© Christoph Köstlin
Tim Bendzko
Sänger und Songwriter Tim Bendzko ist wieder auf Tour. Auf die erste, sehr erfolgreiche „Mein Wohnzimmer, ist dein Wohnzimmer“ Konzertreihe folgt nun die zweite mit Stopp in Würzburg. Wir sprachen vorab mit dem Berliner Goldkehlchen.
Die „Mein Wohnzimmer, ist dein Wohnzimmer“ Tour folgt ja dem Motto „mi casa e su casa“. Was hat dich dazu veranlasst, so sehr auf Tuchfühlung mit deinem Publikum zu gehen?
Ich bin ein Fan von Spontanität. Die Konzertreihe soll ein besonderes Erlebnis für alle Beteiligten sein, da während dem Konzert einfach alles passieren kann. Meine Band und ich treten in Kleinstbesetzung auf und jeder darf nur ein Instrument spielen. Es gibt in jeder Stadt neue Regeln für die Show und das Publikum wird von mir auch mit einbezogen. Natürlich mag ich es auch riesige Hallen zu füllen und ein von vorne bis hinten durchstrukturiertes Bühnenprogramm zu präsentieren, aber diesmal geht’s mir eben mehr darum den Dingen ihren Lauf zu lassen.
Also kann man einen Abend unter Freunden erwarten?
Ja, gepaart mit ein bisschen Angst. Im positiven Sinn natürlich. Die Leute müssen immer damit rechnen von mir angesprochen oder auf die Bühne geholt zu werden. Als ich früher als Fan bei Konzerten war, hatte ich immer Schweißausbrüche, wenn ich angesprochen wurde. Jetzt bin ich der, der anspricht und ich genieße das schon etwas.
Jetzt singst du in dieser Konzertreihe nicht nur deine eigenen Songs, sondern auch Coverlieder. Gibt es einen Künstler oder eine Band die du am liebsten coverst?
Definitiv Grönemeyer, allerdings darf man nicht davon ausgehen, dass ich zur Hälfte eigene Songs und zur Hälfte gecoverte spiele. Der Großteil der Lieder ist natürlich von mir. Ich mag es einfach nicht zu wissen was gleich passiert. Ein leichter Anflug von Panik macht sich dann bei mir und der Band bemerkbar, wenn das Publikum entscheiden darf, was ich als nächstes singe. So ein Coversong kann immer in die Hose gehen, da gibt’s nicht viel Spielraum. Entweder es wird magisch oder es geht komplett schief. Und bisher waren es zum Glück nur magische Momente die ich damit erleben durfte.
Du bist ja ein Garant für Ohrwürmer. Woher nimmst du die Ideen dafür? Was inspiriert dich?
Das kann ich so konkret nicht sagen, aber letztendlich ist es Zeit. Alles was ich erlebe, sauge ich auf und verarbeite es. Und das was mir dann wieder einfällt, hinterfrage ich und kreiere daraus meine Texte.
Dein aktuelles Album trägt den Titel „Immer noch Mensch“. Was macht für dich das Menschsein aus?
Allgemein sollte der Mensch ja ein Vernunftwesen sein und vor allem empathiefähig. Leider hab ich so das Gefühl, dass genau diese Eigenschaften immer weniger vorhanden sind. Das sieht man ja beispielsweise auch an aktuellen Wahlplakaten. Wenn ich morgens mit dem Auto durch Berlin fahre, komme ich in Gegenden vorbei, in denen rassistische Parteien verstärkt Wahlkampfpräsenz zeigen. Da lese ich dann Slogans wie „Deutsche machen wir lieber selber“ und frage mich was mit den Leuten eigentlich los ist, was in deren Köpfen vorgeht so was zu verbreiten. Da geht für mich das Menschsein einfach komplett verloren. Jeder denkt nur noch an sich und das finde ich extrem traurig.
Deine Texte handeln oft von Selbstreflexion, Selbstakzeptanz, Respekt und Toleranz. Was kannst du absolut nicht tolerieren?
Unaufrichtige Menschen, die kann ich nicht tolerieren. Ich spreche Dinge gerne direkt an und nenn das Kind beim Namen. Damit können viele nicht umgehen und denken dann man wäre arrogant oder überheblich. Aber ich versteh nicht wo das Problem ist zu sagen was man möchte. Blödes Beispiel, aber kennst du das wenn einer ein Taschentuch will und anstatt danach zu fragen dauernd die Nase hochzieht? Da denk ich mir „frag doch einfach nach nem Taschentuch, wo ist das Problem?“
Viele Musiker wollen sich immer neu erfinden und entdecken. Bei dir hab ich das Gefühl, dass du den Dingen lieber auf den Grund gehst. Wie weit konntest du zu deinem musikalischen Kern denn schon vordringen?
Das ist ja ein sehr endlicher Prozess. Ich denke man kann sich nicht neu erfinden, aber gern neues ausprobieren. Ich hätte es zum Beispiel komisch gefunden, nach meinem ersten Album zu sagen, ich probiere jetzt mal Deep House in Kombination mit meiner Musik aus, wobei das bestimmt auch irgendwie funktionieren würde. Aber es muss einfach zu 100 Prozent Ich sein. Das war beim aktuellen Album, das ich ja selbst produzierte habe der Fall und damit fühl ich mich auch sehr wohl.
Trotzdem steht doch die Kommerzialisierung gerade im Pop Bereich im Vordergrund, oder?
Naja, das ist so ein bisschen die böhmermannsche Denkweise: Pop-Künstler machen Musik nur aus einer kommerziellen Absicht heraus. Auf die Idee zu kommen, dass man es einfach macht, weil man Spaß an der Musik und dem Stil hat, kommen die meisten nicht. Außerdem sind es natürlich die Plattenfirmen die da einen gehörigen Teil zu beitragen. Wenn die merken, da läuft ein Musikstil gerade richtig gut, werden Künstler unter Vertrag genommen, die vorher nie eine Chance dazu gehabt hätten. Das ist auch völlig legitim. Musik ist ein Bereich in der Wirtschaftsbranche wie jeder andere. Es geht auch hier um Profit und aus diesem Denken kann ich Niemandem einen Strick drehen.