© Eylul Aslan
Sookee
Rapperin Sookee spielt am 9.4.2018. in der Kellerperle. In ihren Texten reflektiert sie über Männlichkeitsentwürfe, Dogmatismus und queere Tiere. Wir sprachen mit ihr – über Rosensträuße vor nackten Brüsten, Rap und Beatrix von Storch.
Hi Sookee! Zunächst möchte ich Dir gratulieren. Für die unfreiwillige Promo, die Beatrix von Storch für Dich gemacht hat, als sie Dich als Schranze bezeichnet hat und Deine Musik als Grütze, für die sie auch noch GEZ bezahlen muss.
Ja, das war toll. Weil es ein Zeichen für die Dringlichkeit meines Tuns ist. Zumal ihre Twitter-Aktion ja weit über meine Person hinaus geht: Sie lässt erkennen, was diese Frau insgesamt ablehnt. Natürlich nutze ich das dann für mich. Anders als mit einem Schmunzeln kann das wohl eh nicht nehmen.
Für solche Leute gibst Du halt ein gutes Feindbild ab, oder?
Ja, ich könnte mir zwar etwas Schöneres vorstellen, aber wenn die Relevanz meiner Person bzw. meiner Musik auf diesem Wege offenbar wird, dann freut mich das.
Stört es Dich eigentlich, dass Du in diesem Zuge oft als Feministen-Rapperin abgestempelt wirst? Immerhin greift das deutlich zu kurz, weil Du ja für bzw. gegen vieles Partei ergreifst…
Ich finde das in Ordnung. Feminismus ist ja eine Querschnittsaufgabe. Wenn z.B. die Identitäre Bewegung die MeToo-Debatte und die #120dB-Kampagne zu etwas Patriotischem gestalten möchte, dann zeigt das, dass man auch dem zunehmenden Rechtsruck feministisch begegnen muss. Für mich ist Antifaschismus nicht ohne Feminismus denkbar. Wenn ich als Feministin verstanden werde, dann entspricht es auf jeden Fall meinem Selbstbild – eingedenk, dass Feminismus keinesfalls deckungsgleich ist mit Zensur, Kontrolle, Biedermeiertum und Spaßbefreitheit.
Mit dem zunehmenden Rechtsruck kochte ja auch immer mal wieder die Debatte um eine Deutschquote im Radio neu auf. Deutschsprachige Pop-Gefühlsduselei hat es ja tatsächlich ins Radio geschafft, deutscher Rap – oder überhaupt Rap – ist dagegen eine starke Ausnahme. Wenn dies anders wäre: Gäbe es dann vielleicht weniger Macho-Rap?
Naja, so als Nischending gibt es doch schon Rap im Radio – Rap, der an der Schnittmenge zu Pop stattfindet, was natürlich vollkommen okay ist. Trettmann, die Antilopen Gang, Megaloh oder auch so eine Pfeife wie Cro werden durchaus im Radio gespielt. Und wenn man sich jugendlich orientierte Spartensender anhört, dann scheint Hip Hop eh zunehmend an Bedeutung zu gewinnen.
Bleiben wir bei Hip Hop: Ich möchte Dir mit Rap begegnen – mit Torch, der auf seiner Blauer Samt LP behauptet, es drehe sich alles um Gewalt oder Sex. Was meinst Du, stimmt das?
Ich würde sagen: Gewalt und Sex sind lediglich zwei Stufen auf der Leiter zur Macht. Mit Sex kommt man an Geld und mit Geld und Gewalt kommt man an Macht. So gesehen sind Gewalt und Sex lediglich wirksame Mittel auf dem Weg zur Macht als einer übergeordneten abstrakten Größe. Macht ist das große Ding innerhalb jeder kompetitiven Struktur – in politischen Systemen, aber auch im Kleinen, z.B. in Klassenverbänden oder Familien. Sie schließt dabei solche Aspekte wie Respekt und Angst mit ein. Im Hip Hop erkennt man das z.B. in seinem absurden Verständnis von Respekt. Da geht es weniger um Wertschätzung als vielmehr darum, dass man jemanden als krass, als überlegen empfindet. Ich finde das blöd, mir schlägt da zu sehr ein Hippie- und ein Punk-Herz in meiner Brust. Schade, dass sich grundsätzliche Wertschätzung im Hip Hop nicht tradieren konnte.
Zumal der Rapper an sich ja nicht müde wird, Respekt für sich einzufordern…
Klar, aber das machten ja im Grunde alle Menschen, jeder sucht nach Anerkennung. Bei Rap gibt´s eben die Tendenz zur Überzeichnung. Da braucht man sich ja nur die übersexualisierte Bildsprache anzusehen. Aber selbst das ist sehr verbreitet – auch dort, wo man´s nicht vermutet. Als ich mir gestern eine Pizza bestellt habe, wurde ich mit einer Werbung für eine Aktionspizza konfrontiert, bei der sich eine nackte Frau einen Strauß Rosen vor die Brüste hält. Klar gibt es noch einen Unterschied zwischen dieser Werbung und einem Rapper, der Sachen sagt wie „ich ficke Dich, bis Du platzt“. Mein großer Wunsch bei solchen Sachen ist aber, dass die Leute erkennen, dass es da nicht um Sex sells geht, sondern um Sexisms sells.
