© Marcus Grech
Marcus Grech aus Eltmann will mit seinem Fahrrad alle fünf Kontinente und mehr als 100 Länder bereisen. Vor rund neun Monaten ist der Unterfranke zu seiner Weltreise aufgebrochen. Im Interview verrät er, was ihn auf seiner Tour am meisten überrascht hat, welche persönlichen Traumziele auf seiner Liste stehen und welcher Moment ihn fast dazu gebracht hätte, aufzugeben.
Du bist seit Mai 2022 mit dem Fahrrad auf Weltreise. Wo hältst du dich aktuell auf und welche Länder hast du bisher bereist?
Ich befinde mich derzeit zum zweiten Mal in der Türkei. Auf dem Weg hierher habe ich die Balkanroute gewählt, die mich über Slowenien, Kroatien, Serbien, Kosovo und Albanien nach Italien und Sizilien zu meiner Verwandtschaft geführt hat. Von dort aus ging es die gleiche Strecke wieder zurück nach Albanien und von dort aus weiter nach Griechenland, Bulgarien, Türkei, Armenien und Georgien.
Welche Eindrücke haben dich am meisten überrascht und was waren deine schönsten Momente?
Ich glaube, am meisten hat mich überrascht, wie gastfreundlich und offen die Menschen sind, je weiter man von der Heimat entfernt ist. Das zählt auch zu den schönsten Momenten, ohne dass ich einen einzelnen herauspicken könnte, da ich so viele großartige Menschen kennengelernt habe. Ansonsten hat mich die Türkei wie kein anderes Land überrascht. Wie vielfältig und wunderschön ein Land doch sein kann.
Den Sprung ins Ungewisse zu wagen erfordert eine gehörige Portion Mut. Wie sah dein Alltag vor der Reise aus und was hat dich dazu bewegt, die Welt mit dem Fahrrad zu erkunden?
Vor zehn Jahren hatte ich ein Restaurant in Thailand in der abgelegenen Stadt Phimai. Vor fünf Jahren bin ich zurück nach Deutschland, habe einen 9-to-5-Job angenommen und die restliche Woche mit der Pflege meiner Großeltern verbracht. Mich hat es aber schon immer weggezogen und ich wollte die Welt aus eigener Kraft sehen. Sei es die Wanderung von München nach Istanbul 2011 oder diverse Alpenüberquerungen. Nur war mir das nie genug. Die Welt ist groß und meine Zeit endlich.
Corona hat deiner ursprünglichen Route einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ist eine Planung generell überhaupt möglich oder entscheidest du „on the road“, wohin es als nächstes gehen soll?
Nicht nur Corona. Gerade war ich drei Monate in Georgien festgesessen, da die nächsten Ziele Irak und Iran problematisch wurden. Für die Ausweichroute nach Kasachstan hat die Jahreszeit nicht gepasst und fliegen wollte ich allgemein so weit wie möglich reduzieren. Daher ändert sich der „große Plan” immer wieder und die tägliche Route geht meist ohne festen Plan einfach der Nase nach.
Wenn es dann abends an der Zeit wird, langsam ein Lager aufzuschlagen, suche ich mir dort einen Platz, wo ich gerade bin. Es kann auch mal passieren, dass ich schon früher einen so schönen Spot für das Zelt finde, sodass ich nicht anders kann als mich schon früher an einer Stelle breit zu machen. Dass ich etwas im Voraus plane, kommt nur vor, wenn ich mal doch in einer Unterkunft schlafen möchte. Das kommt jetzt im Winter schon des Öeren vor, so alle zwei Wochen, aber ansonsten einmal im Monat.
Eine Weltreise will gut geplant sein. Welche Vorbereitungen hast du getroffen, bevor du dich in dein Abenteuer gestürzt hast?
Ich habe erstmal wieder Geographie nachholen müssen, um grob eine Tour planen zu können. Dazu Informationen angesammelt, welche Grenzen man überhaupt befahren kann. Dann habe ich mich natürlich bei anderen Radreisenden informiert, welche Ausrüstung wichtig ist und worauf man achten sollte. Zusätzlich bin ich die letzten zwei Jahre vor der Tour nur noch mit dem Rad gefahren, egal ob auf Arbeit (einfach 15 Kilometer) oder einkaufen, egal ob Regen oder Schnee. Spart viel Geld und macht einen auch fit.
Es gibt so viele Länder, Orte und damit verbundene Sehnsuchtsmomente, die entdeckt werden möchten. Was ist dein persönliches Traumziel?
Die Traumziele sind so nah und doch so fern. So war eins der eigentlichen Traumziele Georgien, wo das Wetter aber nicht mitspielen wollte, so wie mir ein gebrochener Rahmen einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Beim nächsten großen Ziel auf der Liste, dem Pamir Highway, macht mir Turkmenistan einen Strich durch die Rechnung, da ich nur fünf Tage Transitvisum bekomme und davon drei Tage in Quarantäne muss. Das heißt, ich habe zwei Tage für 550 Kilometer, was etwas eng wird.
