Sieben Kisten mit jüdischem Material
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Museum für Franken Festung Marienberg, 97082 Würzburg
Als zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Bayern zahlreiche Jüdinnen und Juden in die Städte verzogen oder emigrierten, drohten die Landgemeinden zu verschwinden. Zurück blieben zum Teil prächtige Synagogenbauten mit kostbaren Ritualgegenständen. Um diese vor dem Verfall zu retten, beauftragte in den 1920er Jahren der Verband Bayerischer Israelitischer Gemeinden den Kunsthistoriker Theodor Harburger (1887―1949), in die Orte zu reisen und das Synagogeninventar zu dokumentieren. Die damals von Harburger fotografierten und beschriebenen Objekte gelten heute entweder als verschollen oder sind in der ganzen Welt verstreut. 80 Jahre nach dem Novemberpogrom, in dessen Zuge Synagogeneinrichtungen geschändet oder beschlagnahmt wurden, besteht kaum noch Hoffnung, verschwundene Ritualgegenstände jemals wiederzufinden und den Nachfahren ihrer ursprünglichen Eigentümerinnen und Eigentümer zurückzugeben.
Vor diesem Hintergrund kam es im Jahr 2016 im Depot des heutigen Museums für Franken in Würzburg zu einem spektakulären Fund: Das Museum für Franken begann, seine gesamten Bestände einheitlich zu inventarisieren. Dabei stieß man auf mehrere Kisten mit jüdischen Ritualgegenständen, die zum Teil bis zur Unkenntlichkeit verbrannt oder fragmentiert waren. Bernhard Purin, Direktor des Jüdischen Museums München, konnte diesen Bestand in den vergangenen zwei Jahren aufarbeiten und ― mithilfe der Dokumentation von Theodor Harburger ― sieben Synagogen in Würzburg und der umliegenden Region zuordnen. Ein Forschungsprojekt in Kooperation mit der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern und dem Deutschen Zentrum Kulturgutverluste ergab, dass etwa ein Drittel der rund 150 Objekte während des Novemberpogroms 1938 in den Synagogen beschlagnahmt wurde. Die Quellenlage zeigt: „Sieben Kisten mit jüdischem Material“ wurden im Anschluss an das Museum übergeben.
Die Ausstellung präsentiert erstmals diese geraubten und lange Zeit vergessenen jüdischen Ritualgegenstände ― darunter wertvoller Tora-Schmuck, Chanukka- Leuchter, Seder-Teller und vieles mehr ― und erzählt ihre Geschichten. Anhand von meist hebräischen Inschriften konnten zahlreiche Namen von Stifterinnen und Stiftern ermittelt werden, welche die Objekte ihren damaligen Synagogen schenkten. Auch ihre Biografien, die zum Teil im 18. Jahrhundert beginnen, sowie die ihrer Nachfahren, können in der Ausstellung erfahren werden. Viele der Lebenswege wurden während der Schoa auf grausame Weise beendet. Einige führten aus Deutschland heraus und in verschiedene Orte der ganzen Welt. Die Ausstellung erinnert an sie, an die Menschen der ehemaligen bayerischen Landgemeinden und an die Objekte, die ihnen damals so kostbar waren.