Studieren ist in Würzburg in den vergangenen Jahren – entgegen dem im Titel postulierten Statement – zu einem Massenspektakel geworden. Ständig steigende Studierendenzahlen spiegeln das Bild der überlaufenden Hörsäle und Seminare wieder, denn das Studium an den Würzburger Hochschulen ist vor allem ein Präsenzstudium und die erste Semesterwoche auch bekanntlich die Wichtigste: In Vorlesungen werden die Prüfungskonditionen und der Fahrplan für das kommende Semester mit- geteilt und die erste Seminarsitzung ist von einer zeitlich ausufernden Referatsvergabe geprägt. Die Anwesenheit in der ersten Vorlesungswoche ist damit obligatorisch und nicht nur für Erstis relevant. In den darauffolgenden Wochen kommt ein gegenteiliges Bild zu Tage, denn die Räume der Uni wer- den leerer und leerer, wofür man die fehlende Anwesenheitspflicht in vielen Studiengängen verantwortlich machen kann. Die Anwesenheit wird laut Universitätsbeschluss und aktueller Prüfungsordnung nur noch dann gefordert, wenn sie für das Gelingen des Moduls unerlässlich ist, da so beispielsweise Gruppenprojekte in einigen Seminaren schlichtweg unmöglich wären.
Wegen mangelnden Anwesenheitszahlen hat vor allem die Fairness unter den Studierenden zu leiden. Für unbenotete Prüfungsleistungen genügt meist ein schwach umrissenes Referat, in welchem der Bezug zum eigentlichen Seminarthema zu- mindest erkennbar sein sollte, wobei ein klares Darlegen der verwendeten Quellen und eine wissenschaftliche Formatierung zwar immer obligatorisch, aber in den seltensten Fällen notwendig ist, um die Prüfungsleistung erfolgreich zu bestehen. Betroffenes Schweigen und verlegenes Entsetzen macht sich dann bei den übrigen Studierenden breit, die Woche für Woche den Stoff vor- und nacharbeiten und sich aktiv und präsent in die Sitzungen einbringen. Da fragt man zurecht nach dem Aspekt der Fairness im Studium.
Die Abwesenheit der Anwesenheitspflicht hat im Kern einen freiheitlichen und zwanglosen Bezug zum Studium und den übrigen Studierenden gefördert. Jedoch kommt mit diesem zunehmend eher lapidaren Umgang auch die Frage auf, ob die Universität als Forschungsorganisation und aktiver Wissensvermittler noch ihren Auf- gaben nachkommt? Dozierende versuchen zumindest teilweise der fehlenden Anwesenheitsbereitschaft mit diversen, internen Sonderregelungen entgegenzuwirken: In- offizielle Anwesenheitslisten als Entscheidungshilfe bei knappen Prüfungsleistungen und Zusatzmaterial in Form von Handouts für anwesende Student*innen sind zum gängigen Mittel eines Appells geworden, der die Aufgabe hat, die geflohenen Studierenden zurück in die Uni zu holen. Zum Semesterende sind sie dann aber alle wie- der da, zumindest diejenigen, die ihre Klausuren nicht schieben und somit unter anderem für massenhaft Papierabfälle sorgen.
Ein lockerer Umgang mit dem Studium muss nicht zwangsweise mit Faulheit oder mangelndem Interesse zu tun haben. Jedoch darf man sich als ordentlicher Studierender zurecht fragen, ob die eigene Leistung im Vergleich zu anderen Studierenden an Wert verliert, wenn deren Leistungsbereitschaft und Motivation nachlässt, aber im gleichen Schritt kein – davon abgesetztes – Leistungsergebnis resultiert. Dass die- se Situation zwischen den Studiengängen variiert, ist auch klar, aber vor allem sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Studiengänge haben es nicht leicht, einen guten Stand aus dieser Lage herauszuziehen. Prinzipiell muss jede*r Studierende selbst entscheiden, wie er oder sie mit dem Studium umgehen sollte. Jedoch kommt mit der Einschreibung auch eine gewisse Verantwortung gegenüber Dozierenden, anderen Studierenden und auch der Universität als Träger der Wissensvermittlung einher, die man sich im Vorfeld eines Studienantritts genauer vor Augen führen sollte. Eine gesteigerte Reflektion in diesem Punkt kann auch dem oft kritisch beäugten Massenstudieren entgegenwirken, wodurch für das Studium an sich ein qualitativer Mehrwert generiert werden kann.