Meine Hoffnung liegt daher darauf, in Islamabad ein Visum für Afghanistan zu bekommen, oder dass China die Landesgrenzen für Individualtouristen wieder öffnet und ich stattdessen den Karakorum Highway fahren kann. Ansonsten freue ich mich schon total wieder nach Thailand zu kommen, aber auch Kanada, Japan und Südamerika stehen auf der Liste der Traumziele ganz oben.
Von Luft und Liebe kann man bekanntlich nicht leben. Wie finanzierst du dir das Leben auf dem Rad?
Derzeit von Erspartem und gelegentlichen Spenden. Wie gesagt, habe ich die letzten fünf Jahre ausschließlich mit Arbeit verbracht, wenn man es so nennen möchte. In dieser Zeit habe ich jeden Pfennig gespart, um mir das zu ermöglichen, auch wenn es auf lange Sicht nicht für die komplette Reise langt. Da ich meine Reise nebenbei auf sozialen Medien teile, gibt es einige, die mir sozusagen ab und an einen Kaffee ausgeben. Aber im Laufe des nächsten Jahres wird es auf Work & Travel hinauslaufen.
Du lernst auf deiner Reise stets neue Menschen kennen, von denen du dich kurz darauf wieder verabschieden musst. Ist das schwierig?
Das stört mich jetzt eigentlich weniger, da es doch hinter jeder Ecke neue freundliche Menschen gibt, die ich kennenlerne und es immer wieder schön ist, neue Menschen zu treffen. Es gibt auch Ausnahmen, wie Mert, den ich in der Türkei, im Bereich Erzincan kennengelernt habe und mit dem ich mich sofort so gut verstanden hatte, als würden wir uns schon unser Leben lang kennen. Da ist es mir wirklich schwergefallen, Goodbye zu sagen. Aber darum mache ich gerade einen Umweg bei meiner zweiten Fahrt durch die Türkei, um mich mit ihm nochmal ein paar Tage zu treffen.
Unterwegs läuft nicht immer alles wie geplant. Der Reifen platzt, das Wetter schlägt um oder die Einreise gestaltet sich schwieriger als gedacht. Welche Hürden musstest du auf deiner Reise überwinden?
Probleme gibt es immer auf einer Reise und im Grunde ist das auch gut so. Einerseits hat man so mehr zu erzählen und andererseits macht es die schönen Erlebnisse umso schöner. Aber es gibt auch Zeiten, in denen sich diese Probleme so schnell häufen, dass man kurz davor ist, hinzuschmeißen, wie bei mir im Bereich Ankara. Nach Nallihan bekam ich Magenprobleme und hatte mein Zelt deshalb schon mittags aufgeschlagen. Bei 40 Grad im Schatten und 39,3 Grad Fieber schlief ich gleich ein und wachte im Dunkeln in einem Gewittersturm auf, der gerade dabei war, mein Zelt wegzuwehen. Am nächsten Tag ist mir der Reifenmantel aufgerissen, so dass ich 25 Kilometer bis zur nächsten Ortschaft schieben durfte, wo ich als Ersatz einen Kinder MTB Reifen aus Plastik bekommen habe.
In Ankara hatte dann der einzige Radladen, der auf Reiseradler ausgerichtet war, geschlossen, und ich musste fünf Tage auf einen minderwertigen Ersatz warten. Als es dann endlich weiter ging, brach am zweiten Tag mein Tretlager, also schob ich 80 Kilometer zurück nach Ankara. Dort nahm ich mir ein Hotel und hatte am nächsten Tag wieder Magenprobleme. Diagnose Giardiasis. Das Ganze hielt zehn Tage an und ich konnte es erst mit einer Antibiotikum-Kur besiegen.
Nachdem das alles überstanden war und ich noch krampfhaft versuchte, meine positive Stimmung nicht zusammenfallen zu lassen, hatte ich zwei Tage später einen Platten mitten im Nirgendwo, was nicht schlimm gewesen wäre, wäre in diesem Augenblick nicht meine Pumpe zerbrochen. In dem Moment hatte ich meine Reise endgültig in Frage gestellt und von positiver Einstellung war erst mal nichts mehr zu spüren. Natürlich sind in der ganzen Zeit in und um Ankara auch ganz viele schöne Sachen passiert, die mir Kraft gegeben haben, weiterzumachen ... Zum Glück verlief es im Anschluss wieder sehr positiv.
Welche Tipps kannst du ambitionierten Fahrradfahrern geben, die eine Weltreise unternehmen möchten?
Kommt sehr darauf an, wie viel Erfahrung man mit solchen Themen hat. Wenn man wirklich bei Null anfängt, sollte man vielleicht erst einmal ein paar Touren über das Wochenende planen, mit einfachem Rad, wenig Ausrüstung, auf dem Campingplatz oder im Hotel übernachten und erst mal schauen, ob das auch das Richtige für einen ist. Wenn ja, gibt es genü- gend Seiten im Internet, auf denen man sich informieren kann. Oder man schreibt mich an. Ich gebe gerne Hilfe zu allem, was das Radreisen betrifft, soweit es mir möglich ist.