Gibt es dann überhaupt die Möglichkeit für Sex sells? Oder ist es immer Sexismus, über den Sachen verkauft werden?
Der Konsument will eben immer mehr – und wir haben von allem viel. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier – und verlangt stückchenweise mehr. In einem kapitalistischen System muss daher alles zunehmend krasser werden, damit immer noch mehr Kohle gemacht werden kann. Daher wird eben auch der Sexismus im Rap immer krasser, damit er weiterhin Aufmerksamkeit erlangen kann.
Grundsätzlich finde ich es gut, wenn in der Gesellschaft über Sex gesprochen wird. Weil die etablierte Sexualisierung ja ziemlich sprachlos ist. Die wenigsten Menschen sind in der Lage, über Sexualität zu kommunizieren und dabei ihre eigenen Grenzen zu formulieren. Im echten Leben passiert Sex relativ wortkarg. Die krassen Adjektive der sexualisierten Bildsprache stehen da stark im Widerspruch. Nicht nur deswegen finde ich z.B. eine Künstlerin wie Stephanie Farley so toll. Die karikiert die herrschende Übersexualisierung in ihren Bildern mit Obst. Da gibt’s´dann ne Mango oder so als Vulva – und eine Hand, die damit etwas macht. Die Säfte sind da sichtbar am fließen, es kommt ohne Rassismus oder Body Shaming aus: So etwas gefällt mir als Rezipientin, und zwar 1.000 mal besser als wenn sich irgendwelche Typen da auftürmen und irgendwelche Ärsche slappen.
Und welche Hip Hop Künstlerinnen sprechen Dich an?
Eine erste große Begeisterung konnte wohl Lauryn Hill auslösen. Dann Missy Elliot. Neben der zierlichen Lauryn ist die ja eine sehr raumgreifende Frau, die aber unheimlich stylish und selbstwirksam rüberkam. Im deutschsprachigen Raum ist Pyranja sehr wichtig für mich gewesen. Sie hat mir um die Jahrtausendwende innerhalb ihrer eigenen Bühnenzeit Gelegenheit zum Rappen gegeben, was ich super solidarisch fand. Es ist toll, wenn Leute so konkurrenzlos denken und sich stattdessen gegenseitig pushen. Man sollte kollektiv denken und handeln, weswegen ich in Interviews auch gerne andere Rapperinnen empfehle…
Ja, bitte, wen möchtest Du mir empfehlen?
Zum einen die mittlerweile in Wien lebende, kurdisch-türkisch-stämmige Rapperin Ebow. Ihr aktuelles Album heißt Komplexität, sie macht wirklich tollen Sound. Dann finde ich Haszcara aus Göttingen toll. Die hat sich als eine der wenigen Frauen in dieses Internet-Video-Battle-Zeug reingefuchst, wovor ich mega viel Respekt habe. Und dann noch Finna aus Hamburg, eine feministische Rapperin, die auch wunderschön singt.
Rap richtet sich oft gegen andere und hat insofern dann negative Beweggründe. Dein Rap richtet sich auch gerne gegen andere – gegen die, die sich gegen andere richten, was im Grunde ebenfalls ein negativer Beweggrund ist. Inwiefern ist das anders zu gewichten?
Das findet auf einer anderen Metaebene statt. Ich trete nicht nach unten, mache keine Diss-Tracks. Außerdem bemühe ich mich, positive Szenerien zu entwerfen, was nicht immer leicht fällt – z.B. dann, wenn ich von meiner eigenen Zerrissenheit berichte. Ich will aber meine Utopie im Blick behalten, trotz der vielen Scheiße, die überall passiert. Mein Track „Freundin von“ zum Beispiel erzählt von all dem. was früher schief gelaufen ist – aber auch davon, dass das okay ist. Dass die Zeit zwar nicht alle Wunden heilt, aber das man lernen kann, mit diesen Wunden zu wachsen und über sich und seine Zeit zu bestimmen.
Die von Dir erwähnte Scheiße, die überall passiert, wird ja gerne verdrängt. Was meinst Du: Wenn Wissen Macht ist, ist verdrängtes Wissen mächtiger?
Hmm… Ich würde sagen, dass blankes Wissen an sich noch keine Macht ist. Es geht um die Verwobenheit von Theorie und Praxis. Weil man eben etwas tun muss, wenn man etwas weiß. Es ist menschlich, alles weit wegzuschieben, was nicht ans eigene Leben oder ans Portemonnaie geht – auch, wenn es sprichwörtlich lebensbedrohlich ist. Diese Verdrängungsmechanismen sind natürlich sehr mächtig. Weil sie Taten verhindern.
Zum Schluss möchte ich noch mal zurück zur Beatrix von Storch: Wer wäre ein adäquater Gegner für sie bei einem dieser Epic Rap Battles of History?
Boah, warte… ich glaube, Merkel wäre dafür sehr interessant. Auf der einen Seite hat man dann die aufgeregte Rumpolternde, auf der anderen die in sich ruhende, immer schön Abwartende – und gleichzeitig hat man die hörbarsten Frauen des Mitte-Rechts-Spektrums: Das wäre ein interessantes Battle!