrag zur Verkehrswende und zum Klimaschutz leisten. Deshalb wollen wir kein Teil eines sinnfreien und ausbeuterischen Lieferbooms werden. Es wäre schön, wenn es den Fahrradkurierdiensten gelingt, vor allem umweltfreundliche und zukunftsweisende Wertschöpfungsketten zu ergänzen und Transporte zu übernehmen, die keinen reinen Konsumgedanken bedienen, sondern einen Beitrag zu einer zukunftsfähigen Lebens- und Wirtschaftsweise leisten.
Ihr fahrt fast alles aus, was sich auf dem Rad transportieren lässt. Was war die ungewöhnlichste Lieferung, die ihr jemals überbracht habt?
Wir hatten schon viele kuriose und ungewöhnliche Sendungen auf dem Rad – vom Wäschetrockner bis zum Weihnachtsbaum. Vor einigen Jahren brachte ein Kollege einen riesigen Flatscreen-Fernseher mit dem Lastenrad von einem Elektromarkt zum Käufer in der Innenstadt. Lastenrad-Transporte waren damals noch sehr ungewöhnlich in Würzburg und bei skeptischen Kunden mussten wir oft Überzeugungsarbeit leisten. Der Käufer war jedoch hoch erfreut über die Lieferung per „Bakfiets“. Er sei schließlich Holländer und nun fühle er sich in Würzburg wirklich wie zuhause, erklärte der Kunde strahlend und nahm sein TV-Gerät in Empfang.
Was habt ihr immer dabei, wenn ihr unterwegs seid?
Gute Laune, Flickzeug und natürlich die Cappies von Laura.
Was muss man mitbringen, um als Fahrradkurierin -oder kurier zu arbeiten? Und seid ihr immer mal wieder auf der Suche nach neuen Leuten?
Jede und Jeder bringt was anderes mit und genau diese Vielfalt ist das, was unser Radius-Team ausmacht. Wer keine Affinität zum Radfahren hat, bewirbt sich in der Regel nicht und wer es doch macht, hat vielleicht die beste Entscheidung seines Lebens getroffen. Wer sich für den Job interessiert, kann sich gerne bei uns melden!