Am Samstag, dem 2.7., steigt das diesjährige SoundBad. Innerhalb weniger Jahre ist das Tagesevent zur wahren Festivalgröße gewachsen. Neben DJ-Größen wie Sassi und Markus Kavka sorgt heuer Techno-Pionier Westbam für satten Sound. Wir sprachen mit dem umtriebigen Altmeister – über David Guetta, Nietzsche und die Macht der Nacht.
Deine ersten musikalischen Schritte unternahmst Du als Punk. Dann kam für Dich Hip Hop, und schließlich elektronische Fach. Inwiefern ist ein breiter Musik-Background eine Grundlage für gute DJs und Produzenten?
Für mich ist das wichtig, ich glaube, man hört es in meinen Sets und in meiner Musik. Aber ich will das nicht predigen. Für den Nachwuchs-DJ ist es kein Muss, Weisheit und Ahnung zu haben. Im Gegenteil: Wenn man 20 ist, sollte man seine Unwissenheit nutzen, denn sie kann eine kreative Macht sein.
Durch die Hip Hop Kultur zieht sich ein Competition-Gedanke. Ist dieser förderlich oder hinderlich für´s Auflegen von Techno?
Competition gibt’s immer zwischen Künstlern, wahrscheinlich schon seit den Höhlenmalern. Du solltest die Konkurrenz im Technogeschäft nicht unterschätzen. Das war immer ein Wettbewerb um die besten Beats und schon immer auch ums beste Geschäft. Gerade, wo es um viel Geld geht, wird mit allen Hacken und Ösen gekämpft. Aber das ist kaum noch eine künstlerische Competition – und daher auch nicht förderlich.
Eines Deiner Vorbilder ist der Sampling-Pionier Africa Bambaata. Was entgegnest Du Leuten, die sample-basierte Musik ablehnen oder gar als Diebstahl abtun?
Das sieht doch heute keiner mehr so. Die Diskussion ist doch fast 80ies, oder? Erstens haben sich die Leute langsam an den DJ als Künstler und das Mixen als Kunstform gewöhnt. Zweitens leben wir in Zeiten, wo von Youtube über Streaming bis zur Tauschbörse jede Musik überall frei erhältlich ist. Da regt man sich als Urheber weniger über einen gesampleten Takt auf.
Deine Autobiographie heißt „Die Macht Der Nacht“. Was hat die Nacht dem Tag voraus?
Sie ist eine Welt für sich, vielleicht sogar eine Chance für eine Art second Live. Manche Leute kennen sich nur aus dem Nachtleben. Die sind dann voneinander enttäuscht, wenn sie sich am Tag treffen. Die Nachtidentität ist eine Existenzform, die etwas glamouröser scheint als jene vom Tageslicht.
Du bist ganz offensichtlich ein guter Geschichtenerzähler. Dabei ist Deine eigentliche Profession – elektronische Musik – sehr weit von Storytelling entfernt. Oder irre ich da?
In allen Kunstformen geht es darum, den Hörer oder Betrachter mit Deiner Sichtweise zu fesseln, zu überwältigen und ihn fühlen zu lassen, was du fühlst. Dafür muss die Geschichte mit der richtigen Dramaturgie erzählt werden – auch beim DJing. Aber das heißt nicht, dass jeder Romancier ein guter DJ wäre oder umgekehrt.
Auf Dich geht der Satz zurück: „Die Heilsbotschaft der katholischen Kirche ist Jesus Christus, die Heilsbotschaft des Techno ist bum bum bum.“ Verfolgen das repetitive Prinzip des Rosenkranz-Gebets und der monotone Technobeat eventuell gleiche Absichten?
Ich kann nur zustimmen. Auch beim Feiern geht es um das Aufgehen im großen Ganzen und wie bei religiösen Erlebnissen um Erlösung – auch wenn der Vergleich etwas respektlos ist. Gebetsmühlenartige Wiederholungen verstärken die jeweilige Wirkung und helfen den Gemeinden offensichtlich allerorten.
Dein Weltbild ist u.a. von Nietzsche geprägt. Frei nach Nietzsche frage ich: Gibt es etwas, das noch besser als Techno geeignet ist, um die apollinische Ordnung und die dionysische Rauschhaftigkeit zu versöhnen?
Donnerwetter, jetzt wird´s aber deep. Also: Unkontrollierter Rausch und kontrollierte, ordentliche in 16 Takte unterteilte Beats, wo jeder weiß, wann die Bass Drum kommt… Techno eignet sich zumindest hervorragend. Ganz schön abstrakt, ich hoffe, die Leser sind noch bei uns?
Okay, bringen wir´s wieder runter: Wie betrachtest Du aktuelle Hypes wie den Starkult um David Guetta oder Avicii?
Ich beneide weder die Leute, die oben stehen und auf den Knopf drücken, noch die, die unten stehen und das toll finden. Auf mich wirkt das alles überproduziert, durchkalkuliert und irgendwie dressiert. Meine Kritiker würden sagen, ich hätte die Massenveranstaltungen, den DJ-Starkult und den Poperfolg in den 90ern auf der Mayday und der Love Parade miterfunden. Ist ja auch richtig. Aber wir waren immer Kinder der Alternativ- und Gegenkultur. As wir anfingen war alles anarchistischer und provokativer, die Situation war unberechenbarer und revolutionärer. Wenn es dressierter wurde, habe ich mich immer neuen Sachen zugewandt. So mache ich das noch heute. Spaß durch Irritation ist mein Ding.