
© Dorle Bahlburg
Heinz Strunk
Coaches, Motivationstrainer und Selbstoptimierungsgurus haben Hochkonjunktur. Ihre Dienstleistungen haben das Zeug zum Statussymbol, zum Rettungsboot für gescheiterte Existenzen, zum Heilsversprechen für individuelle Karrieren und zum Fenster, aus dem man sein Geld werfen kann. Auch als Steilvorlage für Parodien haben sie Potential. Das ist doch mal was!
Europa in den späten Sechzigern: Irgendwo zwischen Hippie-Bewegung, Wunschdenken und Lethargie wird der Buddhismus chic. Es gilt, spirituelle Erleuchtung zu erlangen. Zahllose Menschen machen sich auf gen Nepal, um dort einen Guru zu finden. Einen geistigen Führer, der ihnen den Weg zum Heil weist. Das erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit – auch wenn Indien inzwischen Nepal als Sehnsuchtsort, als Ort des Sehnens und der Suche nach so etwas wie universellen Einsichten, abgelöst zu haben scheint.
Natürlich ist auch Indien nicht gerade um die Ecke. Das Heil in einer heimischen Mehrzweckhalle zu suchen scheint vielen im wahrsten Sinne des Wortes naheliegender zu sein. Dort, wo Coaches, Motivationstrainer und Selbstoptimierungsprediger das Heil versprechen. Jenes des Kapitalismus, den man da durchaus als Quasi-Religion begreift. Weil er die Geisteswelt via Zeitgeist erobert hat. Das Streben nach permanenter Verbesserung im Sinne der kapitalistischen Tugenden „höher“, „schneller“, „weiter“ und „mehr“ hat wieder Hochkonjunktur. Vermutlich, weil Geld im Gegensatz zu spirituellen Erkenntnissen oder gar zum Nirwana greifbarer ist. Und es einem im Ablasshandel um den gesellschaftlichen Stellenwert effektiv aus dem Fegefeuer der fehlenden Kaufkraft hievt.
Ja, auch der Kapitalismus kennt Gurus und Propheten. Solche, die ihre Erleuchtung im gebügelten Business-Outfit inszenieren. Die Glück verheißen, solange man bereit ist, Glück mit Erfolg gleichzusetzen und Erfolg mit Reichtum. Und die daher erst gar keinen Hehl daraus machen müssen, dass der Klingelbeutel, den sie herumreichen, ihnen selbst zugute kommt. Sonst würden sie sich als Profitprediger unglaubwürdig machen – und ihre Jünger vom Glauben abfallen. Vom Glauben an sie und ihr Vermögen. Jenes, das sich als Geldbetrag beziffern lässt und ihren messianischen Status sichert. Zumindest, solange sie es schaffen, ihre gebetsmühlenartigen Glaubenssätze als gute Anlage zu verkaufen. Wie die Glaubenssätze in etwa klingen? „Ich liebe mich vollkommen und bedingungslos“. „Ich hole alles aus mir raus“. „Ich ziehe Geld magnetisch an“. Wie bei jeder guten Glaubensgemeinschaft gelten die Sätze unumstößlich und werden mantraartig wiederholt, damit sie sich tief verankern. Wer nicht von ihnen abgeholt werden kann, wird anderweitig auf den Weg zum rechten Glauben gebracht: „Wenn du nicht mal 1.500 Euro für eines meiner Seminare in dich investieren willst: Warum soll das Universum dir helfen?“
Die zitierten Sentenzen, inklusive der eben gestellten Fragen, stammen von Jürgen Höller. Der in Schweinfurt geborene Unternehmer ist wohl der geschäftigste Motivationstrainer des deutschsprachigen Raums. Er ist u. a. mit seiner Academy erfolgreich, als Autor sowie als Mentalcoach, der öffentlichkeitswirksam mal eben auch Bundestrainer trainiert. Er appelliert an die Vernunft der Ungläubigen, indem er die mystische Unendlichkeit des Universums mit Geld aufwiegt. Nix also mit „Was kostet die Welt?“. Bei ihm geht’s offenbar um mehr, um’s All, um alles.
Schlappe 1.500 Euro für eines seiner Seminare: Für viele ist das gut angelegtes Geld. Andere tun seine Tätigkeit als Humbug ab, mitunter gar als Gehirnwäsche. Wieder andere finden sie einfach nur lustig, obgleich auch gefährlich lustig. Heinz Strunk z. B. findet ihn und den anhaltenden Selbstoptimierungstrend faszinierend, „weil es so unsagbar dämlich ist“, wie er vor einer Weile im FRIZZ-Interview anlässlich seiner Lesereise zu „Das Strunk-Prinzip“ erklärte. Das Buch kompiliert seine Kolumnen, die er zu dem Thema im Satire-Magazin „Titanic“ veröffentlichte. Das Cover zeigt Strunk „1:1 als Jürgen Höller“.
Aber wie heißt es so schön: Viel Feind, viel Ehr`. Und Höller erfährt nahezu messianische Verehrung. Seine Seminare werden besucht wie Rockkonzerte – und fühlen sich dank der Rampensau-Qualitäten des Gastgebers und der lautstark eingespielten Feel-good-Hits, zu denen auf Kommando gehüpft und mit den Armen geschwenkt wird, ein Stück weit auch so an.
Motivationstraining als Lebenshilfe funktioniert eben gerade als Hilfe zur Selbsthilfe gut. Weil Selbstoptimierung nun mal gerne über Dritte erlangt wird. Wer selbst einer dieser Dritten sein möchte: Bitteschön! Die Branche boomt, das Business blüht. Man braucht keinerlei Ausbildung, kein Zertifikat, nichts. Die erbaulichen Sprüchli müssen allerdings wie aus dem FF kommen und stotterfrei sowie ohne allzu offensichtlichem Schamgefühl formuliert werden. Auch Schweißflecken sind bei der Präsentation ein No Go, das sieht unprofessionell aus, die Leute könnten noch denken, hier packt einer an. Sogar bei durchtrainierten Stiernacken wie Kollegah, der seine Erbauungslyrik inzwischen ebenfalls als Motivationstrainer unter die Leute bringt. In Buchform, wie es sich für jeden ernstzunehmenden Guru gebührt. Den Weg zum Erfolg ebnet er seinen Lesern da mit ungeahnten Weisheiten. Heruntergebrochen lauten sie in etwa: Sei höflich. Sei geduldig. Sei kreativ. Ernähre dich gesund. Mach dich nicht von anderen abhängig. Hör auf, an dir rumzuspielen. Eine adrette Dame, die dir im Taxi Oralverkehr offeriert, scheint nicht diejenige zu sein, der du ein Appartement kaufen solltest.
Offenbar haben Kollegah und Konsorten von den Besten gelernt: Von den Sinnsprüchen im Jahreskalender. Ihr Erfolg scheint sich Großteiles darauf zu begründen, dass kaum einer merkt, dass die Kalender Ende Januar saugünstig im Einzelhandel zu bekommen sind. Wer also diese vier Wochen ab Jahresanfang durchhält, kann sich für sein individuelles Glück eventuell gar den Motivationstrainer sparen.
Dokumentarfilm über Jürgen Höller: bit.ly/2E8cdzi
Das Interview mit Heinz Strunk: bit.ly/2rqjLop
Kollegah doziert als… Naturbursche?! bit.ly/2zMcxQu