Foodsharing Stock
Zwei Zahlen genügen, um die Tragödie zu verdeutlichen: Von den sieben Milliarden Menschen auf der Welt hungert täglich rund eine Milliarde. Gleichzeitig würde die globale Lebensmittelproduktion theoretisch ausreichen, um nicht nur sieben, sondern neun, zehn oder gar zwölf Milliarden Menschen satt zu machen.
Als eine der wichtigsten Ursachen dieses Missverhältnisses gilt die Verschwendung von Nahrungsmitteln - und die hat, trotz aller Appelle der vergangenen Jahre, offenbar nicht abgenommen
Allein in Deutschland landen demnach jedes Jahr rund 18,4 Millionen Tonnen an Lebensmitteln im Müll. Im Schnitt würden die Deutschen also 313 Kilo genießbare Nahrungsmittel unnötig wegwerfen - pro Sekunde. Angesichts dieser erschreckenden Umstände bilden sich in deutschen Städten immer mehr Initiativen um der verfahrenen Situation entgegenzuwirken: Die Foodsaver. Deren Credo ist es, genießbare Nahrung vor der Mülltonne zu retten, indem sie mit Unternehmen kooperieren und vor Ort das Essen abholen. Anschließend werden die Lebensmittel über Fair-Teiler Stationen an hungrige Mitbürger „fairteilt“. Dass das Konzept aufgeht, erkennt man nicht zuletzt an den vielen Foodsharing-Internetseiten und Facebook-Gruppen, die wie Pilze aus dem Boden sprießen. Die bekannteste dürfte wohl die Plattform foodsharing.de sein. Das foodsharing-Prinzip ist einfach und für jeden kostenlos. Wer Lebensmittel übrig hat, erstellt nach Registrierung einen digitalen Essenskorb. Interessierte Mitglieder können sich melden und das Essen an einem vereinbarten Ort abholen. Hinzu kommen öffentliche Kühlschränke und Regale, über die Foodsharer Lebensmittel verteilen können. Auch in Würzburg wird rege verteilt und gerettet. Allein im deutschsprachigen Raum sind mehr als 7500 freiwillige "Essensretter" im Einsatz, die die Regale mit nicht mehr verkäuflichen Produkten aus dem Handel füllen. Es geht um Bedingungslosigkeit und Solidarität, weil die geretteten Waren untereinander geteilt werden und niemand seine Bedürftigkeit, anders wie bei der Tafel, nachweisen muss. Geld spielt zu keinem Zeitpunkt eine Rolle, es wird völlig ausgeklammert.
Eine weitere Art der Lebensmittelrettung ist das so genannte Mülltauchen, Dumpstern oder Containern. Dabei bedient man sich an den Mülltonen großer Supermärkte und Discounter und füllt mit dem, was man dort findet, seinen Kühlschrank. Das, was die Märkte wegwerfen, ist keinesfalls alles Müll. Von den meisten Streifzügen kommen die Aktivisten zurück wie von einem Großeinkauf. Zu empfehlen ist das obere Drittel der Tonnen, weil da die Sachen oft unversehrt und teilweise sogar noch sortiert sind, verrät ein Insider.
Das Unterfangen stößt dabei allerdings auf heftige Kritik von Seiten des Gesetzgebers, denn containern ist rechtlich gesehen eine Grauzone. Nach dem in Deutschland gültigen Abfallrecht, ja das gibt es wirklich, ist Weggeworfenes so lange Eigentum des Besitzers, bis es von einer Entsorgungsfirma abgeholt wird. Werden die Mülltonnen der Supermarktriesen zusätzlich verschlossen oder anderweitig gesichert, machen sich Mülltaucher strafbar. Dann wird aus einem gemeinnützlichen Gedanken nämlich Hausfriedensbruch beziehungsweise Diebstahl.
Die Politik hält sich diesbezüglich weitestgehend bedeckt. Zwar tönen vollmundige Bekundungen zu dem Thema durch den Bundestag, aber es mangelt an konkreten Zielen und Maßnahmen. Die Bundesregierung habe zwar erklärt, die Abfälle bis 2020 um die Hälfte reduzieren zu wollen. Allerdings gebe es selten valide Daten, was die Überprüfung erschwere.
Letztendlich kann aber weder eine Regierung noch ein Unternehmen für die gestiegene Wergwerfmentalität der Konsumenten verantwortlich gemacht werden, sondern nur der Verbraucher selbst. In Zeiten der Schnelllebigkeit und Ersatzbarkeit ist es daher umso wichtiger, sich auf die kleinen Dinge im Leben zu besinnen – mit Bedacht das Brot brechen wäre schon mal ein guter Anfang.